Drinnen und draußen: So kommen Sie fit durch die Corona-Krise

Sport ist gut und Joggen trotz Pandemie noch erlaubt. Man sollte aber den Rat von Experten beherzigen und sich nicht übernehmen.
Jeder Muskelkater ist jetzt ein Erfolg. Denn wer den Körper bewegt, bleibt im Ausnahmezustand auch mental agil.

Österreich mutiert dieser Tage zur Laufnation. Um den Kopf zu lüften und die Beine zu lockern, treibt es die Menschen unter Einhaltung des Mindestabstands in Scharen zur körperlichen Ertüchtigung nach draußen. Für Roman Ostermann, Sportmediziner aus Wien, ist das kaum verwunderlich: "Der veränderte und eingeschränkte Alltag lässt bei vielen trübe Gedanken auftauchen. Und Sport ist erwiesenermaßen die beste Depressionsprophylaxe."

Bewegung schraubt nicht nur den Puls, sondern auch die Stimmung in die Höhe, bestätigt Sportpsychologin Andrea Engleder – und präzisiert: "Durch Bewegung sinkt der Cortisolspiegel, von dem Stresshormon haben viele im derzeitigen Ausnahmezustand zu viel im Blut."

Stabil bleiben

Körperliche Betätigung lässt nicht nur innere Unruhe weichen: "Ein zweiter messbarer Nebeneffekt ist, dass das Dopamin, der Glücksbotenstoff im Körper, im Blut steigt", sagt Engleder. Sport entlaste nicht nur die Psyche, er fördere auch Konzentration, Leistungsfähigkeit und Aufmerksamkeit: "Dinge, die Menschen zugutekommen, die gerade beruflich gefordert sind."

Psychologen wiederholen es derzeit wie ein Mantra: Der Krise gilt es mit Struktur zu begegnen. Kommt der Tagesrhythmus durcheinander, stellen sich rasch Schlafprobleme, Leere und Lustlosigkeit ein. Auch hier kann Bewegung unterstützen: "Sport in die tägliche Routine einzubauen, egal ob morgens, abends oder zwischendurch, kann negative Gefühle abpuffern. Auch indem man digitale Medien nutzt, eine Webcam aufstellt und Freunde anruft, um zusammen zu trainieren."

Achtsamkeit üben

Quälende Gedanken lassen sich auch durch Achtsamkeit vorbeiwinken. Einsteigern rät Engleder "simple Übungen in den Alltag einzubauen": "Etwa die morgendliche Dusche mit allen Sinnen wahrzunehmen, die Temperatur des Wassers zu erfühlen, die Konsistenz des Duschgels auf der Haut zu bemerken und die herabprasselnden Wassertropfen zu spüren – ohne es zu bewerten." Das könne helfen, aus dem Gedankenkarussell auszusteigen. Wer solche Techniken für sich entdeckt, könne auch später davon profitieren, ist sich die Psychologin sicher: "Und die Perspektive, dass diese Krise vorbeigehen wird, darf ohnehin nicht verloren gehen."

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Radfahren trainiert das Herz-Kreislauf-System schonend.

Outdoor: Vital in Viruszeiten

Viele schnüren jetzt die Laufschuhe. Worauf Anfänger beim Joggen achten sollten und welche Alternativen sich anbieten.

Expertentipps. Um den richtigen Laufschuh zu finden, rät Sportmediziner Roman Ostermann Einsteigern normalerweise zu einer umfassenden Laufanalyse. Doch was ist momentan schon normal. "Wer im Internet Laufschuhe bestellt, sollte ein Allround-Modell mit mittlerer Dämpfung und hoher Stabilität wählen. Das fördert sicheres Abrollen und reduziert das Verletzungsrisiko", sagt der Experte. Entsprechende Infos dazu finden sich im Online-Fachhandel beim Beschreibungstext zum Schuh.

Stichwort Verletzungen: Diesen gilt es auch durch ein gezieltes Warm-up vorzubeugen. "Vor dem Lauf sollte man die Muskeln zehn bis 15 Minuten aufwärmen, damit sie flexibler werden. Hier bieten sich zum Beispiel kontrollierte Kniebeugen, Hampelmänner oder Ausfallschritte an."

Kontrolliert loslegen

Erst danach folgt das Dehnen, um Mikrorisse in der Muskulatur zu vermeiden. Einem gemütlichen Dauerlauf steht dann nichts mehr im Weg. "Beginnern empfehle ich eine Dauer von etwa 30 Minuten." Keinesfalls sollte man das Lauftraining zu ambitioniert angehen. Wichtig ist die Wahl der Laufbekleidung: "Das Wetter ist noch recht unbeständig, deshalb setzt man am besten auf das Zwiebelschalenprinzip und atmungsaktive Kleidung." Als Faustregel gilt: Vor dem Aufwärmen darf einen noch etwas frösteln. Nach dem Joggen sollte nicht zu viel Zeit im verschwitzten Sportoutfit draußen verbracht werden. Wegen  der Ausgangsbeschränkungen löst sich dieses Problem ohnehin von selbst.

