Totimpfstoff von Valneva: Welche Wirkung ist gegen Omikron zu erwarten?
Es war eine schlechte Nachricht im Bereich der Totimpfstoffe gegen das neue Coronavirus: In Blutproben von 25 Personen, die zwei Mal mit dem chinesischen Totimpfstoff CoronaVac geimpft wurden, fanden sich keine neutralisierenden, also die Virusvermehrung hemmenden Antikörper gegen Omikron - der KURIER berichtete. Die in China eingesetzten Totimpfstoffe scheinen kaum gegen die infektiöse Omikron-Variante zu wirken. Aber was bedeutet das für den Totimpfstoff der französisch-österreichischen Firma Valneva, der kommendes Jahr in der EU zugelassen werden soll? Muss man auch bei diesem jetzt von einer schlechteren Wirksamkeit gegen Omikron ausgehen?
"Man kann die chinesischen Totimpfstoffe nicht mit jenem von Valneva ein zu eins vergleichen", betont der Impfstoffexperte Herwig Kollaritsch. Zwar handelt es sich um dasselbe Impfstoffprinzip: Nämlich abgetötete, inaktivierte ganze Coronaviren - weshalb oft auch von "Ganzvirus-Impfstoffen" die Rede ist. Trotzdem gibt es einen großen Unterschied: Und der liegt bei den Wirkverstärkern.
Die chinesischen Totimpfstoffe verwenden als Wirkverstärker (Adjuvans) nur Aluminiumhydroxid.
Valneva hingegen setzt auf eine Kombination aus dem vielfach verwendeten Aluminiumhydroxid und CpG 1018, das bereits als Wirkverstärker in einem in Europa zugelassenen Hepatitis-B-Impfstoff enthalten ist. Dabei handelt es sich um eine synthetische Form von DNA, die das genetische Material von Bakterien oder Viren nachahmt: „Das Immunsystem erkennt das als fremd, die angeborene Immunantwort wird viel besser stimuliert“, erklärt Kollaritsch. "Eine solche Stimulation des angeborenen Immunsystems ist ja offenbar auch der Schlüssel für die bessere Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe."
Vergleich mit Astra Zeneca
Die bisherigen Daten zu Valneva sind unterschiedlich. Erste Ergebnisse der im April 2021 in Großbritannien gestarteten Phase-III-Studie mit 4.000 Erwachsenen und 600 Jugendlichen (diese Daten entscheiden über die Zulassung) zeigten: Der Impfstoffkandidat von Valneva hat im Schnitt zur Bildung von mehr neutralisierenden Antikörpern gegen das SARS-CoV-2-Virus geführt als der Vergleichsimpfstoff von Astra Zeneca. Auch T-Zellen gegen das Spike-Protein und zwei weitere Proteine bildeten sich. Und der Impfstoff sei "gut verträglich" gewesen. Im April 2021 begann sich die Delta-Variante bereits durchzusetzen, Daten mit dieser Variante sind also in die Studie eingeflossen.
Daten, wie viele Erkrankungen durch die Impfungen tatsächllich verhindert werden, gibt es aber noch keine. Denn Valneva darf keine Studie mehr mit einer Vergleichsgruppe durchführen, die ein wirkungsloses Scheinpräparat erhält (so wie das bei den ersten Impfstoffen der Fall war): "Da es ja schon zugelassene, wirksame Impfstoffe gibt, ist der Einsatz eines Placebos für die Kontrollgruppe unethisch und nicht erlaubt. Vergleiche können nur mehr mit bereits zugelassenen Impfstoffen durchgeführt werden."
Vergleichende Booster-Studie
In einer Anfang Dezember veröffentlichten Studie schnitten mRNA-Impfstoffe als Booster (dritte Impfung) bei der Immunantwort deutlich besser ab als Valneva. "Bei Booster-Impfungen sah man, dass mRNA-Impfstoffe den Antikörperschutz zwanzig- bis dreißigfach verbesserten, Valneva aber nur zweifach", sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, der Augsburger Allgemeinen.
"Der Vorteil von Ganzvirus-Totimpfstoffen ist, dass dem Immunsystem mehr Angriffsziele als nur das Spike-Protein angeboten werden. Daher hofft Valneva, dass sein Impfstoff auch vor der neuen Omikron-Variante ausreichend schützt, und will entsprechende Tests durchführen", schrieb Anfang Dezember die deutsche Pharmazeutische Zeitung. Das Immunsystem muss sich also mit allen Teilen des Erregers auseinandersetzen.
