RSV-Infektionswelle in Österreich: Immer mehr Babys kommen ins Spital
In der Klinik Ottakring ist die Kinder- und Jugendstation am Donnerstag ausgelastet. In allen 23 verfügbaren Betten liegen Kinder mit RS-Viren. Das Respiratorische Synzytial Virus (RSV) verbreitet sich derzeit ungewöhnlich stark in der Bevölkerung, besonders betroffen sind Säuglinge und Kleinkinder.
In vielen Fällen müssen sie ins Spital, um stationär aufgenommen und mit Sauerstoff versorgt zu werden. Ist die Station voll, werden andere Spitäler durchtelefoniert, man stehe im ständigen Austausch. Mit Stand Donnerstag hat die Klinik Donaustadt nur noch zwei freie Betten. Ebenso in der Klinik Floridsdorf, in den restlichen 22 werden junge RSV-Patienten behandelt. Kaum ist ein Kind entlassen, wird das nächste aufgenommen. Ein fliegender Wechsel, wie man auf KURIER-Anfrage schildert.
Epidemie in Österreich
Die aktuell hohen Infektionszahlen sind ein europaweites Phänomen. In Österreich hat das Virus seit Anfang November ein epidemisches Ausmaß erreicht - siehe Grafik. Von einer Epidemie wird gesprochen, sobald mehr als zehn Prozent der im Labor untersuchten Proben positiv sind.
Das spüren die Kinderabteilungen in Österreichs Spitälern, wie ein KURIER-Rundruf in den Bundesländern zeigt. Am Landesklinikum Tulln in Niederösterreich führt das RS-Virus bereits zu stark belasteten Stationen.
RSV
Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist einer der bedeutendsten Erreger von Atemwegsinfektionen bei Kindern. Meist verläuft die Infektion wie eine Erkältung. Greift sie von den oberen auf die unteren Atemwege über, kann es zu schweren Verläufen kommen
50-70 Prozent
der Kinder erkranken bis zum ersten Geburtstag an RSV. Es gibt keine langfristige Immunität, Infektionen sind häufig
"Das ist ein größeres Problem als Corona im Moment", sagt Kinderärztin Andrea Bachmann. Am Landesklinikum St. Pölten ist eine der zwei Stationen für Kinder und Jugendliche komplett ausgelastet. Noch könne man die Versorgung bewerkstelligen, sagt Primar Thomas Eiwegger. Aber: "Wir haben nicht sehr viel Puffer."
Kritisch werde es laut Eiwegger, wenn die Zahlen weiter steigen. Genau das steht laut Virologin Monika Redlberger-Fritz von der Medizinischen Universität Wien bevor. "Wir stehen am Beginn der Welle. Die Infektionen werden in den nächsten Wochen weiter zunehmen."
Hinzu komme, dass die Grippewelle heuer früh eingesetzt habe. Rechnet man noch Covid-Infektionen hinzu, zirkuliere eine "Dreifachwelle". Die RSV-Saison würde in der Regel recht lange andauern, mindestens aber 16 Wochen. Aufhalten könne man die Welle nicht, aber durch das Tragen von Masken zumindest einschränken.
Viele Mischinfektionen
Von zahlreiche Doppelinfektionen berichtet das Landesklinikum Villach in Kärnten: "Es kommt zu einer besonders hohen Anzahl von Mischinfektionen mit Influenza- oder Parainfluenza-Viren", so Robert Birnbacher, Abteilungsvorstand der Kinder- und Jugendheilkunde. Angesprochen auf Engpässe betont er: "Alle Patienten, die einer stationären Aufnahme bedürfen, können auch untergebracht werden. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern."
Als angespannt, aber noch zu bewältigen, wird die Situation in der Steiermark und in Vorarlberg beschrieben. Ein ähnliches Bild zeichnet man in Salzburg und geht von einem harten Winter aus. In Tirol gebe es noch keine Bettenengpässe, dies sei aber ein "potenzielles Risiko", so ein Sprecher. Im oberösterreichischen Kirchdorf ist die Hälfte der Kinderstation mit RSV-Patienten belegt, in Steyr ein Drittel und in Vöcklabruck zwei Drittel.
Volle Ambulanzen
In NÖ und Wien ist auch von vollen Wartezimmern bei niedergelassenen Ärzten und mehrstündigen Wartezeiten in Ambulanzen die Rede. Laut Birgit Wachet vom Wiener Gesundheitsverbund werden in öffentlichen Spitälern planbare Aufnahmen verschoben, um Kapazitäten zu schaffen.
"Wir werden kein Kind abweisen. RSV-Patienten liegen zwischen einer Woche und zehn Tage im Spital, bis das Virus überwunden ist. Es gibt leider nicht das eine Medikament, dass man nehmen kann. Die Genesung dauert, solange sie eben dauert", betont Wachet gegenüber dem KURIER. Man bittet um Verständnis, dass nicht akute Aufnahmen warten müssen.
Zwei Ärzte, 50 Patienten
Die Situation wäre laut Stefan Ferenci, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, vermeidbar gewesen. "Am Donnerstag um 18 Uhr warteten noch 50 Patienten auf einer Ambulanz, die von nur zwei Ärzten versorgt werden sollten. Das brennt die Leute aus", schildert er die Lage in einem Gemeindespital.
Experten hätten schon vor Monaten vor der RSV-Welle gewarnt: "Das ist eine Kopf-in-den-Sand-Politik und dann tut man überrascht." Man könnte freiberufliche Kinderärzte für Erstversorgungsambulanzen auf Honorarbasis anwerben. Das würde Druck aus dem System nehmen.
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