Einladung zu Impftermin und Co.: Sechs Punkte, wie man Pandemie beenden könnte
Neue Quarantäne-Regeln für Schülerinnen und Schüler, ein neuer Corona-Stufenplan, verstärkte Maskenpflicht: Eigentlich werden die Maßnahmen die Corona-Pandemie aufzuhalten immer mehr, trotzdem nimmt die vierte Welle in Österreich schneller an Fahrt auf als die Herbstwelle vor einem Jahr.
Zum einen kennt sich niemand mehr in dem Corona-Maßnahmen-Dschungel aus. Zum anderen ist der erste große Run auf die Corona-Schutzimpfungen mittlerweile verflogen. Viele Menschen wollen sich nicht impfen lassen. Dennoch: Es gäbe eine Reihe an Möglichkeiten, die Pandemie weiter einzudämmen. Ein Überblick:
1. Einladung zu Impftermin an alle Ungeimpfte durch die Krankenkasse
Spanien ist eines der Musterländer beim Impfen. Die Bevölkerung vertraut dem öffentlichen Gesundheitssystem, und dieses hat beim Erreichen der hohen Impfquote eine zentrale Rolle gespielt. Ungeimpften wird vom Gesundheitssystem angeschrieben, und es wird ihnen ein Impftermin angeboten – mit Ort, Datum und Zeitpunkt. Impfpflicht gibt es keine, man kann den Termin auch sausen lassen.
Österreichs Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober meint, dass man die Impfquote auch hierzulande steigern könnte, wenn man den Menschen die Organisation eines Impftermins abnimmt. Die Österreichische Gesundheitskasse ÖGK könnte ein solches Schreiben an alle Ungeimpften richten. Rechtlich ist das möglich, man bekommt ja auch Aufforderungen zu Vorsorgeuntersuchungen zugesandt.
ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer zeigt sich auf KURIER-Anfrage bereit, wie in Spanien alle Ungeimpften mit der Einladung zu einem Impftermin anzuschreiben. Wurzer: „Das ist ein kluger Schritt und eine gute Maßnahme, um die Impfquote zu erhöhen. Impfen liegt in der Verantwortung der Bundesländer. Wir bieten unsere Unterstützung bei der Umsetzung natürlich an, brauchen dazu aber einen Auftrag vom Bund.“
Zusätzlich brisant: Für heute Vormittag ist auch noch ein Statement von ÖGK-Generaldirektor Wurzer angekündigt. Dazu später mehr.
2. Ein Reset-Knopf für die Regeln
Niemand kennt sich mehr wirklich aus. Wie lange gilt jetzt welcher Test? Wann muss wer in Quarantäne? Ab wann kann man sich freitesten? Wer muss wo genau welche Maske tragen? Am besten wäre es, die Regierung würde einen Reset-Knopf drücken, alle Regeln abschaffen und ein neues Regelwerk aufsetzen. Denn der aktuelle Dschungel führt eher dazu, dass viele Menschen jetzt resignieren und sich an fast gar nichts mehr halten. Dabei hat sich auch die grundsätzlich gute Idee, schon jetzt einen Drei-Stufen-Plan vorzustellen, als Bumerang erwiesen. Denn viele haben nun schon von etwas gehört, was noch gar nicht in Kraft getreten ist – oder doch schon?
Dennoch: Hier ein Überblick über den Corona-Maßnahmen-Dschungel:
3. Boosterimpfung für Risikopatienten
Mehrere Studien zeigten in den vergangenen Wochen einen Rückgang der Wirksamkeit der Covid-Impfungen nach einigen Monaten. "Der Impfschutz lässt vor allem bei Älteren & RisikopatientInnen nach. Deshalb sollten primär diese Gruppen Boosterimpfung bekommen", schreibt etwa der Impfexperte Leif Erik Sander von der Charité in Berlin auf Twitter.
Österreich und auch Deutschland gehen diesen Weg: Er wolle "nicht warten, bis in den Pflegeheimen wieder Menschen sterben", sagte etwa der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn. Das österreichische Impfgremium empfiehlt eine differenzierte Vorgangsweise: Weil Daten aus Israel und England darauf schließen lassen, "dass bei Personen höheren Alters und bei Personen mit bestimmten Vorerkrankungen/Immunsuppression die Schutzwirkung gegen die Delta-Variante nicht in allen Fällen neun Monate lang in vollem Ausmaß gegeben ist", wird ihnen vorrangig die dritte (bei Johnson & Johnson zweite) Impfung empfohlen. Denn: Es zeige sich, dass damit Infektionen, Impfdurchbrüche und Krankenhausaufenthalte reduziert werden können.
Umfasst sind generell Menschen über 65, Bewohner von Senioren- und Pflegeheimen, Personen mit hohem Risiko aufgrund bestimmter Vorerkrankungen (z. B. Immunschwäche) und alle Personen, die die Impfstoffe von Johnson & Johnson sowie Astra Zeneca erhalten haben.
International heftig diskutiert wird noch, ob wirklich alle Menschen jetzt schon eine dritte Impfung benötigen. Weil bei Jüngeren vor allem der Schutz vor schweren Erkrankungen länger anzuhalten scheint, empfiehlt Österreich hier derzeit eine dritte Impfung frühestens neun Monate nach dem zweiten Stich mit einem mRNA-Impfstoff.
4. Spontanes und kreatives Impfangebot
Impfen im Boot auf der Donau, vor einem Punk-Konzert, im Stephansdom oder bei der Kassa in den Supermärkten. Gerade in Wien war man in den vergangenen Wochen besonders kreativ. Die Zahlen zeigen: Bei besonderen Locations und ohne Termin den Stich zu bekommen, ist beliebt.
