Politik/Inland

"Hier tut man sich gerne in ein politisches Kasterl"

Er gilt als rechte Hand von Alexander Van der Bellen und war hauptverantwortlich für die siegreiche Wahlkampagne des designierten Bundespräsidenten: Lothar Lockl.

Drei Wochen nach der Hofburg-Wahl spricht der 47-jährige Wiener im KURIER.at-Interview über den hauchdünnen Triumph, eine mögliche Wahlwiederholung und die Professionellen in der Wiener Blase.


KURIER.at: Herr Lockl, hat es Sie überrascht, dass die FPÖ die Bundespräsidentschaftswahl doch noch anficht?

Lothar Lockl: Es ist zulässig, rechtliche Schritte einzuleiten. Irgendwann sollte man ein Wahlergebnis aber anerkennen.

Das kann jetzt aber noch ein wenig dauern. Gehen Sie davon aus, dass Alexander Van der Bellen am 8. Juli das Amt von Heinz Fischer übernehmen wird?

Es ist jetzt Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu entscheiden. Soweit bekannt, gibt es zahlreiche Schlampereien, die abgestellt gehören, aber bisher ist kein einziger Fall bekannt, wo tatsächlich das Wahlergebnis beeinflusst wurde.

Können Sie sich vorstellen, dass Van der Bellen die Wahl doch noch verliert?

Spekulationen sind müßig. Der Verfassungsgerichtshof ist jetzt am Wort.

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Der Wahlkampf ist vorerst mal vorbei. Sind Sie glücklich darüber?

Ja und nein. Einerseits ja, weil es schon ein sehr anstrengender Wahlkampf war. Andererseits hatten wir auch sehr viel Spaß und Freude daran. Van der Bellen hat uns bis zum letzten Tag motiviert. Er ist mit so viel Engagement in diesen Wahlkampf gegangen, in dem er von Anfang an Außenseiter war. Insofern sehe ich das Ende des Wahlkampfes sowohl mit einem weinenden als auch einem lachenden Auge.

Von einem Außenseiter kann man wohl kaum sprechen.

Er war krasser Außenseiter.

Er lag in den meisten Umfragen klar vorne.

Wir dürfen nicht vergessen, dass in den vergangenen 70 Jahren alle Bundespräsidenten von SPÖ und ÖVP, den klassischen Parteiapparaten, kamen, die einfach mehr finanzielle und materielle Ressourcen haben. Da darf man sich ungeachtet irgendwelcher Umfragen keine Illusionen machen.

Als selbsterklärter Außenseiter dürfte die Enttäuschung nach dem ersten Wahldurchgang, als Norbert Hofer mit deutlichem Abstand gewonnen hat, nicht allzu groß gewesen sein.

Der erste Wahlabend war ein Schock. Mit diesem Abstand hatten wir nicht gerechnet. Und ich denke, vielen, die nicht Norbert Hofer gewählt haben, ist es ähnlich ergangen. Von da an war für uns klar, wir probieren die Aufholjagd.

Es ist Ihnen knapp gelungen.

Ja, und es erfüllt uns mit großer Demut und Dankbarkeit. Viele Initiativen sind ohne unser Zutun aktiv geworden. Eine steirische Kreativagentur etwa hat Bierdeckeln mit dem Konterfei von Alexander Van der Bellen produziert, Chöre haben in der Wiener U-Bahn gesungen. Diese Bürgerbewegung ist vielleicht maximal mit Zwentendorf und Hainburg vergleichbar.

Und dennoch haben 50 Prozent der Wähler gegen Van der Bellen gestimmt.

Natürlich, neben dem Wahlsieg hat man gleichzeitig dieses Fifty-Fifty-Ergebnis im Hinterkopf. Jetzt gilt es mit aller Kraft das Vertrauen jener zu gewinnen, die ihn nicht gewählt haben. Das wird sicher nicht von heute auf morgen gehen. Van der Bellen hat aber die Fähigkeit, ein breit anerkannter Bundespräsident zu werden, der Österreich nach innen zusammenhält und nach außen gut repräsentiert.

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Kommen wir zu einem Thema, das viele Österreicher aufgeregt hat. Wie haben Sie das moderationslose ATV-Duell zwischen Hofer und Van der Bellen erlebt?

