Kroatische Rose auf einem Rasen in Favoriten
Von Uwe Mauch
Jedes Kind in Kroatien kennt die Geschichte von Luka, der mit seinen Eltern vor dem Krieg flüchten musste, der als Dreikäsehoch in Zadar in einer Flüchtlingsunterkunft aufwächst und sich dort in den Fußball verliebt, früh zum Hauptstadtklub nach Zagreb transferiert wird, dort seine Schüchternheit ablegt und bei Tottenham in London global bekannt wird.
Seinen Erfolgslauf konnte nicht einmal ein mächtiger Zagreber Mafiaboss stoppen. Luka Modrić wird auch mit bald 40 zum Stammpersonal von Real Madrid zählen.
Wir stellen Ihnen zur EURO insgesamt 23 Protagonisten aus der Wiener Fußballwelt vor. Jede Person steht für eines der 23 Länder, die sich neben Österreich für die EM qualifiziert haben.
Egal ob Highlander in Kaisermühlen, Schiedsrichter aus dem Gastgeberland Deutschland, der slowakische Masseur vom SC Mannswörth, die Torfrauen aus Italien und Serbien oder der dänische U-8-Spieler bei Union Mauer - alle haben dieses Leuchten in den Augen, wenn sie erklären, was den Reiz des Fußballs ausmacht und was sie ihrem Heimatland bei der EURO zutrauen.
Teil 1: Ein deutscher Schiri pfeift in Wien. Geht das?
Teil 2: Ein Schotte vereint Fußball-Nationen – in Wien-Kaisermühlen
Teil 3: „Dagi“ wartet auf Nachricht aus Serbien
Teil 4: Wo Floridsdorfs Fußball an Slowenien erinnert
Teil 5: „Als Engländer kannst du nur eines: hoffen“
Teil 6: Polnische Feiertage auf dem FavAC-Platz
Teil 7: „Bei uns in Ungarn gibt es mehr Akademien“
Teil 8: Er heiratet um elf, Belgien spielt um 21 Uhr
Teil 9: „Danish Dynamite“ im Südwesten von Wien
Teil 10: „Super Laura“ hält für FC Mariahilf und Italien
Teil 11: Ein Hauch „La Liga“ in der Wiener DSG-Liga
Teil 12: Ganz Georgien feiert. Lange hat man darauf gewartet
Teil 13: „Hopp, Schwyz“ in einem Wiener Vorstadt-Park
Teil 14: „Duda“ träumt von einem Finale des Friedens
Teil 15: Ankerbrot – mit einem gepfefferten Schuss Albanien
Teil 16: Ein Portugiese auf der Wiener Marswiese
Teil 17: Die Türkei bei der EM? Für sie zweitrangig!
Dies ist eine andere, eine von einem anderen Erfolg zeugende Geschichte rund um den kroatischen Fußball. Es ist die Geschichte von Ruža, der Rose aus Wien 10. Ruža Stjepanović stellt sich selbst als „Gastarbeiterkind“ vor. Und sagt es ganz klar: „Ja, ich bin stolz darauf.“
Ihre Mutter stammt aus Brčko, einer Grenzstadt an der Save, im heutigen Staat Bosnien und Herzegowina gelegen, mit hohem Anteil an Kroatischsprachigen.
Die Tochter einer Gastarbeiterin, die als Reinigungskraft und Hausmeisterin in Favoriten ihr Geld verdiente, lernte nicht Kroatisch. Durfte nicht Kroatisch lernen. So war das in den 1970er-Jahren. „Die Mutter fürchtete, dass wir auffallen. Ich durfte in der Schule auch nicht widersprechen.“
Ruža Stjepanović: Geboren am 15. 9. 1973 in Wien, spielte in der DSG-Liga, Funktionärin beim SK CRO.
Hrvatski nogometni savez: Seit 1996 sechs Mal für die EM qualifiziert, 2024 in einer Gruppe mit Spanien, Albanien und Italien.
Ihre Mutter wollte wie so viele damals, dass es ihrem Kind in Wien einmal besser geht als ihr. Schade, dass sie es nicht erleben durfte: Ihr Plan sollte voll aufgehen.
Ruža hat nach Abschluss der Handelsakademie bis zur Geburt ihrer drei Kinder als Buchhalterin gearbeitet. „Nach der Karenz habe ich dann den Job gewechselt.“ Inzwischen ist sie in der Verwaltung in einem Bildungscampus im 15. Bezirk tätig, 33 Stunden pro Woche.
So bleibt noch Zeit für ihr Ehrenamt im Vorstand des neuen Meisters der Oberliga A, dem SK CRO Vienna. Der Verein wurde im Jahr 2006 gegründet. Er hat kroatische Wurzeln. „Aber unsere Türen stehen auch für alle Nicht-Kroaten offen“, betont Ruža Stjepanović, die als Mädchen gerne Basketball und auch Volleyball gespielt hat.
Luka, die EM – und sie
„Mathias, mein älterer Sohn kam 2007 zum Verein.“ Und weil seine Mutter eine ist, die sich gerne in den Dienst der Gemeinschaft stellt, war sie bald ehrenamtliche Allround-Kraft bei CRO. Sie hat auch das Frauenteam initiiert und ist selbst drei Jahre in der DSG-Liga aufgelaufen: „Ich war eine Verteidigerin.“
Und zu wem hält das Wiener „Gastarbeiterkind“ bei der EM? Diese Frage beantwortet die Rose auf dem Favoritener Fußballplatz so: „Ich habe ein rot-weiß-rotes Fantrikot zu Hause, und ein kroatisches.“ Und was werden die Kroaten reißen? „Sie sind recht jung.“ Dass sie wie immer unterschätzt werden, sei aber auch kein Nachteil.
Anders als Luka träumt sie nicht von einem EM-Titel: „Mehr vom eigenen Fußballplatz in Wien. Wir könnten dort noch mehr bewegen.“