Vorsorge: Kennen Sie Ihr Risiko, an Krebs zu erkranken?
Zuerst die Nachricht einer vergrößerten Prostata, einige Tage später auch eine Krebsdiagnose: Der offene Umgang von König Charles III. mit seinem eigenen Gesundheitszustand hat – zumindest bei den Briten – das Interesse an Vorsorgeuntersuchungen deutlich erhöht.
„Der Großteil der Krebspatienten hat keine familiäre Vorbelastung – die Erkrankung hängt stark vom Lebensstil ab, und manchmal ist es einfach Pech“, räumt Prof. Shahrokh Shariat mit einem häufigen Irrglauben auf. Er ist Leiter des Comprehensive Cancer Centers an der MedUni Wien. Zur besseren Veranschaulichung hat das Krebszentrum fiktive Beispiele von Patienten und Patientinnen in verschiedenen Altersgruppen erstellt (siehe unten) und beispielhaft ihr Krebsrisiko erklärt.
„Die beste Art, Krebs zu besiegen, ist, ihn gar nicht zu bekommen! Lifestyle-Faktoren wie Rauchen, Ernährung, Bewegung, übermäßiger Alkoholkonsum und Übergewicht können das Krebsrisiko um 30 bis 40 Prozent beeinflussen“, betont der Onkologe. Die HPV-Impfung sei ein hilfreicher Faktor, um dem Zervixkarzinom, Anal-, Penis- und Kehlkopfkrebs vorzubeugen. „Diese Impfung bringt diese Erkrankungen fast auf Null!“
Die zweitbeste Art, Krebs zu besiegen, sei, ihn früh zu erkennen, führt Shariat weiter aus. Hier will er die Politik und die Gesundheitsbehörden in die Verantwortung nehmen und hat einen großen Wunsch: Er fordert für Prostata, Darm und Lunge strukturelle Vorsorgeuntersuchungen – so wie bei der Mammografie.
„Ich kann heute mehr Menschen heilen als je zuvor, aber je früher das passiert, desto mehr Lebensqualität kann erhalten werden“, erklärt Shariat. Mit strukturellen Vorsorgeprogrammen für Brust, Prostata, Darm und Lunge könne man die vier häufigsten Tumore und Todesursachen massiv reduzieren. Damit meint der Onkologe nicht nur die Überlebensrate, die sich dadurch um 20 Prozent erhöht: „Überleben ist nur ein Maßstab. Mir geht es auch darum, wie die Menschen damit leben.“
Krebs-Vorsorgetag
Das Comprehensive Cancer Center Vienna von MedUni Wien und AKH Wien lädt am 17. Februar 2024 von 9 bis 13 Uhr zum Krebs-Vorsorgetag. Das Ziel: Krebs verhindern oder möglichst früh erkennen. Referenten verschiedener Fachrichtungen klären über Vorsorge, Impfung, Genetik und Früherkennung bei den verschiedenen Krebsarten auf.
Darmkrebsvorsorge-Special
Ab 12 Uhr lädt die Selbsthilfe Darmkrebs Österreich zu einem einstündigen Special, wo man sich bei Ärzten und betroffenen Patienten über alle News zu Vorsorge und Früherkennung informieren kann. Die Veranstaltung findet hybrid statt und kann auch online besucht werden. Anmeldung unter: www.cancerschool.at
Rund 400.000 Menschen in Österreich sind an Krebs erkrankt. Bisher gibt es für folgende Krebserkrankungen Vorsorgeuntersuchungen:
Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung: Ab dem 20. Geburtstag soll laut Krebshilfe einmal jährlich im Rahmen der gynäkologischen Untersuchung ein Krebsabstrich (PAP-Abstrich) erfolgen. Ab dem 30. Lebensjahr wird zumindest alle drei Jahre ein HPV-Test empfohlen – sowohl für HPV-geimpfte als auch für HPV-ungeimpfte Frauen.
