Wahlanfechtung der FPÖ: "Sind keine schlechten Verlierer"

Rechtsanwalt Dieter Böhmdorfer und FPÖ-Chef Heinz Christian Strache
FPÖ-Chef Heinz Christian Strache erklärte am Mittwoch die Gründe für die Anfechtung der Bundespräsidenten-Wahl.

Die FPÖ ficht die Bundespräsidentenwahl an, konkret die Stichwahl, in der ihr Kandidat Norbert Hofer knapp gegen Alexander Van der Bellen unterlag. Der umfangreiche Antrag ist bereits beim Verfassungsgerichtshof eingelangt. Eine Anfechtung mit insgesamt 150 Seiten wurde von Heinz-Christian Strache als Zustellungsbevollmächtigter eingereicht, eine weitere von Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer und eine dritte von einem "Wähler und Bürger".

"Wir sind keine schlechten Verlierer, da geht es um die Grundfesten der Demokratie, die gesichert sein müssen", sagte FPÖ-Chef Strache in einer Pressekonferenz am Mittwochvormittag. Bereits am Wochenende habe er von einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent für ein Vorgehen gesprochen. "Was sich mittlerweile weiter an Unregelmäßigkeiten aufgetan hat", rechtfertige eine Wahlanfechtung, erklärte Strache. Diese sei auch von juristischen Experten empfohlen worden.

"Das lässt keinen kalt"

Strache zitierte auch Regierungspolitiker wie Kanzler Kern, Klubchef Schieder und Gesundheitsministerin Oberhauser (alle SPÖ), sowie Vizekanzler Mitterlehner und Innenminister Sobotka (ÖVP), die "Schlamperei" und Fehler kritisiert hätten. "Man sieht, das lässt keinen kalt, es geht ums rechtstaatliche Prinzip." Er, Strache, befinde sich mit seiner Kritik in guter Gesellschaft.

Wahlanfechtung der FPÖ: "Sind keine schlechten Verlierer"
ABD0030_20160608 - WIEN - ÖSTERREICH: FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz Christian Strache am Mittwoch, 8. Juni 2016, anl. der PK der FPÖ "Entscheidung über Wahlanfechtung" in Wien. Die FPÖ ficht die Bundespräsidentenwahl an, konkret die Stichwahl. - FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH
"Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um ein schlechtes Bauchgefühl zu haben", sagte Strache und zählte einige Fälle von vorzeitiger Öffnung, Auszählung und Vorsortierung von Wahlkarten auf. Strache sagte, es seien in 97 der 117 Bezirkswahlbehörden Gesetzwidrigkeiten festgestellt worden, so seien etwa in 82 Bezirkswahlbehörden Briefwahlkarten vor Eintreffen der Wahlkommission vorsortiert worden - dies betreffe mehr als 573.000 Wahlkarten. In weiteren Bezirkswahlbehörden seien falschfarbige Stimmkuverts an die Wähler verschickt worden, die dann bei der Stimmabgaben zum Teil als nichtig bzw. ungültig oder aber auch als gültig gewertet wurden. "Man nimmt das mit offenem Mund fassungslos zur Kenntnis, und das in einer Demokratie wie Österreich", zeigte sich Strache empört. Das "Misstrauen ist gerechtfertigt", sagte der FPÖ-Chef.

"Wir haben immer gesagt, wir fechten die Wahl nicht an um der Anfechtung willen. Wer uns vorwirft, unser gesetzmäßiges Recht wahrzunehmen, der meint es mit dem Rechtsstaat nicht gut", sagte Strache. Er zeigte sich überzeugt, dass Norbert Hofer die Wahl ohne der beanstandeten Verfehlungen gewinnen hätte können.

"Wiederholung realistisch"

Eine Wahlwiederholung (voraussichtlich Teile der Wahl, Anm.) hält Strache daher für "sehr realistisch. Über diese Gesetzwidrigkeiten kann man nicht hinwegsehen."

Rechtsanwalt Dieter Böhmdorfer bekräftigte, es geht nicht um Anfechtung um der Anfechtung willen. "Wir hatten den ausdrücklichen Auftrag, restriktiv nur anhand der Fakten vorzugehen". Straches Zahlen bezeichnete er als "im Prinzip richtig". Böhmdorfer weiter: "Im Antrag sind einige Dinge nicht enthalten, die geeignet wären, Erstaunen oder Empörung hervorzurufen. Sie waren aber nicht bis ins letzte Detail nachzuweisen."

Der ehemalige Justizminister sprach von einer "ausreichenden, fundierten Begründung", den Wahlanfechtungsantrag beim VfGH zu stellen. Er sieht Systemfehler, das System sei "fatal falsch und fehleranfällig". Böhmdorfer spricht von "Schlampereien, die sich in den letzten Jahren eingeschlichen haben". Der Verfassungsgerichtshof zeige sich eigentlich restriktiv bei der In-Verschlusshaltung der Wahlkarten.

Kritik an kurzer Frist und Briefwahl

Kritik übte Böhmdorfer am Fristenlauf für eine Wahlanfechtung. Für private, unabhängige Kandidaten sei es undenkbar, diese Fehler innerhalb einer Woche festzustellen. Nur ein "gut ausgebildeter Parteiapparat" wie jener der FPÖ sei zu einer flächendeckenden Kontrolle in der Lage.

