Gleichzeitig werden aber auch die jährlichen Neuerkrankungen zunehmen – bei konstanter Fortsetzung des derzeitigen Trends von 45.000 auf bis zu 50.000 bereits im Jahr 2030. Dies liegt am deutlichen Anstieg der Zahl der Menschen über 65 Jahre – mit dem Alter steigt auch das Krebsrisiko. Monika Hackl von der Statistik Austria: „Bis 2040 wird die Gruppe der 60- bis 74-Jährigen um etwa 25 Prozent wachsen, das entspricht 355.000 Menschen. Die Gruppe der 75-Jährigen und älteren Personen wird um 60 Prozent wachsen. Damit leben 500.0000 Menschen mehr in dieser Altersgruppe im Jahr 2040 im Vergleich zu 2020.“
„Arbeitslast wird mehr“
Diese Entwicklungen bedeuten „enorme Herausforderungen, die wir in den nächsten Jahren und ein, zwei Jahrzehnten stemmen müssen“, sagt Wöll: „Die Arbeitslast wird immer mehr.“ – „Das derzeitige Versorgungssystem wird in der Zukunft nicht ausreichend sein.“
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Eine Maßnahme, um den steigenden Bedarf an onkologischer Versorgung zu bewältigen, sei die Einführung von „Cancer Nurses“ als eigenständiges Berufsbild. „Das sind hoch spezialisierte Pflegekräfte, die sich ganz nahe bei den Krebspatientinnen und -patienten in der Betreuung einbringen“, sagt Wöll. Sie begleiten diese kontinuierlich und sind das Bindeglied zwischen zu allen sie behandelnden Berufsgruppen.
„Dieses Berufsbild gibt es in den USA schon seit Jahrzehnten, bei uns hat es aber nur spärlich und provisorisch Fuß gefasst“, sagt Wöll.
Auch „digitale Onkologie“ könne helfen, die Personalengpässe auszugleichen und zu einer Arbeitserleichterung führen. Ein Beispiel seien sogenannte eHealth-Programme: Patienten geben selbstständig über Tablets ihre Symptome während einer Therapie ein. Führen diese zu einem Alarm, werde dies an das behandelnde Zentrum gemeldet: „Dort könnte dann die Cancer Nurse den Patienten telefonisch kontaktieren, die Beschwerden durchgehen und entscheiden, welche Maßnahmen notwendig sind – ein Spitalsaufenthalt, eine ambulante Visite, ein Besuch beim Hausarzt oder nur ein Ausschöpfen der ohnehin verschriebenen Begleitmedikation. Das würde zu einer Erleichterung in den Ambulanzen und auch im niedergelassenen Bereich führen.“
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Steigender Beratungsbedarf
7.000 Beratungen von Patientinnen und Patienten führte die Österreichische Krebshilfe im Jahr 2000 in 23 Beratungsstellen durch. 2023 waren es 32.000 Beratungen in 64 Beratungsstellen. „Es gibt einen kontinuierlichen Anstieg an notwendiger finanzieller Soforthilfe – auch, weil es vermehrt zu Kündigungen im Krankenstand, sogar während des stationären Aufenthalts kommt“, sagt Doris Kiefhaber, Geschäftsführerin der Österreichischen Krebshilfe. Krebspatienten können zwar direkt bei der Diagnose den begünstigten Behindertenstatus als Schutz vor Kündigung im Krankenstand beim Sozialministerium beantragen – „woran aber niemand in der Situation denkt“. Deshalb fordert die Krebshilfe, dass Betroffene diesen Status automatisch ab dem Zeitpunkt der Diagnose erhalten.
Gleichzeitig sollte die „Psycho-Onkologie“ als Kassenleistung in die Regelfinanzierung übernommen werden. Derzeit gibt es dieses psychologische Angebot für Erkrankte und Angehörige kostenlos vor allem über die Krebshilfe: „Aber wir können das nicht auf Dauer alleine finanzieren.“
Kiefhaber beklagt auch, dass von den 2022 angekündigten 108 Millionen Euro für den Ausbau der Palliativ-Versorgung „noch kein Geld“ geflossen sei. "Aktuell kann noch keine genaue Angabe darüber gemacht werden, wann und in welchem Umfang die versprochenen Gelder in Höhe von 108 Millionen Euro für den Ausbau eingesetzt werden können", sagt Armin Gerger, wissenschaftlicher Leiter des Krebsreports.
Am Freitag widersprach das Gesundheitsministerium diesen Angaben. Für den Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung seien die vom Bund dafür zugesagten Mittel bisher fristgerecht ausbezahlt worden: Die Länder erhielten im Jahr 2022 laut Gesundheitsministerium 21 Millionen Euro und im vergangenen Jahr 36 Millionen. "Für das Jahr 2024 werden 51 Millionen Euro ausbezahlt, ab dem Jahr 2025 wird diese Summe entsprechend jährlich valorisiert", hieß es aus dem Ressort am Freitag weiter zur APA.
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