Die positive Seite war, dass sämtliche Medien nun aufatmen können. Es ist schon sinnvoll, Moderatoren zu haben.

"Kindergarten-Niveau", "Beide blamiert, Amt beschädigt" oder einfach nur "peinlich" - die Kritik war enorm.

Diese Diskussion war sicher ein harter Schlagabtausch, aber ich habe es nicht so extrem gefunden. Man kann es ja auch nicht allen Recht machen, vor allem nicht den professionellen Beobachtern in der Wiener-Blase.

Wen meinen Sie damit?

Die Meinungsforscher und Politikberater, die schnell mit Superlativen bei der Hand sind. Beim ATV-Duell hat es geheißen, es war zu hart, beim ORF-Duell eine Woche später war es ihnen zu langweilig. Ich glaube, es war irgendwo in der Mitte.

Van der Bellen gilt gemeinhin als ruhiger, nachdenklicher Mensch. Beim ATV-Duell war von diesen Eigenschaften wenig zu sehen.

Es kann schon vorkommen, dass es mal ein bisschen härter wird, wenn Emotionen im Spiel sind. Ich will das jetzt aber nicht mehr kommentieren. Es war so, wie es war.

Ich muss nachhaken: War Van der Bellen auf den Kommunikationsstil von Hofer vorbereitet?

Uns war immer wichtig, dass die Kampagne auf Alexander Van der Bellen zugeschnitten ist. Von Anfang an konzentrierten wir uns darauf. Und trotz Medienwahlkampfes sollte schon klar sein, dass der Bundespräsident kein Entertainer ist.

Wird sich denn ein ruhiger Präsident in die Tagespolitik einmischen?

Van der Bellen wird sicher nicht auf Schlagzeilen abzielen, aber klare Worte finden, wenn es notwendig ist. Das gefällt zwar jenen nicht, die Politik gerne als reine Show inszenieren, aber ich glaube, es ist der richtige Stil eines Bundespräsidenten.

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Bei seinen letzten Wahlkampfauftritten hat Van der Bellen sein Personenkomitee besonders oft betont. Warum?

Ich wurde oft gefragt, ob solche Personenkomitees überhaupt noch zeitgemäß sind. Für uns war es von unschätzbarem Wert, weil sich Menschen engagiert, genetzwerkt, Familien und Freunde angesprochen haben.

Es hatte den Anschein, dass viele im Personenkomitee - vor allem Politiker - mehr gegen einen Präsidenten namens Hofer waren als für einen namens Van der Bellen.

Ich bin mir sicher, für die Mehrheit der Unterstützer ist Van der Bellen in erster Linie der beste Bundespräsident. Dass Wähler die Stichwahl auch dafür nutzten, gegen den anderen Kandidaten zu stimmen, mag schon richtig sein. Trotzdem: Wenn zwei zur Auswahl stehen, muss man sich eben entscheiden.

Bis zuletzt lag Hofer vorne. War Irmgard Griss‘ inoffizielle Wahlempfehlung für Van der Bellen der entscheidende Turnaround dieser Wahl?

Wir haben uns sehr gefreut, dass sie den Mut hatte, sich zu deklarieren. Sie hat eine sehr beeindruckende Wahlbewegung auf die Beine gestellt.

Sie hat sich ziemlich spät für Van der Bellen ausgesprochen. Können Sie sich vorstellen warum?

Das Team von Frau Griss hatte einen sehr langen Wahlkampf hinter sich. Nach der Wahl benötigt man eine gewisse Zeit, um sich neu zu ordnen. Uns geht es ja jetzt nicht anders. Ich will jetzt aber gar nicht groß darüber spekulieren.

Könnte es damit zusammenhängen, dass Van der Bellen Irmgard Griss ein "überholtes Geschichtsbild" und eine unklare Haltung zum Nationalsozialismus vorgeworfen hat?

Van der Bellen hat immer gesagt, dass er Irmgard Griss schätzt. Das ändert nichts daran, dass man in manchen Sachfragen eine unterschiedliche Einschätzung hat.

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Kein Dirty Campaigning gegen Griss?

