Psychotherapie: Bedarf steigt, Kassen-Angebot nicht ausreichend

Ein Mann beim Arzt.
Bundesverband startet Kampagne für mehr kassenfinanzierte Plätze und Abschaffung der Kontingente.

Derzeit gebe es für nur rund ein Prozent der Bevölkerung krankenkassenfinanzierte Psychotherapie. Durch die Coronakrise steige der Bedarf, die Versorgung sei aber immer noch stark an die Geldbörse des einzelnen geknüpft oder mit langem Warten verbunden, kritisiert Peter Stippl, Präsident des Bundesverbands für Psychotherapie (ÖBVP), der die Kampagne #mehrpsychotherapiejetzt gestartet hat (Link zur Kampagnenseite).

Ziele seien u.a. mehr kassenfinanzierte Psychotherapieplätze und die Abschaffung der Kontingentierung. Die Podcasterin Beatrice Frasl schilderte: "Stell dir vor, du gehst mit einer Grippe zu deiner Hausärztin und dort erfährst du, dass du nicht behandelt werden kannst, weil es nur ein Kontingent für zehn Grippepatientinnen gibt, und das sei bereits ausgeschöpft." Für Menschen mit psychischen Erkrankungen stehe "genau das an der Tagesordnung".

Bedarf stark gestiegen

"Durch Corona sind die psychischen Belastungen in Form von Depressionen, Angststörungen und Schlaflosigkeit stark gestiegen", warnte Stippl. Dass die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) die Plätze um 25 Prozent bzw. 20.000 Einheiten erhöht hat, sei "ein erster wichtiger Schritt, aber mehr denn je braucht es jetzt eine Aufhebung der Kontingente".

ÖBVP-Präsidiumsmitglied Barbara Haid erklärte, warum in Tirol die Wartezeiten kürzer sind als in Wien: "Bei der ÖGK versicherte Kinder und Jugendliche können in Tirol sofort und kostenlos bis zu sieben Stunden Psychotherapie in Anspruch nehmen. Wenn wir dieses Modell auf ganz Österreich ausweiten, vermindert das lange Leidenswege und spart den Sozialversicherungen langfristig sehr viel Geld."

Kostenersparnis

Der Rechnungshof habe die Mehraufwendungen für die Folgen psychischer Erkrankungen im Jahr 2016 mit 300 Millionen Euro bewertet, erinnerte der ÖBVP. Psychotherapeut Richard Rogenhofer beschrieb die aktuelle Situation in Wien so: "Schon Ende des Frühlings sind die freien Plätze fürs restliche Jahr alle weg."

Für eine qualitativ hochwertige Versorgung in ganz Österreich brauche es einen Gesamtvertrag mit den Krankenkassen, forderte Haid. Die mehr als 10.000 Psychotherapeutinnen und -therapeuten könnten den Bedarf jederzeit decken."

Der ÖBVP ruft am 20. November den Tag der Psychotherapie aus. Geplant sind landesweit Veranstaltungen - wegen der Coronakrise gegebenenfalls auch virtuell -, die sich mit psychischer Gesundheit beschäftigen.

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