Ermittlungen: Amtsmissbrauch im Verkehrsministerium?
Vor wenigen Tagen ging ein folgenreiches Schreiben des Landeskriminalamts Oberösterreich bei der Staatsanwaltschaft Wels ein. Es beinhaltet Mails und die Zeugenaussage eines Unfallermittlers des Verkehrsministeriums. Der Inhalt des "Abschlussberichtes" bringt starke Indizien, wonach es innerhalb des Verkehrsministeriums bei der Erstellung eines Unfallberichts zu Amtsmissbrauch und Manipulationen gekommen sein dürfte. Und das Papier, das dem KURIER vorliegt, bringt Ressortchef Jörg Leichtfried in Erklärungsnotstand – denn das, was dort zu lesen ist, hat sein Stab seit Monaten vehement bestritten. Der Flug-Skandal weitet sich damit jedenfalls aus.
Hubschrauber abgestürzt
Stein des Anstoßes ist der Absturz eines Enstrom-Hubschraubers am 5. April 2014 im Bezirk Gmunden (OÖ). Damals verunglückte der Pilot Andreas Aigner mit zwei Gästen auf dem Rückflug von einem Ausflug am steirischen Pogusch. Der offizielle Bericht des Verkehrsministeriums hält dazu fest: "Der Unfall ist auf den Ausfall des Triebwerks durch Kraftstoffmangel zurückzuführen. Eine fehlerhafte Kraftstoffvorratsanzeige trug . . . dazu bei."
All das geht zumindest aus Mails hervor, die die Polizei sichergestellt hat. Und das hat auch ein Unfallermittler des Verkehrsministeriums im Kripo-Verhör ausgesagt.
Brisanter Zeuge
Wie es dazu kam, klingt unglaublich: Der damals diensthabende Unfallermittler Bernhard K. rief den Leiter der Untersuchungsstelle, Peter U., an, um ihm vom Absturz zu berichten. U. erklärte ihm laut Aktenlage, er habe zwei Mitarbeiter der Privatfirma Secuvia, Mario L. und Dirk N., mitzunehmen. Brisant: Der eine war gleichzeitig Stützpunktleiter der Helikopter-Firma Reidinger, der besagter Unfall-Heli gehört.
Im Endbericht war die Helikopter-Firma Reidinger von jeder Schuld befreit, kritisiert wurde dafür aber, dass der Pilot einen (nicht vorgeschriebenen) Helm hätte tragen müssen. Die Frau des Piloten und die (damals ungeborenen) Zwillinge fielen nicht nur um ihre Entschädigung um, kürzlich bekamen sie von Reidinger sogar eine saftige Rechnung über 170.000 Euro für den Helikopter präsentiert.
"Irgendwer hier lügt"
Im Leichtfried-Büro heißt es: "Die interne Revision wurde am Freitag damit beauftragt, den Sachverhalt zu prüfen. Wir haben an einer restlosen Aufklärung Interesse und werden – so sich die Vorwürfe erhärten – Konsequenzen ziehen." Ein ranghoher Ministeriumsvertreter meinte hinter vorgehaltener Hand sogar: "Irgendwer hier lügt."
Untersuchung "dilettantisch"?
Helikopter-Betreiber Leopold Reidinger sagt, dass bei der Inspektion des Hubschraubers die Wartungsfirma keine Beanstandung festgestellt hat. "Wir haben den Hubschrauber in gutem Glauben übernommen. Wir verstehen auch nicht, warum der Pilot das tragbare ELT-Gerät nicht mitgenommen hat." Die Untersuchung des Tanks durch die Unfallermittler bezeichnet er als "dilettantisch". Reidinger sieht den Piloten in der Verantwortung.
Der Fall liegt nun bei der Staatsanwaltschaft Wels. Ob es zu einer Anklage kommt, wird jetzt geprüft. Manfred Kunrath, der Schwiegervater des Piloten, möchte in einem allfälligen Verfahren Schadenersatz einfordern. "Wir versuchen nun seit drei Jahren, hier für Gerechtigkeit zu sorgen. Dabei sind einige Kosten angefallen", sagt Kunrath. Kommt es nun nicht zur Anklage, will er die Volksanwaltschaft einschalten.
Juni 2016: Der KURIER berichtet unter dem Titel "Schlamperei auf Schiene" über Geistergutachten und vertuschte Zwischenfälle auf dem Bahnnetz. Die Bundesanstalt für Verkehr, in der die ministerielle Untersuchungsstelle untergebracht ist, gerät dadurch ins Visier.
November 2016: Mehrmonatige Recherchen des KURIER zeigen, wie offenbar Unfallberichte im Flugbereich vom Verkehrsministerium unterdrückt wurden. Die UNO hat die österreichische Untersuchungsstelle auch deshalb auf das Niveau Afrikas eingestuft. Zum Aufreger wird der Absturz eines Polizei-Hubschraubers in den Tiroler Achensee, bei dem die Absturzursache vermutlich vertuscht wurde und der bis heute keine Konsequenzen hat. Die Neos decken auf, dass die Privatfirma Secuvia die Untersuchungsstelle regelrecht unterwandert hat. Das Verkehrsministerium behauptet, dass die Secuvia-Leute nur "Sachverständige" sind – dennoch werden die Verträge gekündigt.
Dezember 2016: Neue Enthüllungen zeigen, dass Peter U., Leiter der Untersuchungsstelle, von den ÖBB sein Gehalt kassiert – und gleichzeitig ÖBB-Unfälle untersucht. Gemeinsam mit zwei weiteren ÖBB-Angestellten. Neos, Grüne und ÖVP fordern Konsequenzen von Verkehrsminister Jörg Leichtfried.
Jänner 2017: Die Beantwortung einer Neos-Anfrage deckt auf, dass hohe Summen an die private Secuvia geflossen sind – 21 Millionen Euro seit 2008, rund ein Drittel des gesamten Budgets der Bundesanstalt für Verkehr.
Februar 2017: Der KURIER berichtet über verdächtig hohe Tankrechnungen bei der Bundesanstalt für Verkehr.
März 2017: Verkehrsminister Jörg Leichtfried löst die Bundesanstalt für Verkehr per Gesetz ab kommendem Sommer auf.
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