Debatte, ob der Antigentest bei Omikron noch funktioniert
Die Anfangs-Freude war groß, als die ersten deutschen, infizierten Reiserückkehrer aus Südafrika auch mit Antigentests - und nicht nur mit dem Goldstandard PCR - positiv auf die neue Virusvariante Omikron getestet wurden. Die deutsche Virologin Sandra Ciesek postete damals einige Herstellernamen und sorgte damit für Erleichterung.
Zahlreiche Berichte aus anderen Ländern wie aus Großbritannien (UK Health Security Agency) dokumentierten, dass die meisten Antigentests auf Omikron anschlagen, da sie auf ein spezielles Protein testen, das bei Omikron nur wenige Mutationen aufweist. Zudem wiesen bereits frühere Varianten zwei von diesen vier Mutationen auf und auch hier konnten Antigentests Infizierte erkennen.
Doch seit rund zwei Wochen gibt es anekdotische Berichte in sozialen Netzwerken, in denen Infizierte erzählen, dass der Antigentest bei ihnen erst bei einem Abstrich des Rachens und nicht im vorderen Nasenbereich angeschlagen hatten.
Die Social Media-Berichte sorgten vor allem in den USA für großes Interesse, da Antigentests dort erst seit Kurzem von der Bevölkerung als Kontrollmaßnahme eingesetzt werden können und diese für einen Abstrich in der Nase freigegeben wurden.
Aus diesem Grund warnte die FDA auch am Wochenende, dass der Teststab nur so verwendet werden dürfe wie vom Hersteller angegeben.
Was weiß man konkret über die Aussagekraft von Antigentests bei Omikron?
Eine aktuelle Vorab-Studie aus den USA und ein Preprint aus Südafrika gehen der Frage mit jeweils sehr kleinen Fallzahlen nach. Die US-Studie, die von der Fachwelt noch nicht begutachtet wurde, untersuchte Büro-Ausbrüche in großen Städten wie New York und Los Angeles (hier können Sie die Studie auf Englisch nachlesen).
Bei den 30 geimpften Infizierten schlug der Antigentest zwei bis drei Tage nach dem ersten positiven PCR-Test (Speichel) an, obwohl die Viruslast der Infizierten mit einem CT-Wert von unter 29 wahrscheinlich schon ansteckend war. Bei höherer Viruslast in der Nase schlugen alle Antigentests an.
Allerdings: Bei einigen Infizierten wurde am Tag 1 der Symptome zudem ein PCR-Abstrich im vorderen Nasenbereich gezogen. Auch hier lässt sich sagen, dass bei der PCR der Zeitpunkt mit der höchsten Omikron-Viruslast im Speichel bereits ein bis zwei Tage früher war als im vorderen Nasenbereich.
Die Vorab-Studie aus Südafrika stammt aus jenen sechs Wochen, als Omikron entdeckt und dominant wurde (hier können Sie die Studie auf Englisch nachlesen): Hier wurde ein Vergleich zwischen Omikron- und Delta-Fällen vorgenommen. Bei fünf von 31 positiven Omikron-Fällen zeigte sich, dass nur die Speichel-PCR und nicht die Nasenprobe anschlug.
Laut beiden Studien besteht also die Möglichkeit, dass die Viruslast bei Omikron im Speichel und im Rachen eher vor Symptombeginn nachweisbar ist als in der Nase, zudem könnte es sein, dass Omikron im vorderen Nasenbereich etwas zeitverzögert erst am Tag oder einige Tage nach Symptombeginn nachweisbar ist.
Was heißt das für Antigentests in Österreich?
In Ländern wie den USA und Großbritannien, wo es fast keine Eindämmungsmaßnahmen der Pandemie gibt und die Regierungen ein Durchseuchen/Durchlaufen der Gesellschaft in Kauf nehmen, ist diese Erkenntnis, sofern sie in großen Studien bestätigt werden, von größerer Relevanz als in Ländern wie Österreich oder Deutschland.
