Otto Kernberg: Wie man dem Sterben ohne Angst begegnet

Psychiater Kernberg: "In gleichgesinnter Masse verringert sich die Intelligenz".
Auf der Couch: Der bekannteste praktizierende Psychiater der Welt über Leben, Tod und Donald Trump.

Otto F. Kernberg ist der bekannteste praktizierende Psychiater der Welt. Kernberg musste als Kind vor den Nazis aus Wien fliehen, kam zunächst nach Chile und später nach New York. Seine Praxis hat der Narzissmus-Experte unweit des Trump-Towers. Der KURIER hat Kernberg via Video-Call in seiner Wohnung in Manhattan erreicht, von wo aus er seit Beginn der Pandemie arbeitet.

KURIER: Die Pandemie bringt auch eine Konfrontation mit Krankheit und Tod. Haben wir jemals gelernt, den Tod zu akzeptieren?

Otto F. Kernberg: Es ist die Aufgabe eines jeden Menschen, sich mit dem Tod zurechtzufinden. Zunächst aber müssen wir uns damit zurechtfinden, dass wir überhaupt am Leben sind, denn wir haben uns das nicht ausgesucht. Zu akzeptieren, dass dieses Leben einmal ein Ende nehmen wird, sich jedoch davon nicht kontrollieren zu lassen, ist eine Lebensaufgabe. Man will ja nicht ständig an den Tod denken. Andererseits müssen wir die Beschränktheit unseres Daseins als wichtigen Aspekt des Lebens selbst sehen. Dass wir eine bestimmte Zeit haben, die gut ausgenützt werden muss. Der Tod kann sehr erschreckend sein, wenn man das Gefühl hat, es ist zu Ende, bevor man die Gelegenheit hat, das Leben zu genießen. Wenn man die Sicherheit hat, dass man voll gelebt hat, kann man dem Tod ruhig entgegenblicken. Mit dem, was man geschaffen hat und mit der Verbindung zu jenen, die man liebt, und die weiterleben wird. Diese Kontinuität der Beziehungen erlaubt es, dem Sterben ohne Panik entgegenzusehen. Dazu gehört aber persönliche Reife.

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