Omikron: Warum eine vierte Impfung nicht die Lösung ist
Anfang März könnte ein angepasster Impfstoff speziell gegen Omikron verfügbar sein, wie Biontech und Pfizer ankündigten. Schon die bisherigen Impfungen tragen dazu bei, schwere Verläufe gering zu halten – das zeigen Daten aus Ländern mit hoher Durchimpfungsrate wie Großbritannien, wo zwar die Infektionszahlen in die Höhe schnellten, die Spitalsaufenthalte aber geringer ausfielen als erwartet.
Das bestätigt eine aktuelle US-Studie mit 70.000 Covid-Patienten: Im Vergleich zu Delta sorgte Omikron nur halb so häufig für Krankenhausaufenthalte. Jene, die ins Spital mussten, waren im Schnitt drei Tage kürzer stationär aufgenommen. Die Studienautoren gehen davon aus, dass das Virus zum einen selbst für die milderen Verläufe sorgt, zum anderen gilt auch bei Omikron: Geimpfte kommen seltener ins Krankenhaus als Ungeimpfte.
Bekommen wir künftig also alle paar Monate einen Booster oder sollten wir auf einen Pan-Corona-Impfstoff warten, der auch neue Varianten erkennt? Wichtige Fragen und Antworten.
Braucht es bald die vierte Impfung?
Erste Auswertungen aus Israel zeigen, dass es nach einer vierten Impfung zwar zu einem Anstieg der Antikörper kommt, der Anstieg sei jedoch nicht "sehr beeindruckend", sagte etwa Gili Regev, Leiterin der israelischen Studie zur Wirksamkeit einer vierten Covid-Impfung. Kurz nach dem vierten Stich sei man wieder auf demselben Antikörper-Stand wie kurz nach dem dritten.
"Es gibt noch zu wenig Informationen, dass eine vierte Impfung einen zusätzlichen Nutzen bringt. Man kann das zwar für Hochrisikobereiche überlegen, etwa für Immungeschwächte, es sollte aber eine Einzelfallentscheidung bleiben“, meint Impfexperte Herwig Kollaritsch. Zu häufiges Impfen könne dazu führen, dass die Booster-Wirkung nicht mehr auftritt. Bisher wurden nur Hochrisikopersonen viermal geimpft, weil sie etwa aufgrund von Autoimmunerkrankungen nicht auf die ersten drei Impfungen reagierten.
Generell ist ein Boostern alle paar Monate keine langfristige Strategie, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Sinnvoller sind etwa sogenannte Pan-Coronavirus-Impfstoffe, also Vakzine, die sämtliche Varianten erkennen sollen - auch zukünftige Mutationen. Sie zielen auf Teile des Virus ab, die sich nur sehr selten oder gar nicht verändern - nicht wie bisher hauptsächlich auf das Spike-Protein.
Forscherinnen und Forscher der US-Armee arbeiten bereits seit zwei Jahren an einem solchen übergreifenden Impfstoff. Erste Tierversuche verliefen erfolgreich. Der Impfstoff ist so aufgebaut, dass er das Immunsystem mit mehreren Varianten gleichzeitig konfrontiert. Sollten neue Varianten auftreten, die nicht erkannt werden, könne er zudem adaptiert werden.
Statt regelmäßiger Impfungen über Injektionen könnte der Fokus künftig auch auf einem Mix mit nasalen oder oralen Boostern liegen. Diese setzen an den Schleimhäuten an, an denen das Virus in den Körper gelangt und könnten so Infektionen besser verhindern. Bisher ist kein solcher Impfstoff gegen SARS-CoV-2 verfügbar.
Experten in den USA sprechen sich zunehmend gegen weiteres Boostern aus. "Menschen, die geimpft sind, sind, wenn sie ins Krankenhaus müssen, meist gut behandelbar", sagt etwa Michel Nussenzweig, Immunologe an der Rockefeller University in New York. Omikron habe deutlich gemacht, dass ein Verhindern aller Infektionen nicht möglich sei. Vielmehr gehe es darum, die Menschen vom Krankenhaus fernzuhalten. Auch Anthony Fauci, führender Pandemieberater der USA, änderte seine Ansicht, dass Infektionen verhindert werden müssen dahingehend, dass es vor allem darauf ankomme, Krankenhausaufenthalte zu reduzieren. Drei Impfungen würden dies gut erfüllen.
Erfahrungen mit der Grippeimpfung zeigen, dass ein einmaliges Impfen pro Saison besser ist als ein zweimaliges. Nach zwei Impfungen kommt es zu einer abnehmenden Wirkung. Dies entspricht den Beobachtungen aus Israel zur vierten Covid-Impfung im Vergleich zur dritten.
Neben der Impfung sollten zudem auch weitere Maßnahmen ergriffen werden, um das Virus besser in den Griff zu bekommen. Der kürzlich als Wissenschafter des Jahres ausgezeichnete Komplexitätsforscher Peter Klimek spricht sich etwa dafür aus, Gebäude mit besseren Lüftungen zu versehen und ähnliche Vorkehrungen zu treffen.
"Wir müssen begreifen, dass es in der Kontrolle der Pandemie auf permanente, langfristige Lösungen ankommt, die bei hohen Infektionszahlen funktionieren. Ich denke da in erster Linie an bauliche Maßnahmen in öffentlichen Gebäuden für eine bessere Lüftung", sagte Klimek im Gespräch mit dem KURIER. Testinfrastruktur und Masketragen könnten bei Bedarf in Hochinzidenzphasen eingeführt werden.
Braucht es eine Auffrischung mit einem Omikron-Impfstoff?