Christian Drosten vergangene Woche über die Rolle von Antigentests in der Pandemie vergangene Woche im NDR-Podcast: "Wir haben Antigenschnelltests und wir wissen eigentlich, die Antigentests, die helfen gegen dieses Omikron-Virus gut, so gut wie gegen die anderen Viren auch. Und es gibt zwar hier und da in Social Media mal eine Meldung, dass es schlechter wirken könnte, aber da muss man natürlich immer auch sagen: Seitdem wir impfen, sind diese Antigentests geringfügig ein bisschen schlechter sensitiv. Das sind alles vernachlässigbare Effekte. Aber insgesamt haben wir doch verglichen mit dem Frühjahr 2020 ein ganz anderes Werkzeug in der Hand durch die Testung. Wir können eben regelmäßig testen. Wir können auch Schülerinnen und Schüler vor Schulbeginn mehrmals pro Woche testen. Alleine das erlaubt es ja auch, solchen Betrieb aufrechtzuerhalten."
In Staaten mit FFP2-Tragepflicht, 2G im Handel und der Gastronomie sowie 3G am Arbeitsplatz wie in Österreich, hängt die Antwort von der Aussagekraft von Antigentests davon ab, für wen und wann der Test eingesetzt wird. In Wien, wo es flächendeckend das PCR-Testprogramm "Alles gurgelt" gibt, hätte die Erkenntnis weniger Auswirkung: Wenn Geimpfte Symptome verspüren, dann würden sie zwar zu einem Antigentest in der Früh greifen, aber danach gurgeln. Am Abend hätten sie das PCR-Ergebnis, das bei "Alles gurgelt" auf Speichel beruht.
Geimpfte, die sich gesund fühlen und keine Symptome zeigen, dürften sich auf sogenannte Wohnzimmertests (Abstrich im vorderen Nasenbereich) bei Omikron nicht verlassen, wenn sie zum Beispiel vulnerable Familienmitglieder besuchen wollen. Allerdings würde ein Wohnzimmertest bei Wiederholungen an mehreren Tagen hintereinander bei hoher Viruslast in der Nase anschlagen.
Ungeimpfte Erwachsene müssen sich in Österreich für den Arbeitsplatz offiziell in Apotheken oder Teststraßen testen lassen: Hier wird bei Antigentests ein Rachenabstrich oder ein Nasenrachenabstrich genommen. Zwar liegen noch keine Erkenntnisse für den Nasenrachenbereich vor, allerdings kann man vorsichtig davon ausgehen, dass Omikron-Viren sich hier wie im Rachen ebenso früher festsetzen würden.
Vor allem für ungeimpfte Kinder bräuchte es eine Test-Strategie, die entweder PCR-Testungen an mehreren Tagen die Woche vorsieht oder eine Kombination mit Antigentests. So gab das Burgenland als bisher einziges Bundesland gab am Wochenende eine Test-Strategie für Kindertagesstätten bekannt.
Gesundheitsminister Lauterbach gibt Studie in Auftrag
Was lässt sich generell zur Viruslast von Omikron sagen? Drosten im NDR-Podcast: "Man hat dezente Hinweise darauf, dass Leute mit Omikron-Infektionen noch für längere Zeit infektiös sind. Beispielsweise übrigens auch wieder aus dieser dänischen Haushaltsstudie. Was man hier beispielsweise sieht, ist, wenn man am ersten Tag nach der Infektion guckt, dann sind bei beiden Viren so drei bis vier Prozent der Kontaktfälle schon positiv. Das heißt, diese Frühphase der Infektion scheint bei Omikron und Delta gleich zu sein in der Virus-Ausscheidung. Aber am siebten Tag sind bei Omikron schon 31 Prozent positiv. Das ist ja die volle Secondary Attack Rate und bei Delta eben nur 21 Prozent. Das heißt, nach hinten hin wächst das bei Omikron stärker zu."
Eine aktuelle Vorabstudie aus Japan zeigt (hier zur Studie auf Englisch): Den Gipfel der Viruslast erreicht Omikron drei bis sechs Tage nach Symptombeginn. Das wäre ein deutlicher Unterschied zu Delta.
Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach will sich nicht auf die bisherigen Erfahrungsberichte verlassen und hat eine große Studie beim Paul-Ehrlich-Institut in Auftrag gegeben, dies brauche allerdings Zeit.
Damit solle eine bessere Orientierung bei der Testauswahl ermöglicht werden. Die Erkenntnisse zu Tests, die in den vergangenen Monaten ausgewertet wurden, könne man nicht direkt auf Omikron übertragen. Sinnvoll sei es, aktuell Schnelltests gegebenenfalls mehrfach durchzuführen, riet der SPD-Politiker.
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