Immer mehr Delta-Fälle in Österreich: Was das für uns bedeutet

Eine Wissenschaftlerin mit Maske schreibt Formeln auf eine transparente Tafel mit Virusmodellen.
Experten raten zur Wachsamkeit. Impfungen bieten hohen Schutz, die Ausbreitung dieser Variante ist ein weiteres Argument für rasche Durchimpfung.

22 bestätigte Fälle (aber nur mehr fünf davon erkrankt), 35 Verdachtsfälle: Wien hat am Montag die bisher größte Zahl an Covid-19-Infektionen mit der „Delta“-Variante des Coronavirus gemeldet. Fünf bestätigte Fälle gibt es in Niederösterreich, einzelne Fälle auch in anderen Bundesländern.

Der Virusimmunologe Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) in Wien beobachtet die Entwicklung genau:

„Da Untersuchungen zunehmend bestätigen, dass diese Variante um zumindest 50 Prozent infektiöser ist als die bei uns dominante Alpha-Variante (B.1.1.7) – diese war bereits um 30 bis 60 Prozent infektiöser als der ursprüngliche Wildtyp –, muss man von einem weiteren Anstieg ausgehen. Es sei denn, wir schaffen es, Infektionsketten sehr gut einzugrenzen und können parallel dazu eine möglichst hohe Durchimpfungsrate erreichen.“

Bis zuletzt wurden tendenziell Einzelfälle beobachtet, „die oft mit Reisen zusammenhängen“, erklärt Bergthaler. Anders als in England (siehe unten) liegt der Delta-Anteil an allen Neuinfektionen in vielen europäischen Ländern (auch Österreich) erst zwischen 1 und max. 4 Prozent.

Argumentationsschub

Der Umstand, dass in England trotz einer vollständigen Durchimpfung von mehr als 56 Prozent der impfbaren Bevölkerung (Österreich: 28 Prozent) weitere Öffnungsschritte verschoben werden, „darf einem schon zu denken geben. Wir sollten da ein sehr waches Auge darauf werfen“.

Wichtig wäre zu vermitteln, „dass die bestehenden Impfungen auch gegenüber Delta einen hohen Schutz bieten. Daher sollten auch möglichst rasch all jene Personen, die sich impfen lassen wollen, das entsprechende Angebot für ihren Impftermin erhalten. Zusätzlich könnte diese infektiösere Delta-Variante ein weiteres Argument für diejenigen liefern, die sich bisher noch nicht durchringen konnten, ob sie sich impfen lassen oder nicht.“

Offene Fragen

Vieles sei über die Delta-Variante derzeit noch nicht mit Sicherheit zu sagen, betont auch der Virologe Norbert Nowotny von der VetMedUni Wien. Etwa, ob die Krankheitsverläufe schwerer, leichter oder gleich schwer als bei den anderen Varianten sind. „Da müssen wir noch Studien abwarten.“ Auch er hält Alarmismus für nicht gerechtfertigt. Man müsse genau beobachten, wie sich das Virus weiter ausbreite. Durch vermehrtes Testen speziell auf diese Variante könne man auftretende Cluster in den nächsten Wochen auch regional eingrenzen. „Wir haben aufgrund des Saisonalitätseffekts und der bisherigen Maßnahmen derzeit eine gute Ausgangslage mit niedrigen Infektionswerten.“

Experten sprechen von einem Vorsprung gegenüber Großbritannien von rund zwei Monaten. Nowotny vergleicht die Situation mit einem Fußballmatch. „Es steht nun dank der Maßnahmen zwischen Virus und Gesellschaft 1 : 1. Aber um das Match zu gewinnen, brauchen wir eine rasche und vollständige Durchimpfung. Bisherige Studien zeigen klar, dass alle zugelassenen Impfstoffe einen guten Basisschutz auch gegen die Delta-Variante bieten. Wichtig ist, zwei Mal geimpft zu sein. Eine Teilimpfung schützt auch nur teilweise.“

Wie stark die Delta-Variante durch die weiteren Öffnungsschritte begünstigt wird, lasse sich noch nicht sagen. In Großbritannien, wo enge Kontakte zu Indien bestehen, sei es zu einem „hohen Viruseintrag“ und einer schnellen Ausbreitung gekommen, sagt Nowotny. „In Zentraleuropa hatten wir durchaus die Hoffnung, dass sich Delta nicht durchsetzen wird.“ Nun müsse man genau beobachten, wie schnell die Ausbreitung verlaufe. Durch die Urlaubszeit werden aber etwa am Mittelmeer Europäer aus den verschiedensten Ländern (auch Großbritannien) aufeinandertreffe. „Das wird zum Import von Virusmitbringseln führen.“

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