Alle Impfstoffhersteller prüfen derzeit, ob sie ihre Impfstoffe an Omikron anpassen. Pfizer verkündete bereits, dass ab März ein Omikron-Impfstoff zur Verfügung stehen wird. Fraglich ist, ob er dann noch benötigt wird, auch wenn er gegen andere Varianten wirken soll.
Dieser Vorgang, Impfstoffe an neue Varianten anzupassen, ist laut Schätzungen innerhalb von drei Monaten ab Auftauchen der Variante möglich und vergleichbar mit der jährlichen Anpassung des Grippeimpfstoffs. "Dazu wird die mRNA-Sequenz ausgetauscht, sodass sie passgenau zur Omikron-Variante passt. Ein fehlender Booster kann aber schon jetzt zu Erkrankungen führen, deshalb sollte keinesfalls gewartet werden", sagt Impfstoffexpertin Christina Nicolodi.
Auch Herwig Kollaritsch, Mitglied des Nationalen Impfgremiums (NIG), betont, das man nicht auf neue Impfstoffe warten soll. "Was man sich überlegen wird müssen, ist die Frage, ob man Auffrischungen mit Variantenimpfstoffen macht. Das ist mit den jetzigen Technologien nicht mehr so ein Wunderwerk und sie werden in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen. Darauf zu warten, hat aber keinen Sinn."
Für den vierten Stich könnte es sich allerdings im Unterschied zum dritten auszahlen zu warten, wie Ali Ellebedy, Immunologe der Washington University in St. Louis gegenüber der New York Times betont: "Es macht keinen Sinn, das Immunsystem gegenüber einem bereits verschwundenen Virenstamm zu trainieren. Wenn Sie nach drei Dosen eine weitere hinzufügen möchten, würde ich definitiv auf eine Omikron-basierende warten."
Dazu gibt es allerdings noch keine Empfehlungen, da Studien fehlen. Omikron-Impfstoffe sind schlicht noch nicht verfügbar, auch wenn sie laut Pfizer bereits produziert werden.
Warum ist es so wichtig, sich jetzt drittimpfen zu lassen?
"Die Daten zeigen, dass Personen mit drei Impfungen sehr gut aufgestellt sind. Diesen Vorteil sollten wir optimal nutzen, jeder sollte sich so schnell wie möglich die Drittimpfung holen", sagt Herwig Kollaritsch. Eine aktuelle britische Studie belegt etwa, dass Über-65-Jährige mit Booster sehr gut vor einem schweren Omikron-Verlauf geschützt sind. Drei Monate nach der Drittimpfung lag der Schutz vor einem Krankenhausaufenthalt bei rund 90 Prozent, wie die britische Gesundheitsbehörde UKHSA mitteilte.
Zum Vergleich: Nach nur zwei Impfdosen liege der Schutz vor schweren Verläufen durch Omikron drei Monate nach der Impfung bei rund 70 Prozent, nach sechs Monaten noch bei 50 Prozent. Kollaritsch: "Die Länder, die hohe Durchimpfungsraten haben, haben durch Omikron viele Fälle, aber relativ wenig Patienten auf der Intensivstation. Das ist der entscheidende Punkt." Die geringeren schweren Fälle entlasten das Gesundheitssystem.
In Österreich haben derzeit 43 Prozent der Bevölkerung den dritten Stich erhalten.
Ist es sinnvoll, sich jetzt zu Beginn der Omikron-Welle erstimpfen zu lassen?
Ja, meint Kollaritsch. "Zwar ist es nicht so, dass jemand, der jetzt zum ersten Mal geimpft wird, vor der Omikron-Welle geschützt sein wird, aber die Pandemie geht auch danach weiter. Wir wissen, dass das Virus eine ausgeprägte Saisonalität hat – früher oder später wird es notwendig sein, sich für den Herbst vorzubereiten", so Kollaritsch. Je mehr Menschen geimpft sind, desto geringer ist auch das Risiko, das neue Mutationen entstehen können.
Wann ist man geschützt?
Für einen vollen, länger anhaltenden Schutz sind zwei Teilimpfungen sowie eine Auffrischungsimpfung notwendig (bei Johnson & Johnson eine Impfung plus eine Auffrischung), wobei der Abstand zwischen erster und zweiter Teilimpfung drei bis sechs Wochen beträgt. Doch schon nach der ersten Teilimpfung werden Antikörper gebildet – etwa drei Wochen danach beginnt die Schutzwirkung. Nach der zweiten Teilimpfung dauert es rund sieben Tage, bis sie wirkt und der Körper ausreichend Schutz aufgebaut hat.
Was sollten Genesene beachten?
Wer bereits positiv getestet wurde ohne vorherige Impfung, sollte sich ca. nach vier Wochen die erste Impfung geben lassen. Das NIG empfiehlt dann die zweite Impfung sechs Monate nach der ersten Impfung. Seit Ende November neu ist, dass auch eine dritte Impfung nach Genesung empfohlen wird und zwar sechs bis neun Monate nach der zweiten.
Wer sich zwischen der ersten und zweiten Impfung infiziert, dem empfiehlt das NIG, die zweite Impfung vier Wochen nach der Genesung vorzunehmen, die dritte Dosis dann wieder sechs bis neun Monate später.
Wer nach doppelter Impfung einen Impfdurchbruch durchmacht, sollte sich nach der Genesung innerhalb von sechs bis neun Monaten den Booster abholen. "Hier gibt es ganz klare Anwendungsempfehlungen. Je länger die Infektion zurückliegt, desto weniger ist sie immunologisch 'wert'. Jene, die eine Erkrankung durchgemacht haben, gliedern sich vier Wochen nach der Genesung ganz normal in den Impfzyklus ein", so Kollaritsch.
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