Brustkrebs: Ab dem 40. Geburtstag sollte die Mammografie alle zwei Jahre durchgeführt werden. Frauen zwischen 45 und 74 Jahren erhalten im Rahmen des Früherkennungsprogramms alle zwei Jahre ein Erinnerungsschreiben. Auch Frauen zwischen 40 und 44 sowie ab dem 75. Geburtstag können sich für eine Erinnerung anmelden.
Darmkrebsvorsorge: Ab dem 45. Geburtstag wird alle 7 bis 10 Jahre eine Darmspiegelung empfohlen. Alternativ ist der FIT-Stuhltest einmal jährlich empfohlen, mindestens alle zwei Jahre.
Hautuntersuchung: Die Muttermalkontrolle beim Arzt sowie eigene Checks der Haut vor und nach dem Sommer zur Hautkrebsvorsorge.
Prostatakrebs: Männer ab dem 45. Geburtstag sollten regelmäßig die Prostata beim Arzt untersuchen lassen sowie den PSA-Wert erheben lassen.
Selbstuntersuchung der Hoden: Männer ab dem 20. Geburtstag sollten monatlich ihre Hoden abtasten, um Veränderungen früh zu erkennen.
Blasenkrebs: Ab dem 40. Geburtstag sollte der Harn regelmäßig auf Blutspuren untersucht werden.
Die sechs fiktiven Beispiele
Moritz, 18 Jahre
HPV und Darm. Moritz muss sich eigentlich keine Gedanken über eine mögliche Krebserkrankung machen – oder vielleicht doch? Er lebt seit zwei Jahren in einer fixen Beziehung und hat keine Vorerkrankungen. Die kostenlose HPV-Impfung in der Schule hat er leider wegen Krankheit versäumt. Für Moritz ist die gut verträgliche HPV-Impfung empfohlen, die in Österreich immerhin bis zum 21. Geburtstag für Frauen und Männer gratis erhältlich ist.
Einen gewissen erhöhten Risikofaktor gibt es für Moritz allerdings: In seiner Familie kommen familiäre Darmkrebssyndrome (z. B. Lynch-Syndrom) gehäuft vor. Mehrere Verwandte ersten Grades sind davon betroffen. Daher geht Moritz auch bereits mit 18 Jahren erstmals zur Darmspiegelung (Koloskopie), um vorzusorgen und eine mögliche Erkrankung frühzeitig entdecken und behandeln zu können.
Anna, 27 Jahre
Brust und HPV. In Annas Familie mütterlicherseits gab es bereits zwei Brustkrebsfälle – hier spricht man von familiärer Vorbelastung: Ihre Oma und ihre Tante sind bereits in jungen Jahren an Brustkrebs erkrankt. Anna könnte einen Gendefekt (eine sogenannte BRCA-Mutation) in sich tragen und hat damit ein erhöhtes Risiko, schon früh an Brustkrebs zu erkranken. Sie sollte einen Termin für eine genetische Beratung im Brustkrebszentrum vereinbaren und sich auf die BRCA-Mutation testen lassen, um mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin die weitere Vorgehensweise und mögliche Therapien zu besprechen.
Anna ist mit Lukas (siehe unten) verheiratet. Vor sieben Jahren hatte Lukas Genitalwarzen – diese wurden zwar behandelt, sind jedoch vor fünf Jahren noch einmal gekommen. Lukas wird eine HPV-Impfung empfohlen, ebenso Anna, die einmal jährlich bei ihrer Gynäkologin einen Krebsabstrich machen lässt.
Lukas, 31 Jahre
Haut, Hoden und Darm. Als Kellner arbeitet Lukas im Sommer viel im Gastgarten und hatte schon viele Sonnenbrände. Er geht daher jährlich zur Hautkrebskontrolle. Dies wird allen empfohlen, die in Outdoor-Berufen viel in der Sonne arbeiten, viele Muttermale haben oder wenn jemand in der Familie an Hautkrebs erkrankt ist.
