Gefragt wie nie
Die Corona-Pandemie hat die starke Nachfrage nach den Devices nochmals gesteigert: Marktforscher bei Euromonitor International prognostizieren heuer 3,16 Millionen verkaufte Smartwatches in Deutschland – um knapp elf Prozent mehr als im Vorjahr. Einer Berechnung des Marktanalysten Gartner zufolge geben die Verbraucher für Wearables dieses Jahr weltweit umgerechnet 44 Milliarden Euro aus, ein Plus von 27 Prozent. "Die Menschen haben ein Interesse an Indikationen, die einen Hinweis darauf geben, ob sie sich mit Covid-19 infiziert haben oder nicht", mutmaßte Michael Maier, Deutschlandchef des US-Herstellers Fitbit, kürzlich im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters.
Das Bewusstsein der Menschen für ihre Gesundheit und Fitness ist so groß wie nie, bestätigt auch der Wiener Sportmediziner Robert Fritz. Das gesteigerte Interesse am Messen interpretiert er auch als Akutmaßnahme gegen den pandemiebedingten Kontrollverlust. Geschlossene Fitnessstudios und verordnetes Homeoffice hätten den Bedarf ebenso gesteigert, meint Fritz, der den Gadgets durchaus etwas Positives abgewinnen kann. "Sie sind einfach und intuitiv zu bedienen und bieten einen guten und realistischen Überblick über das Bewegungsverhalten. Viele würden überrascht sein, wie wenig sie sich im Alltag bewegen."
Für technikaffine Träger könne das ein Ansporn sein – zum Beispiel den Arbeitsweg aktiver zu gestalten oder nach Feierabend eine Sporteinheit einzulegen.
Während des Corona-Lockdown sei der Bewegungsradius beim Großteil der Bevölkerung plötzlich auf ein Minimum geschrumpft: "Das war nicht nur deshalb problematisch, weil viel weniger Kalorien verbraucht wurden und die Menschen zugenommen haben. Eine moderate Alltagsaktivität – hier reden wir noch nicht von regelmäßigem Sport – ist wichtig, um den Körper gesund zu halten und etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen."
Schwachstellen
Kritisch bewertet Fritz die Messgenauigkeit der Geräte: "Für Hobbysportler und Gesundheitsinteressierte reicht die Zuverlässigkeit aus." Herzkranke oder massiv schlafgestörte Menschen sollten solche Daten stets vom Experten erheben und auswerten lassen. Bei Nicht-Erreichen von Zielen drohen Frust und Demotivation: "Oft stecken die Geräte die Ziele viel zu hoch, verlangen zu hohe Intensitäten. Die Menschen haben dann permanent Muskelkater und sind erschöpft. Einen maßgeschneiderten Trainingsplan können nur schwer ersetzen."
Auch in puncto Datenschutz sind die Tracker nicht unumstritten. "Immerhin zeichnen sie sehr persönliche und sensible Daten auf", weiß Daniela Zimmer, Datenschutzexperten der Arbeiterkammer (AK). Vielen Verbrauchern sei nicht bewusst, dass "sie nicht nur über Suchmaschinen oder soziale Netzwerke ihre Daten im Internet hinterlassen, sondern dass sie über Trackinggeräte freiwillig wertvolle Daten produzieren, die Hersteller mitunter gewinnbringend zweckentfremden können." Beispielsweise für personalisierte Werbung.
Seit Inkrafttreten der neuen Datenschutz-Grundverordnung müssen Nutzer aktiv zustimmen, wie ihre Daten gehandhabt werden. "Etliche Anbieter glänzen aber nach wie vor durch blanke Desinformation und einen Schwall an unverständlichen Texten." Zimmer empfiehlt Wearables von kleineren Anbietern, die Daten endgerätbezogen speichern und nicht in Online-Sphären hochladen. "Das bieten auch große Hersteller an, allerdings oft nur in der Basisvariante." Wer Zusatzfeatures nutzen will, muss erst recht wieder dem Datentransfer akzeptieren.
Mit Vorsicht tracken
Wie kommt es, dass Millionen Menschen Informationen zu Schlaf, Herz, Tagesablauf und ihrer Gefühlswelt preisgeben, sich bei Corona-Tracking-Apps aber skeptisch zeigen? "Fitnesstracker sind eine Modeerscheinung, dahinter steckt eine mächtige Werbeindustrie. Es wurde ein regelrechter Hype um die modischen Accessoires entwickelt, das blendet", vermutet Zimmer. Bei Corona-Trackern – deren kritisches Hinterfragen durchaus berechtigt sei – stehe weniger der individuelle als der kollektive Nutzen im Fokus. "Selbstoptimierungsapps wecken hingegen konkrete Fitnesserwartungen und sind damit leicht zu vermarkten."
Letztlich sehen Fritz und Zimmer die Tracker als sinnvolle Hilfsmittel – die mit Vorsicht zu gebrauchen sind.
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