Wir haben uns wirklich bemüht, einen optimistischen, positiven Wahlkampf zu führen. Es gab keine einzige Presseaussendung, in der wir einen anderen Kandidaten unter der Gürtellinie attackiert haben. Das schließt nicht aus, dass man in der Sache seine Unterschiede herausarbeitet und darauf hinweist, dass bestimmte Formulierungen unglücklich waren - aber immer mit einem respektvollen Ton.

Van der Bellen wurde immer wieder nachgesagt, er scheue den direkten Kontakt zu den Bürgern. Waren Soziale Medien ein Ersatz für das klassische Händeschütteln?

Da muss ich heftig widersprechen. Was stimmt, ist, dass er vor laufender Kamera nicht gerne eine Show abzieht. Der inszenierte TV-Event, wo irgendein einzelnes Schicksal vorgeführt wird, ist nicht sein Schwerpunkt. Van der Bellen ist sehr umgänglich, kontaktfreudig und interessiert an der Meinung anderer, aber nicht an zehn Kameras, für die das Händeschütteln wichtiger ist als der Dialog.

Kommen wir zum Begriff der Überparteilichkeit: Van der Bellen war Bundessprecher der Grünen, sein Wahlkampfteam bestand aus ehemaligen und aktuellen Mitarbeitern der Grünen, der Großteil der Wahlkampfkosten wurde von den Grünen übernommen. War die Überparteilichkeit nicht doch ein wenig hochgegriffen?

Es ist in einem Land, das parteipolitisch geprägt ist, offenbar besonders bemerkenswert, wenn jemand sagt, er bemüht sich trotz grüner Vergangenheit darum, die Funktion als Bundespräsident überparteilich ausüben zu wollen. Hier tut man sich gerne in ein politisches Kasterl.

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Offiziell war Van der Bellen ein unabhängiger Kandidat, mit tatkräftiger Unterstützung der Grünen. Das Kasterl war offenbar grün.

Ja, es gab eine deutliche Wahlunterstützung von den Grünen, aber Van der Bellen war es wichtig, auch jene zu überzeugen, die von einer anderen politischen Richtung kommen. Unser Weg war richtig und hat sich im Nachhinein auch bestätigt.

Anfang Juli steht die offizielle Amtsübernahme an. Was passiert bis dahin noch?

Innenpolitisch wird es sehr viele Termine im Hintergrund geben. Aus Respekt vor Heinz Fischer, der bis Anfang Juli noch amtierender Präsident ist, und solange der Verfassungsgerichtshof prüft, wird sich Van der Bellen medienöffentlich sehr zurückhalten. Außenpolitisch muss geklärt werden, mit welchen Maßnahmen und welchen Besuchen er das Ansehen Österreichs stärken will.

Wohin wird Van der Bellen zuerst reisen?

Das ist eine der Fragen, die es zu klären gilt. Es ist noch offen. Ich persönlich würde mir als bekennender Fußballfan wünschen, dass die erste Auslandsreise von Van der Bellen nach Paris führen würde.

Das EM-Finale findet am 10. Juli statt, das wird "Arschknapp", wie Van der Bellen sagen würde.

Stimmt. Man soll die Latte eh nicht so hoch legen.

Wie sehen Ihre Pläne nach der Amtsübernahme aus? Werden Sie Van der Bellen in die Präsidentschaftskanzlei folgen?

Mein Team und ich haben eine Aufgabe: Wir werden alles daransetzten, dass die Amtsübernahme reibungslos über die Bühne geht. Alles andere wird sich noch weisen. Es gibt nichts zu spekulieren, Van der Bellen wird es so entscheiden, wie er es nach bestem Wissen und Gewissen für richtig hält.

Jetzt kennen Sie Van der Bellen seit Jahren. Wie wird er denn sein Team zusammensetzen?

Ich denke, es wird eine Mischung von Bewährtem und Neuem sein.


Zur Person: Lothar Lockl war von 2000 bis 2009 Kommunikationschef der Grünen. Nach seinem Parteiaustritt machte sich der 47-Jährige mit der Kommunikationsagentur "Lothar Lockl Strategie" selbstständig. Obwohl er nichts mehr mit den Grünen zu tun hat, nahm er Van der Bellens Angebot für die Wahlkampfleitung an.