Es heißt, Herzogin Kate sei an "Bauchkrebs" erkrankt gewesen. Was heißt das?
"Den Begriff 'Bauchkrebs' verwenden wir in der Krebsmedizin nicht", sagt Christoph Grimm, Oberarzt der Abteilung für allgemeine Gynäkologie und gynäkologische Onkologie der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am AKH Wien. Potenziell könnten damit bis zu 15 Krebsarten verschiedenster Organe – der Leber, des Darms, der Nieren, der Blase oder der Gebärmutter – gemeint sein. "Man kann lediglich davon ausgehen, dass es nicht um eine Krebserkrankung außerhalb der Bauchhöhle wie z.B. der Lunge oder der Haut handelt", sagt der Spezialist. Je nach Krebsdiagnose seien "das Ausbreitungsmuster der Tumorzellen, die Art der Therapie und die Prognose unterschiedlich".
Kate hat sich einer präventiven Chemotherapie unterzogen. Was versteht man darunter?
"Wir wissen nicht, um welchen Krebs es genau geht, deswegen sollte man keine Spekulationen zu konkreten Therapien anstellen", schickt Christian Singer, Brustkrebsspezialist und Leiter des Brustgesundheitszentrums an der MedUni Wien, voraus. Von einer präventiven, einer sogenannten adjuvanten, Krebstherapie spricht man grundsätzlich, wenn nach der vollständigen operativen Entfernung eines Tumors "keine Tumorzellen mehr im Körper auffindbar sind und man versucht, präventiv das Risiko eines erneuten Auftretens des Krebses, zum Beispiel in anderen Organen, zu reduzieren", erklärt Singer. Zum Einsatz kommt meist eine Chemotherapie. Bei Krebsarten, die von Hormonen abhängig sind, können auch Anti-Hormontherapien – hier wird das Wachstum hormonempfindlicher Tumorzellen verhindert – wirksam sein.
"Wenn eine präventive Chemotherapie gemacht wird, konnten entweder durch eine Operation oder eine Strahlentherapie alle sichtbaren Tumorabsiedelungen entfernt werden", präzisiert Grimm. Die folgende Therapie habe nicht zum Ziel, weitere Krebsabsiedelungen, sondern potenzielle, kleinste Tumorzellen im gesamten Körper zu zerstören. "Man geht auf Nummer sicher", fasst Grimm zusammen.
Ein solches Vorgehen sei von der Behandlung einer Krebserkrankung im fortgeschrittenen Stadium zu unterscheiden, betont Singer: "In diesen Fällen ist der Krebs bereits in andere Organe gewandert, eine Heilung nicht mehr möglich." Infolge fokussiere man sich darauf, das Fortschreiten der Erkrankung zu bremsen. Auch hier gebe es inzwischen "großartige Medikamente, die lebensverlängernd wirken, also einen echten Überlebensvorteil für Betroffene bringen", schildert Singer.
Welche Verfahren kommen in der Krebstherapie zum Einsatz?
Chemotherapien sind nach wie vor teils schlecht verträglich und können bei Patientinnen und Patienten erhebliche Nebenwirkungen verursachen. Inzwischen könne man therapeutisch zielgerichteter agieren, etwa "Chemotherapien an einen bestimmten Antikörper koppeln, der die Medikation direkt zum Tumor führt", sagt Singer. Neuere PARP-Inhibitoren (PARP steht für Poly(ADP-ribose)-Polymerasen, Anm.) werden im Anschluss an eine Chemo eingesetzt und tragen selektiv zum Absterben von Tumorzellen bei.
Kate scheint ihre Haare trotz Chemotherapie nicht verloren zu haben. Kann der Nebeneffekt ausbleiben?
Mit einer Chemotherapie verbinden viele Menschen den Verlust der Haare. "Ob ein solcher aufritt, hängt von den eingesetzten Medikamenten ab", sagt Grimm. "Es gibt Medikamente, wo praktisch immer die Haare ausfallen. Aber auch eine Vielzahl, wo das nicht der Fall ist."
Die Therapie hat im Februar begonnen, nun scheint sie beendet. Ist diese Dauer üblich?
"Das ist ein recht klassischer Zeitraum", sagt Grimm. Wenn der Krebs ein Organ betrifft, man spricht von einer soliden Krebserkrankung, erstrecke sich eine Chemotherapie meist über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten.
Was folgt nun?
Vonseiten des Palastes werden keine Angaben gemacht, ob Kate "krebsfrei" oder "in Remission" sei. Von Letzterem spricht man, wenn keine Tumorzellen mehr nachweisbar sind. "Wenn sie eine präventive Chemotherapie bekommen hat, ist aber anzunehmen, dass schon vor Beginn alle Krebsabsiedelungen entfernt wurden – sie wäre also schon vor der Behandlung tumorfrei gewesen und müsste es demnach auch jetzt sein", sagt Grimm.
Nach einer adjuvanten Therapie sei laut Singer jedenfalls eine umfassende Nachsorge nötig. "Diese Nachsorge kann je nach Tumorart unterschiedlich gestaltet sein." Engmaschigkeit und Art der Nachsorge hängen "vom Ursprungsort des Krebses ab, aber auch vom Risiko eines Wiederauftretens", sagt Grimm. Meist würden drei bis vier Mal jährlich klinische Kontrollen veranschlagt.
Dabei sei das Gespräch mit den Patientinnen und Patienten vorrangig wichtig. Singer: "Die Betroffenen spüren tatsächlich oft selbst am Auftreten von Beschwerden oder Symptomen, wenn der Tumor wiederkehrt. Bei bestimmten Krebsarten kommen jedoch zusätzlich routinemäßig durchgeführte bildgebende Verfahren zum Einsatz, bei anderen werden Tumormarker im Blut ermittelt."
Die Prinzessin betont, dass die Unterstützung ihrer Familie enorm wichtig war. Welche Rolle spielt das Umfeld krebskranker Menschen?
"Die vergangenen neun Monate waren für uns als Familie extrem hart", sagt Kate im Video. Sie spricht von Ängsten und Sorgen, die sie und ihre Familie seit der Diagnose begleiten.
Wie wichtig die psychologische Begleitung Betroffener und ihrer Angehöriger ist, weiß auch Experte Grimm: "Zu einer ganzheitlichen Krebstherapie gehört die mentale Komponente im Sinne einer psychoonkologischen Betreuung dazu." So sei es wesentlich, dass krebskranke Menschen im Rahmen einer Psychotherapie über Belastungen sprechen können. Professionelle Beratungen seien auch für die Familie, den Partner aber auch Kinder, wesentlich.
Wann gilt man nach einer Krebsdiagnose als geheilt?
Mit dem Begriff "Heilung" wird in der Krebsmedizin differenziert umgegangen. Grimm formuliert es so: "Jedes krebsfreie Jahr erhöht die Chance, dass der Krebs nicht wiederkommt. Aber eine Anzahl an Jahren, ab denen man als geheilt gilt oder eine Garantie, dass es zu keinem Rückfall kommt, gibt es nicht."
Wie hoch das Risiko eines Rückfalls, man spricht auch von einem Rezidiv, ist, sei je nach Krebsart verschieden.
Dessen scheint sich die britische Herzogin bewusst. Obwohl sie ihre Chemotherapie hinter sich habe, sei ihr "Heilungs- und Genesungsweg noch lang", ist im Video zu hören. Ihr Fokus sei nun, "alles zu geben, um krebsfrei zu bleiben".
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