Watzl antwortete dazu auf Twitter: "Diesen Optimismus teile ich leider nicht. Impfstoffe mit abgetöteten Viren machen weniger Antikörper und bieten weniger Schutz vor Infektion mit Delta. Daher wäre es sehr überraschend, wenn sie gegen Omikron besser schützen würden. Aber es gibt noch keine Daten."
"Nach den bisherigen Daten ist es beim Coronavirus offenbar nicht so entscheidend, dass dem Immunsystem das ganze Virus präsentiert wird", sagt auch Kollaritsch. "Bei der FSME oder der Hepatitis A haben wir wirklich hervorragend wirksame Totimpfstoffe, beim Coronavirus scheint es so zu sein, dass die Verwendung ganzer Viren nicht so eine wesentliche Rolle spielt." Überdies handle es sich dabei um die Wuhan-Variante, also um den Wildtyp, der auch die Grundlage für die Entwicklung aller anderen bisherigen Impfstoffe bildete. "Wie die Wirksamkeit bei Omikron aussieht, darauf müssen wir noch warten."
Laut einer Presseaussendung vom 16. Dezember kann eine dritte Impfung mit Valneva die Antikörpertiter um das 42- bis 106-Fache erhöhen. "Einen starken Anstieg der Antikörpertiter nach einer Booster-Dosis sehen wir auch bei anderen Impfstoffen, das sagt noch nichts über die Wirksamkeit gegen Omikron aus", erklärt Kollaritsch. "Von der Technologie her kann ich mir aber durchaus vorstellen, dass das ein Impfstoff wird, der unser Repertoire an Impfstoffen gut ergänzen wird."
Warten sollte man auf dieses Präparat aber nicht: "Valneva kann durchaus eine Bedeutung als Booster-Impfstoff bekommen - jeder Booster ist besser als keiner. Aber jedem, der jetzt auch nur einen Tag mit der Auffrischungsimpfung zuwartet, dem muss ich leider Realitätsverweigerung vorwerfen: Wir sind am Beginn der fünften Welle. Wer heute boostert, hat in ungefähr zehn Tagen seine Immunität aufgebaut - da reiten wir dann bereits auf der Welle. Und bis der Impfstoff zugelassen ist, ist diese Welle auch schon wieder vorbei."
Bei dem Impfstoffkandidaten von Valneva handelt es sich um den ersten in der EU entwickelten Ganzvirus-Impfstoff gegen Covid-19 und um den zweiten, der in Europa die Zulassung anstrebt - CoronaVac der chinesischen Firma Sinovac ist seit Mai bei der Europäischen Arzneimittelagentur in einem beschleunigten Zulassungsverfahren ("Rolling-Review"), Valneva seit dem 2. Dezember.
Das Virus für den Impfstoff wird in sogenannten Vero-Zellen vermehrt. Dabei handelt es sich um eine Zelllinie, die sich von Nierenzellen der Afrikanischen Grünen Meerkatze ableitet. Nach der Anzucht der Viren werden die Viren inaktiviert, sie sind also nicht mehr infektiös.
Totimpfstoffe werden vielfach als Alternative für bisher noch nicht Geimpfte gesehen. Valneva-Chef Thomas Lingelbach bezeichnet seinen Impfstoffkandidaten als "alternative Impfstofflösung" für diese Gruppe: Täglich erhalte er Zuschriften von Leuten, die der neuen mRNA-Technologie misstrauen - und die auf sein Präparat warten, erklärte er in einem Spiegel-Interview. Gleichzeitig warnt aber auch er immer wieder davor, auf den Totimpfstoff zu warten: Er selbst habe sich erst kürzlich mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff boostern lassen.
Valneva hat mit der EU-Kommission einen Kaufvertrag über 60 Millionen Dosen seines inaktivierten Covid-19-Impfstoffes VLA2001 unterschrieben. Komme es bis dahin zu einer Zulassung durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA, könnte die Auslieferung lauf Valneva im April 2022 beginnen. Man rechne mit einer Lieferung von 24,3 Millionen an die EU im zweiten und dritten Quartal 2022.
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