Der Laufsport ist nicht die einzige Outdoor-Option für Bewegungswillige: "Für Schwimmen ist es zu kalt, gegen Ausfahrten mit dem Rad auf gesicherten Wegen spricht aber nichts." Für ältere oder körperlich eingeschränkte Menschen sei der zyklische Bewegungsablauf ideal: "Die Gelenke werden geschont, die Belastung ist rund, nicht stoßartig." Auch Spaziergänge sind nicht verboten: Jedoch gilt es, diese im Umkreis des Wohnortes zu absolvieren, nicht die Öffis für lange Anfahrtswege zu nutzen – und den Mindestabstand einzuhalten.

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Lockerungsübungen sind im dichten Homeoffice-Alltag Pflicht.

Indoor: Kraft bis Balance

Auch zu Hause sind dem Sportsgeist keine Grenzen gesetzt.

Angebot im Überblick. Für Anbieter von Online-Work-outs brechen gerade goldene Zeiten an. Otmane Kabietadiko ist einer von ihnen: Im Digital-Abo (skillbeast.com) bietet der Wiener Personal Trainer individuell abgestimmte Videotrainings an. "Man erhält jede Woche neue und abwechslungsreiche Programme, die ich auf die Wünsche und Bedürfnisse meiner Nutzer abstimme. So groß wie jetzt war die Nachfrage aber definitiv noch nie", sagt Kabietadiko, der sich über Social Media eine Fangemeinschaft aufgebaut hat. Angesichts der Lage weitet er sein Angebot aus und bietet nun immer montags, mittwochs und sonntags um 18 Uhr gratis Live-Trainings via Instagram (@otmane_skillbeast) an.

Dabei vereint der Sportfan Muskelaufbau mit Komponenten, die die Ausdauer stärken. Weil er dabei auf Eigengewicht setzt, braucht man keine zusätzlichen Tools. Ebenfalls gute Fitness-Rundum-Pakete liefern die Macher der Apps Freeletics und Runtastic. Letztere war ursprünglich auf Lauf-Tracking spezialisiert, versorgt Nutzer mittlerweile aber auch mit Ganzkörper-Trainings. Cyberobics liefert virtuelle Fitnesskurse mit den angesagtesten US-Fitnesstrainern der Stars. Pluspunkt fürs Gemüt: Die On-demand-Trainings werden in traumhafter Kulisse an den sonnigsten Stränden Kaliforniens gefilmt.

Zur Ruhe kommen per App

Wer nichts ins Schwitzen, sondern lieber runterkommen möchte, kann aus einer Vielzahl von Meditations- und Achtsamkeitsapps wählen. Zum Beispiel Calm (viele Gratiskurse, Premium-Jahresabo kostet rund 40 Euro), BamBu (acht Meditationssitzungen sind umsonst, Halbjahresabo kostet rund 42 Euro) oder Headspace (kostenlose Einführung, Premium-Monatsabo kostet rund 13 Euro).

Die Nachfrage nach Online-Yogastunden ist groß, das Angebot könnte vielfältiger kaum sein. Neben YouTube, wo etwa der deutschen Yogalehrerin Mady Morrison eine halbe Million User folgen, gibt es unzählige Plattformen, auf denen virtuelle Kurse für unterschiedliche Yogastile angeboten werden. Beliebte Yoga-Apps sind unter anderem Asana Rebel oder Alo Moves. Die österreichische Yogalehrerin Anna Posch geht wochentags um 9 Uhr auf Instagram (@poschstyle) live und hält eine Stunde. Viele lokale Yogastudios stellen auf Onlineprogramme um.

Lockern und entlasten

Viele Menschen arbeiten derzeit im Homeoffice. Pausen kommen da meist zu kurz. Darunter leiden Rücken und Nacken. Vielsitzer dürfen sich in Erinnerung rufen, was auf Langstreckenflügen empfohlen wird: Jede Stunde fünf Minuten die verkrampfte Haltung entspannen – Sprunggelenke kreisen, auf die Zehenspitzen steigen, Schulterblätter zusammenziehen und lockerlassen. Die Arme in kreisenden Bewegungen nach vorne und nach hinten rotieren. Auch Physiotherapeuten vermitteln ihr Wissen momentan verstärkt online: Die Praxis Wien liefert etwa auf YouTube Übungen für die Quarantäne mit medizinisch korrekter Ausführung.

Negative Energie loswerden

Mit seinen Instagram-Einheiten holt Otmane Kabietadiko die Menschen jetzt jedenfalls dort ab, wo sie sich angesichts ihres eingeschränkten Alltags oft wiederfinden: "Das Training daheim hilft, negative Energie, die sich dieser Tage des Öfteren anstaut, loszuwerden."

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