Strache erneuterte seine Kritik am Briefwahlverfahren: "Die Briefwahl ist in dieser Form nicht aufrecht zu erhalten". Das geheime Wahlrecht sie dadurch ausdrücklich nicht gesichert. Lediglich im Falle von Auslandsösterreichern gesteht Strache zu, die Briefwahl "vielleicht" aufrechtzuerhalten.

"Schlechtes Licht"

Insgesamt sieht er Unregelmäßigkeiten, die diese Wahl "in einem schlechten Licht" erscheinen lassen. Von einer absichtlichen Manipulation zum Vorteil Van der Bellens sprach Strache nicht ausdrücklich. Er sagte aber: Warum offenbar "mutwillig" Gesetze gebrochen werden, müsse die Staatsanwaltschaft beurteilen (siehe unten). "Was ist der Nutzen, warum wird das so betrieben?"

Van der Bellens Team gelassen

Das Team des früheren Grünen-Chefs und Stichwahl-Siegers Alexander Van der Bellen gibt sich unbeeindruckt von der Wahlanfechtung der FPÖ: "Wir sehen dem gelassen entgegen", meinte Lothar Lockl, Obmann des Vereins "Gemeinsam für Van der Bellen". "Es ist zulässig, rechtliche Schritte zu ergreifen", erklärte Lockl in einer Aussendung. "Jetzt ist es Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu entscheiden."

Hofer: "Mir bleibt nichts anderes übrig"

FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer hält die Wahrscheinlichkeit, dass seine Wahlanfechtung erfolgreich sein wird, für "exorbitant hoch". Die aufgezeigten Missstände dokumentierten einen "eklatanten Rechtsbruch", sagte er am Mittwoch vor Journalisten. "Es geht um eine halbe Million Stimmen, die nicht ordnungsgemäß erfasst worden sind."

Mit der Anfechtung habe er keine große Freude, so Hofer am Rande des Rechnungshof-Kandidatenhearings im Parlament, "aber mir bleibt nichts anderes übrig". Was die Konsequenz aus einer erfolgreichen Anfechtung wäre, müsse der Verfassungsgerichtshof entscheiden. "Eine Neuauszählung allein wird es nicht sein", meinte er. Und: "Wenn man das anerkennt, was vorgefallen ist, dann dreht es das Ergebnis."

Die Vorwürfe bezüglich vorzeitig geöffneter Briefwahlkuverts hätten eine andere Qualität, als wenn Wahlkommissionen einfach nur zu früh zusammengetreten wären. "Da darf man am Wahlvorgang in der Krim keine Kritik üben, wenn man das zulassen würde", sagte Hofer. Eine Folge müsse zudem ein "Wahlrecht, das wasserfest ist" sein.

LINK: Pressemitteilung der FPÖ zur Wahlanfechtung als PDF

Mit der Wahlanfechtung muss sich der Verfassungsgerichtshof (VfGH) beschäftigen. Der Antrag hat auf Nichtigerklärung des Wahlverfahrens zu lauten.

Inhaltlich befasst sich der VfGH mit einer solchen Anfechtung nur, wenn das Ergebnis ohne den behaupteten Verstoß gegen die Wahlordnung anders ausgefallen wäre - im konkreten Fall also, wenn ohne die behaupteten Fehler Hofer Bundespräsident hätte werden können.

Die FPÖ muss nachweisen, dass beobachtete Unregelmäßigkeiten im Wahlverfahren von Einfluss auf das Wahlergebnis sein konnten. Zur Erinnerung: Der Vorsprung von Van der Bellens auf Norbert Hofer betrug 30.853 Stimmen.

Liegen tatsächlich relevante Verstöße gegen die Wahlordnung - mit entscheidendem Einfluss auf das Ergebnis - vor, hat der VfGH das ganze Wahlverfahren oder genau bezeichnete Teile nichtig zu erklären, also aufzuheben. Jener Teil der Wahl, der rechtswidrig war, müsste dann wiederholt werden. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die Abstimmung (auch nur in einzelnen Wahlbezirken oder etwa der Briefwahl) wiederholt werden muss. Möglich ist auch, dass andere Teile des Wahlverfahrens - also z.B. die Stimmenauszählung - wiederholt werden müssen.

Der VfGH, muss binnen vier Wochen nach Einbringung der Anfechtung entscheiden. Das wäre im aktuellen Fall am 6. Juli. Die Angelobung Van der Bellens ist für den 8. Juli angesetzt.

Ermittlungen begonnen

Die FPÖ hat seit der Stichwahl immer wieder von Unregelmäßigkeiten berichtet, die ihr zugetragen wurden. Sie betrafen vor allem die verfrühte Öffnung von Briefwahl-Kuverts bzw. Auszählung der Wahlkarten. Zur Prüfung, ob die Wahlbehörden in einem steirischen (Südoststeiermark), einem niederösterreichischen (Wien-Umgebung) und vier Kärntner Wahlbezirken (Villach-Land, Villach-Stadt, Hermagor und Wolfsberg) damit Amtsmissbrauch begangen haben, hat das Innenministerium die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eingeschaltet.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ist eigentlich nicht für Amtsmissbrauchsfälle zuständig. Aber sie hat diese Verfahren an sich gezogen, erklärte eine Sprecherin der APA. Ergebnisse gibt es noch keine, das Ermittlungsverfahren läuft.

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