FPÖ macht bei Höchstgericht ORF-Duell zum Thema

Manipulation? Laut FPÖ war die Berichterstattung im ORF nicht objektiv
Wie dicht sind die Anfechtungsgründe der FPÖ? Welche Stimmen würden allenfalls gezählt, welche nicht? Fest steht nur: Die Freiheitlichen stoßen sich ganz grundsätzlich an der Briefwahl.

"Sie wollen das Problem einfach nicht verstehen, oder?"

Dieter Böhmdorfer ist ungehalten, und das liegt jetzt an zwei Dingen.

Das eine ist seine unmittelbare Lage: Der FPÖ-Anwalt steht im Stau, und das hellt die Laune bei Telefonaten nur selten auf.

Der eigentliche und zweite Grund, warum der Ex-Minister eher übellaunig ist: Das Wahlsystem und die Demokratie liegen im Argen. "Doch anstatt sich darüber zu unterhalten, räsoniert man, was mit kleinen Beamten passieren kann, wenn sie eine Unkorrektheit bestätigen."

Mit "Unkorrektheit" meint der Ex-Minister die unbestätigten Vorwürfe, die seit Tagen über den zweiten Wahlgang der Hofburg-Wahl kursieren.

Zur Ehrenrettung von Herrn Böhmdorfer muss man sagen: Er entschuldigt sich später für seinen harschen Ton. In der Sache aber bleibt für ihn und seine Gesinnungsgemeinschaft alles beim Alten: Die FPÖ stößt sich am Wahlergebnis – und an der Briefwahl an sich.

Detaillierte Anfechtung

In fast neun Jahren, die es in Österreich die Briefwahl gibt, ist es jedoch das erste Mal, dass die Freiheitlichen ein Wahlergebnis tatsächlich anfechten – diesmal aber umfassend und detailverliebt.

Auf rund 150 Seiten wird erklärt, was an der Briefwahl an sich sowie konkret am zweiten Wahlgang am 22. Mai auszusetzen ist.

Man muss diese beiden Dinge voneinander trennen.

Da ist die generelle Kritik an der Briefwahl, die es seit jeher gab, und die im Detail sogar etwas für sich hat.

"Man kann natürlich hinterfragen, ob und wie beispielsweise besachwaltete Menschen briefwählen können", sagt der frühere Präsident des Verfassungsgerichts, Ludwig Adamovich, zum KURIER. Diese Diskussion sei aber eine ganz grundsätzliche – und demokratiepolitisch schwierige: "Wer soll am Ende entscheiden, ab wann genau jemandem das Wahlrecht aberkannt wird?"

Manipulationen?

Davon unabhängig monieren die Freiheitlichen aber Unregelmäßigkeiten sonder Zahl, die das Ergebnis der Hofburg-Wahl zugunsten von Alexander Van der Bellen gedreht haben sollen.

"Wir haben etliche eidesstattliche Erklärungen gesammelt. Jede Zahl unserer Anfechtung ist gestützt", sagt Böhmdorfer. – Was bedeuten würde: Die FPÖ hat Belege, dass Dutzende Wahlkommissionen Stimmen manipuliert und bis zu einer halben Million Briefwahlkarten irregulär gezählt wurden.

FPÖ macht bei Höchstgericht ORF-Duell zum Thema
Das Problem dabei ist: Bis heute wissen nur die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sowie der VfGH im Detail, was auf den 150 A4-Seiten steht, die die FPÖ bzw. Böhmdorfer für ihre Anfechtung gefüllt haben.

Zum Teil handelt es sich um grundsätzliche, demokratiepolitische Anmerkungen. So beschweren sich Böhmdorfer und die FPÖ zum Beispiel darüber, dass es dem ORF und Moderatorin Ingrid Thurnher beim abschließenden TV-Duell ganz an Neutralität und Objektivität gemangelt habe.

Dieser Meinung kann man sein – für eine allfällige Wahlanfechtung ist derlei aber irrelevant.

Was also zählt? Was macht eine Stimme ungültig?

Selbst für Experte Adamovich ist die Situation recht unübersichtlich: "Zunächst muss der VfGH einmal klären, ob eine allfällige Manipulation in dem Ausmaß vorlag, dass das Wahl-Ergebnis davon maßgeblich beeinträchtigt wurde."

Generell könne man davon ausgehen, dass die Höchstrichter gesetzliche Vorgaben, wann und wo Stimmen auszuzählen sind, sehr streng auslegen. Wenn also Stimmen schon am Sonntag, anstatt wie vorgeschrieben erst am Montag, ausgezählt wurden, dann sei das "sicher keine Kleinigkeit".

Was mit den zu früh oder unrechtmäßig ausgezählten Stimmen passiert, ob und wie in einzelnen Sprengeln neu gewählt werden wird, das kann Adamovich aber längst nicht abschätzen: "Dazu gibt’s keine Judikatur, das ist eine der heiklen Fragen, die der VfGH zu lösen hätte."

Wie gesagt, wir bleiben im Konjunktiv. Denn vorerst halten wir bei folgender Situation: Im Innenministerium, und damit der obersten amtlichen Instanz, haben die Wahlbehörden und deren Leiter per Unterschrift beurkundet, dass alles ordnungsgemäß gezählt wurde.

Oder, wie Robert Stein, der Leiter der Wahlbehörde, in einem Schreiben an Böhmdorfer sinngemäß festhält: Wenn es wirklich Unregelmäßigkeiten im großen Stil gegeben haben sollte, dann haben die Beteiligten diese in einem "besorgniserregenden" Ausmaß nicht dokumentiert.

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