Detaillierte Erkenntnisse: So lange bleibt das Coronavirus an der Luft ansteckend
"Ich halte FFP2-Masken weiterhin für eine wichtige Schutzmaßnahme, weil man den direkten Kontakt mit dem Virus vermeiden oder zumindest die Infektionsdosis heruntersetzen und damit eine Ansteckung verhindern kann“, betonte Hygienikerin Miranda Suchomel von der MedUni Wien kürzlich im KURIER-Interview.
Eine neue Untersuchung aus Großbritannien untermauert Suchomels Expertise mit spannenden Erkenntnissen.
Demnach verliert SARS-CoV-2 an der Luft innerhalb von 20 Minuten rund 90 Prozent seiner Infektiosität. Wobei der größte Anteil des Verlustes innerhalb der ersten fünf Minuten auftritt. Das zeigen die laut den beteiligten Forschenden der weltweit ersten Simulationen darüber, wie das Virus in der ausgeatmeten Luft überlebt.
Neue Test-Geräte
Bisher beruhte der überwiegende Großteil der Annahmen darüber, wie lange SARS-CoV-2 in Form von winzigen Tröpfchen in der Luft überlebt, auf Studien, bei denen das Virus in versiegelte Behälter, sogenannte Goldberg-Trommeln, gesprüht wurde. Diese drehen sich, um die Tröpfchen in der Luft zu halten.
Mit dieser Methode fanden beispielsweise US-Forscher heraus, dass infektiöse Viren noch nach drei Stunden nachgewiesen werden konnten. Solche Experimente reflektieren jedoch nicht, was beim Husten oder Atmen unter realen Bedingungen passiert.
Die Forschenden der Universität Bristol entwickelten einen Apparat, mit dem sie eine beliebige Anzahl winziger virushaltiger Partikel erzeugen und sie zwischen zwei elektrischen Ringen fünf Sekunden bis 20 Minuten lang schweben lassen können, während sie gleichzeitig die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit und die UV-Lichtintensität der Umgebung genau kontrollieren.
"Das ist das erste Mal, dass jemand in der Lage war, tatsächlich zu simulieren, was mit dem Aerosol während des Ausatmungsprozesses passiert", wird Jonathan Reid, Leiter des Aerosol-Forschungszentrums an der University of Bristol und Hauptautor der Studie, im Guardian zitiert.
Feuchtigkeit als wichtiger Parameter
Die noch nicht von externen Fachkolleginnen und Fachkollegen begutachtete Studie legt nahe, dass die Viruspartikel beim Verlassen der relativ feuchten und kohlendioxidreichen Umgebung der Lunge rasch an Wasser verlieren und austrocknen. Allerdings hängt die Geschwindigkeit, mit der die Partikel austrocknen, von der Luftfeuchtigkeit der Umgebung ab.
Der Übergang zu einer Umgebung mit niedrigeren Kohlendioxidwerten gehe außerdem mit einem raschen Anstieg des pH-Werts einher. Beide Faktoren beeinträchtigen die Fähigkeit des Virus, menschliche Zellen zu infizieren.
Bei einer Luftfeuchtigkeit von weniger als 50 Prozent – solche Bedingungen herrschen etwa in Büros vor – verlor das Virus innerhalb von fünf Sekunden etwa die Hälfte seiner Infektiosität. Danach war der Rückgang langsamer und gleichmäßiger und betrug in den darauffolgenden fünf Minuten weitere 19 Prozent.
Bei einer Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent – was etwa einem Dampfbad oder einer Dusche entspricht – war der Rückgang der Infektiosität langsamer: 52 Prozent der Partikel waren nach fünf Minuten noch infektiös, nach 20 Minuten waren es nur noch etwa zehn Prozent. Und danach gab es keinen Unterschied mehr zwischen den beiden Bedingungen.
Keine Daten zu Omikron
Die Temperatur der Luft hatte keinen Einfluss auf die Infektiosität, was der weitverbreiteten Annahme widerspricht, dass die Übertragung bei hohen Temperaturen geringer ist.
Die Effekte wurden bei verschiedenen SARS-CoV-2-Varianten beobachtet, darunter Alpha. Das Team hofft, in den kommenden Wochen mit Experimenten mit der Omikron-Variante beginnen zu können.
Rückschlüsse ziehen
Abstandsregeln sowie das Tragen von Masken seien daher die wirksamsten Mittel zur Verhinderung einer Infektion, befinden die Autorinnen und Autoren. Belüftungsmaßnahmen seien ebenfalls sinnvoll, hätten aber wahrscheinlich eine geringere Wirkung.
"Die Menschen haben sich auf schlecht belüftete Räume konzentriert und über die Übertragung durch die Luft über mehrere Meter oder quer durch einen Raum nachgedacht. Ich behaupte nicht, dass das nicht passiert, aber ich denke, dass das größte Risiko einer Ansteckung immer noch darin besteht, dass man jemandem nahe ist", so Reid.
"Wenn man sich weiter entfernt, wird nicht nur das Aerosol verdünnt, sondern es gibt auch weniger infektiöse Viren, weil das Virus im Laufe der Zeit an Infektiosität verliert."
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