So gut geht es uns Österreichern. Wirklich?

So gut geht es uns Österreichern. Wirklich?
Laut Statistik hat der Wohlstand zugenommen. Aber was sagen die Menschen? Und wo liegen die Kehrseiten des Wachstums?

Aus der Vogelperspektive betrachtet sind Herr und Frau Österreicher mit sich und ihrem Leben im Reinen: Nach ihrer Zufriedenheit befragt, vergeben 38 Prozent neun Punkte oder sogar das Maximum von zehn Punkten. Nur jeder oder jede Zehnte ist eher unzufrieden.

Damit sind die Österreicher (7,9 Punkte) im EU-Vergleich (7,1 Punkte) ein recht zufriedenes Volk. Der Wert sei über die Jahre sehr konstant geblieben, erklärte Statistik Austria am Dienstag.

Die Datensammler stellen Jahr für Jahr die Frage: „Wie geht’s Österreich?“ Während Ökonomen meist nur auf das Wachstum schauen, will die Studie mit 30 Indikatoren zu Wohlstand, Lebensqualität und Umwelt die Realität umfassender abbilden.

So gut geht es uns Österreichern. Wirklich?

Gute Konjunktur

Die Wirtschaft boomte zuletzt, die Arbeitslosigkeit ist gesunken, der Wohlstand gestiegen. Allerdings zeigen sich im Detail Unterschiede. So werten die Experten kritisch, dass die niedrigen und hohen Einkommen seit 2000 auseinanderdriften.

Was unter anderem an der steigenden Teilzeitquote liegt. Für Statistik-Austria-Experten Ferdinand Leitner ist diese ein „zweischneidiges Schwert“. Zwar kommen so weniger Vollzeit-Arbeitsplätze zustande, dafür finden durch Teilzeit neue Bevölkerungsgruppen Arbeit.

Wobei das Wohlergehen generell stark am Job hängt: Österreicher, die länger als sechs Monate arbeitslos waren, sind seltener mit ihrem Leben zufrieden. Sie vergeben nur 6,4 von 10 Punkten.

Problematisch sehen die Experten die Entwicklung der Wohnkosten. Der Anteil jener Familien, bei denen die Miete oder die Kreditraten fürs Eigenheim 40 Prozent des Haushaltseinkommens oder mehr auffressen, ist seit 2008 deutlich gestiegen (von 6,1 auf 7,1 Prozent).

Erstaunlich ist hingegen: Die Österreicher leben immer gesünder. Die Sterblichkeit durch nicht-übertragbare Krankheiten hat sich stark verringert. 2000 waren 382 pro 100.000 Einwohner frühzeitig verschieden, zuletzt waren es 248, ein Minus von 35 Prozent. „Herz-Kreislauf- und Krebs-Erkrankungen sind deutlich zurückgegangen“, sagte Statistik-Projektleiterin Alexandra Wegscheider-Pichler – und zwar bei Männern überdurchschnittlich stark.

Der Preis für den hohen materiellen Wohlstand zeigt sich in der dritten Kategorie. Das vermeintliche Öko-Musterland hat nämlich gravierende Umweltprobleme. Ob beim Verbrauch der Ressourcen, beim Energiebedarf, beim Ausstoß an Treibhausgasen oder bei der Verkehrsentwicklung: Österreich schneidet jeweils alles andere als vorbildlich ab.

Besonders bedenklich ist, wie sorglos das kleine Land mit seiner begrenzten Fläche umgeht. Für Wohnhäuser, Verkehrs- und Gewerbeflächen werden täglich 12,9 Hektar Boden verbraucht. Der Großteil davon wird dauerhaft zubetoniert.

Positiv ist, dass sich die Bio-Anbauflächen seit 2000 verdoppelt haben. Bei Erneuerbarer Energie ist Österreich Vorreiter und, anders als in einem OECD-Ranking behauptet, hat sich die Feinstaub-Belastung verringert.

Subjektiv sehr sicher

Um die Sicherheit ist es offenkundig auch gut bestellt: Die Österreicher sehen sich seltener von Kriminalität, Gewalt und Vandalismus betroffen. Die Zahl der Todesfälle durch Mord, Totschlag oder tödliche Unfälle hat sich seit 2000 sogar halbiert – von einer Person pro 100.000 Einwohner auf 0,5.

Auffällig ist, dass der Bericht keinen einzigen politischen Indikator umfasst, weder zum Vertrauen in die Institutionen, Demokratiebewusstsein, Wahlbeteiligung, Meinungsfreiheit, Korruption oder Wahrung der Menschenrechte.

Statistik Austria verstehe sich als „neutral“, betonte Wegscheider-Pichler auf KURIER-Nachfrage. Oft scheitere es an der Verfügbarkeit von Daten. So wurde 2013 das „Vertrauen in das politische System“ EU-weit abgefragt – es blieb aber bei einer einmaligen Übung.

Die Lebensqualität der Österreicherinnen und Österreicher steigt, wir fragen nach.

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