Diese niederschwelligen Angebote wurden in Wien bisher laut einem Sprecher vom SPÖ-Gesundheitsstadtrat Peter Hacker von 97.000 Personen angenommen. Am besten würden derzeit die Impfbusse und das Impfen in den Supermärkten funktionieren. Auch in der Lugner City verabreicht medizinisches Personal Biontech/Pfizer. Alleine in dem Einkaufszentrum waren es bisher über 5.000 Stiche.
In den Ländern gibt es weniger von den erfinderischen Ideen. Dort setzt man auf Impfbusse, die wie in Niederösterreich, gerade Ortschaften mit einer geringen Zahl an Geimpften anfahren. Auch bei Großevents wie dem Wachauer Volksfest gab es einen Tag lang die Möglichkeit, sich ohne Termin den Stich zu holen. In Graz fand im Sommer ein Impftag im Sportzentrum des Fußballklubs GAK statt. Gratis dazu: eine Karte für ein Heimspiel des Klubs. Im Burgenland wurde überhaupt eine Impf-Lotterie ausgerufen. 1.000 Sachpreise, darunter drei Autos, werden verlost.
5. Zielgruppen informieren und mit Falschinfos aufräumen
Nachdem der große Run auf die Impfstraßen verebbt ist, muss man nun gezielter bestimmte Personengruppen ansprechen, um noch Unentschlossene für eine Impfung zu gewinnen. Vor kurzem wurde eine neue Impf-Kampagne speziell für die Unter-25-Jährigen gestartet. Abzielen soll die Kampagne von "Österreich impft" auf "die größten Sorgen und Ängste der Jüngeren und Jugendlichen". Darunter fällt auch die weit verbreitete – aber unbegründete - Sorge, die Impfung mache unfruchtbar. Aber ist das genug?
Politikwissenschaftlerin Julia Partheymüller von der Universität Wien hat sich mit den "Zögerlichen" in der Pandemie beschäftigt. In ihrem Corona-Blog beschreiben die Wissenschaftlerin und ihre Kollegen, um wen es sich dabei häufig handelt: Es geht demnach um jüngere Menschen, "Personen mit geringem Einkommen sowie politikferne Menschen". Die Problemstellung in Sachen Information: "Das Vertrauen in verschiedene Institutionen ist insgesamt geringer unter Zögerlichen und Nicht-Impfbereiten. Diese vertrauen dem Gesundheitswesen aber deutlich mehr als der Bundesregierung und dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen,“ heißt es im Blog.
Die Wissenschaftlerin hat zwei Empfehlungen:
- Der Kontakt solle stärker über das Gesundheitswesen bzw. das Gesundheitspersonal gesucht werden. Hier bestehe Vertrauen und "hier es geht nicht um Politik". Das persönliche Gespräch mit Ärztinnen und Ärzten sei von Bedeutung.
- Ganz besonders wichtig sei allerdings auch das konsequente Ausräumen von Falschinformationen. Diese "sollten nicht so stehenbleiben." Alle Fehlinformationen, aber auch verwirrende Informationen müssen laufend ausgeräumt werden.
6. Sanktionen für Nicht-Geimpfte
In Österreich kann das AMS aufgrund einer Anordnung des Arbeitsministers seit Ende August ungeimpften Arbeitssuchenden das Arbeitslosengeld streichen. Falls diese, aufgrund einer geforderten Coronaimpfung, wiederholt eine Stelle abgelehnt haben. Österreich ist mit so einem Vorgehen nicht allein. Viele Länder versuchen den Druck auf Ungeimpfte zu erhöhen, indem sie verschiedene Sanktionen verhängen.
Bei unseren Nachbarn in Deutschland wird seit Kurzem in einigen Bundesländern diskutiert, Ungeimpften im Fall einer Quarantäne keinen Lohnersatz mehr zu zahlen. In Baden-Württemberg gilt diese Regel bereits seit vorgestern (15.09.21). In der Klinik Ludwigshafen im Bundesland Rheinland-Pfalz werden ungeimpfte Mitarbeiter nicht mehr befördert und ihnen werden Führungsaufgaben entzogen. In anderen europäischen Ländern müssen nicht-geimpfte Angestellte im Gesundheitsbereich bereits um ihren Job fürchten. In Italien werden sie auf Posten ohne direkten Patienten- oder Kundenkontakt versetzt. Gibt es einen solche freie Stelle nicht, ist auch eine Suspendierung ohne Gehalt bis Jahresende eine Option. Diese Maßnahme dürfte aber funktionieren, denn 98 Prozent des Personals ist mittlerweile geimpft.
Doch auch außerhalb von Europa werden Maßnahmen ergriffen, um Impfverweigerern das Leben zu erschweren. In Russland verlieren Beamte und Dienstleister ihren Arbeitsplatz, während in Indonesien alle Ungeimpften mit einer Strafe von bis zu 300 Euro rechnen müssen. In den USA werden einige Firmen aktiv. So behält sich die Fluglinie Delta Airlines für die Krankenversicherung der ungeimpften Mitarbeiter 200 Dollar zusätzlich im Monat ein.
In China dürfen an manchen Orten Ungeimpfte nicht mehr am Nah-und Fernverkehr teilnehmen. In einigen Supermärkten, Hotels, Restaurants, Einkaufszentren, Museen, Gefängnisse, Krankenhäusern, Schulen und Behörden wird ihnen der Zutritt verweigert.
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