Lukas Partnerin hat einen Knoten in seinem Hoden getastet, daher lässt er urologisch abklären, ob er Hodenkrebs hat. Männern zwischen 20 und 40 Jahren wird empfohlen, einmal pro Monat den Hoden selbst abzutasten.
Lukas Schwester ist mit 42 Jahren an Darmkrebs erkrankt. Wenn ein erstgradiger Verwandter betroffen ist, sollte die erste Vorsorgekoloskopie 10 Jahre vor dem Erkrankungsalter des Angehörigen bzw. mit 40 Jahren erfolgen. Daher sollte Lukas mit 32 Jahren zur Koloskopie.
Daniela, 44 Jahre
HPV, Blase, Lunge und Darm. Daniela raucht seit 20 Jahren 10 bis 20 Zigaretten pro Tag. Vor drei Jahren hatte sie einen auffälligen Krebsabstrich, worauf ihr bei einer OP ein Gewebestück aus dem Muttermund entnommen wurde (Konisation). Ihr wird alle drei Jahre ein HPV-Test bei Ihrem Gynäkologen empfohlen und eine HPV-Impfung, die nach der Konisation bis zum Alter von 45 Jahren bezahlt wird.
Daniela musste bereits öfter wegen Harnwegsinfekten Antibiotika nehmen. Nun wurde nicht sichtbares Blut im Harn festgestellt. Obwohl sie sonst keine Beschwerden hat, ist eine Blasenspiegelung empfohlen. Als starke Raucherin hat Daniela ein erhöhtes Risiko für Lungenkrebs und andere Krebsarten.
Niemand in Danielas Familie hatte Darmkrebs. Daher macht sie mit 45 erstmals den Test auf Blut im Stuhl zur Darmkrebsvorsorge. Wenn der Test unauffällig ist, macht sie den nächsten in zwei Jahren. Sie könnte stattdessen auch eine Vorsorgekoloskopie alle 10 Jahre machen.
Thomas, 56 Jahre
Prostata, HPV und Darm. Der Vater und der Bruder von Thomas hatten Prostatakrebs. Sein Vater ist daran verstorben, dem Bruder wurde die Prostata entfernt. Thomas hat daher eine genetische Abklärung machen lassen, ob er einen BRCA-Mutation hat. Seit Thomas 40 ist, geht er zum PSA-Screening und zur Tastuntersuchung, die seine Urologin in ein paar Minuten schmerzlos durchführt. Seit seiner Scheidung vor einem Jahr wechselt Thomas häufiger die Sexualpartnerin. Zur Krebsvorsorge wird ihm die HPV-Impfung empfohlen.
Bei der Darmkrebsvorsorge hat sich Thomas für die Vorsorgekoloskopie entschieden (auch ein Test auf Blut im Stuhl alle zwei Jahre wäre möglich). Bei der Koloskopie wurden keine Polypen oder Adenome bei ihm gefunden, sein Vorsorgeintervall beträgt daher 10 Jahre. Niemand in seiner Familie hat Darmkrebs.
Edith, 61 Jahre
Darm, Brust, Pankreas und Bauchspeicheldrüse. Edith nimmt die Angebote zur Darmkrebs-Früherkennung wahr und ist beim Brustkrebsfrüherkennungsprogramm angemeldet: Sie geht seit sie 40 Jahre alt ist alle zwei Jahre zur Mammografie. Das Programm umfasst Frauen im Alter von 45 bis 74 Jahren.
Edith hat in den vergangenen Monaten ganz ohne Diät und ungeplant fast zehn Kilogramm abgenommen und ließ sich deshalb ärztlich untersuchen. Dabei wurde vor Kurzem Diabetes diagnostiziert. Auch Rückenschmerzen quälen sie seit einiger Zeit. Diese Symptome können ein Hinweis auf Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) sein.
Eine Beratung im Pankreaszentrum ist angebracht. Diese sollte auch in dem Fall erfolgen, wenn in einer Familie zwei Verwandte ersten Grades (Eltern, Kinder, Geschwister) am Pankreaskarzinom erkrankt sind.
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