"Unabhängigkeit ist Spiel mit Anti-Parteien-Effekt"

"Unabhängigkeit ist Spiel mit Anti-Parteien-Effekt"
Politologen Pelinka und Stainer über durchsichtige Wahlkampf-Methoden.

Endspurt vor der Bundespräsidentenwahl am kommenden Sonntag. Wie unabhängig sind die Kandidaten für die Hofburg?

Grünen-Chefin Eva Glawischnig bestand am Sonntag Abend in "Im Zentrum" erneut auf der "Unabhängigkeit" von Präsidentschaftswerber Alexander Van der Bellen. Sie meinte, Van der Bellen sei von keinem Parteigremium ausgesucht, sondern habe sich selbst zur Kandidatur entschieden. Das Argument verfing nicht wirklich, denn auch die anderen Kandidaten sind ja nicht gegen ihren Willen in den Wahlkampf gezogen.

Was macht die "Unabhängigkeit" eines Kandidaten wirklich aus?

"Beliebig-willkürlich"

Der renommierte Politikwissenschafter Anton Pelinka sagt, der Begriff "unabhängig" sei prädestiniert für "beliebig-willkürliche Definitionen". Es mache wenig Sinn, Van der Bellen unabhängig zu nennen, nur weil er nicht offiziell von den Grünen nominiert ist, obwohl er mit deren Unterstützung kandidiert. "Dieses Spiel mit Worten drückt aus, dass viele den Anti-Parteieneffekt auf diese Weise nützen wollen", sagt Pelinka. Unabhängigkeit sei eine Frage der Nutzung der gerade für aktuell und populär gehaltenen Begriffe: "Klestil war einmal der Kandidat der ÖVP, deren Mitglied er war, aber seine Partei hat wohl mit keinem Bundespräsidenten weniger Freude gehabt als mit Klestil. War Klestil deshalb unabhängig? Je nachdem, wie man den Begriff definiert sehen will."

Unterschriften für Kandidatur

Formal gibt es seit dem Jahr 1998 keine Partei-Kandidaturen mehr für die Hofburg. Damals wurde die Kandidatur per Abgeordneten-Unterschrift abgeschafft. Vor 1998 wog eine Abgeordneten-Unterschrift 25.000 Bürgerunterschriften, und die Partei-Kandidaten konnten sich bei den eigenen Nationalratsfraktionen bedienen. Seit Abschaffung dieser Bestimmung müssen alle Kandidaten 6000 Bürgerunterschriften für die Kandidatur einreichen. Aber auch da gibt es Unterschiede. Für Van der Bellen, Hundstorfer und Khol haben die Parteiapparate beim Sammeln zumindest mitgeholfen, Richard Lugner und Irmgard Griss haben die Unterschriften ohne Parteien-Hilfe zustande gebracht.

Wahlkampffinanzierung

Ein Indikator für Unabhängigkeit ist die Wahlkampffinanzierung. "Das sagt etwas aus über die Nähe eines Kandidaten zu einer Interessensgemeinschaft. Denn warum würde denn sonst eine Interessensgemeinschaft eine bestimmte Person unterstützen?", sagt die Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle.

Am vergangenen Sonntag mussten alle Bewerber ihre Wahlkampfkosten-Finanzierung offen legen. Demnach bekommt Van der Bellen von den Grünen 1,2 Millionen in Geld und eine weitere Million in Form von Sachspenden. Private Spenden machen nur 148.000 Euro seines Wahlkampfbudgets aus, wobei eine "Großspenderin" mit 4.000 Euro die grüne EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek ist.

Die FPÖ gibt gar nicht vor, dass ihr Kandidat Norbert Hofer "unabhängig" sei. Sie finanziert die gesamten bisherigen 1,9 Millionen aus der Parteikasse, wobei die Kärntner FPÖ, die nicht Teil der Gesamt-FPÖ ist, 34.000 Euro beisteuerte. Insgesamt sind zwei Millionen FPÖ-Geld für den ersten Wahlgang budgetiert. Vor dem zweiten Wahlgang "müssen wir uns noch einmal zusammen setzen", sagt Hofer-Sprecher Martin Glier. Die FPÖ hat gar keine Privatspenden gesammelt. Glier: "Die Leute zahlen ohnehin schon genug für die Parteienförderung, wir wollten sie nicht zusätzlich anschnorren."

ÖVP und SPÖ geben für ihre Kandidaten jeweils 1,5 Millionen aus, wovon in der ÖVP die Länder 500.000 Euro, in der SPÖ die Gewerkschaftsfraktion 280.000 Euro beisteuern. Für Khol haben Private 82.000 Euro gespendet, für Hundstorfer 10.000 Euro.

Vorwurf falscher Abrechnung

Zweifel an der angegebenen Höhe der Spenden hat der Wahlkampfmanager von Van der Bellen. "Es kann sich nur um einen Gag handeln", heißt es in einer Aussendung von Lothar Lockl, der auch Obmann des Vereins "Gemeinsam für Van der Bellen" ist. Gemeinhin spricht er von "Fantasiezahlen". Das Team von Rudolf Hundstorfer will dazu natürlich nichts wissen und weist den Vorwurf zurück.

Völlig ohne Parteigeld kommt Irmgard Griss aus. Sie legt die Spenden und die Namen der Spender laufend offen. Von den bisher eingelangten 850.000 Euro kommen 91 Prozent von Kleinspendern unter 1000 Euro, neun Prozent sind Großspender über 1000 Euro.

"Privatspenden sind noch keine Garantie für Unabhängigkeit", sagt Stainer-Hämmerle mit Verweis auf die USA, wo Riesenbeträge in die Wahlkampfkassen fließen, in der Erwartung von Gegenleistungen. Crowdfunding, also viele Kleinspenden, sind wenig problematisch. Wobei in Österreich der beschränkte politische Radius des Bundespräsidentenamts von Vornherein das Ausmaß an möglichen Gegenleistungen begrenzt. "Bisher wurde das Amt des Bundespräsidenten sehr zurückhaltend ausgeübt, das gab in der Praxis wenig Probleme", sagt Stainer-Hämmerle. In Zukunft könnte sich das aber ändern.

Einseitigkeit kostet Autorität

Letztlich, so sagt die Politik-Experten, hänge eine unabhängige Amtsführung von der Persönlichkeit des Staatsoberhaupts ab. Wenn ein Staatsoberhaupt ständig einseitig Partei ergreife, werde es bald an Autorität verlieren und sich selbst schaden. Die Parteien hätten auch wenig Möglichkeit, Druck auf ein Staatsoberhaupot auszuüben, denn es ist defacto nicht absetzbar.

In der aktuellen Debatte in Östreich werde der Begriff "Unabhängigkeit" zumeist als Chiffre für "Anti-Establishment" benützt. Daher würde Irmgard Griss, der man keinerlei Abhängigkeit nachsagen könne, anhand ihres Richterberufs unterstellt, dass sie ebenfalls Teil der "etablierten Elite" sei, sagt Stainer-Hämmerle.

Partei-Kandidaten, die mit "Unabhängigkeit" hausieren gehen, versuchen, Wähler außerhalb der eigenen Anhängerschaft anzulocken. Stainer-Hämmerle: "Das ist halt eine sehr durchsichtige Methode."

Kommentare