Novavax-Start: Was Sie über den neuen Corona-Impfstoff wissen sollten
Es ist Impfstoff Nummer fünf gegen das neuen Coronavirus: Diese Woche starten die Covid-Schutzimpfungen mit dem Präparat Nuvaxovid der US-Firma Novavax. 1,1 Millionen Dosen sind bisher in Österreich eingetroffen - in einem Lager eines der Mitgliedsbetriebe des Verband der Arzneimittel-Vollgroßhändler (Phago). Derzeit ist die Auslieferung an die Bundesländer bereits voll im Gang. Insgesamt hat das Gesundheitsministerium für das erste Quartal dieses Jahres 3,1 Millionen Dosen bestellt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu diesem Impfstoff.
Mehrere zehntausend Menschen haben sich für den Proteinimpfstoff bereits vorgemerkt. In Tirol und Oberösterreich starteten die Impfungen bereits am Sonntag, in Wien, der Steiermark und Vorarlberg wird ab morgen, Dienstag, geimpft. Niederösterreich startet am Mittwoch, Salzburg am Samstag.
Was für eine Kategorie an Impfstoff ist Novavax genau?
Ein rekombinanter (mithilfe gentechnischer Veränderungen hergestellter, Anm.) Proteinimpfstoff. Nuvaxovid besteht aus virusähnlichen Partikeln, die das Spike-Protein (Oberflächenprotein) des Coronavirus enthalten. Ungefährliche Viren (Baculoviren) werden gentechnisch so verändert, dass sie die Erbsubstanz für das Spikeprotein enthalten. Insektenzellen (Nachtfalterzellen) werden mit diesen Viren infiziert und produzieren dann das Spike-Protein. Dieses wird aus den Zellen entnommen, aufgereinigt und übrig bleiben Nanopartikel aus reinem Spike-Protein. Diese Art von Impfungen ist bereits von den Impfungen gegen Keuchhusten oder Hepatitis B bekannt.
Bei den mRNA-Impfstoffen und den Vektorimpfstoffen findet die Produktion des Spike-Proteins hingegen in Zellen des menschlichen Körpers stattt. Der Impfstoff liefert hier nur den genetischen Bauplan für das Protein. Dazu der klinische Pharmakologe Markus Zeitlinger von der MedUni Wien: "Bei den bisherigen Impfstoffen müssen also menschliche Zellen selbst das Spike-Protein herstellen, bei einem rekombinanten Protein-Impfstoff machen das Insektenzellen in Zellkulturen in vitro (also in biotechnologischen Produktionsanlagen außerhalb des Körpes, Anm.)."
Hat das Vorteile?
"Von der Sicherheit und Wirksamkeit ist Nuvaxovid mit den anderen Impfstoffen absolut vergleichbar", sagt Zeitlinger. Der einzige "Vorteil unter Anführungszeichen" sei, dass jeder Mensch die gleiche Dosis an Spike-Protein erhält (das das Immunsystem als fremd erkennt und gegen das es Antikörper herstellt). "Ich weiß ja, wie viel die Insektenzelle hergestellt hat." Bei den mRNA-Impfstoffen bekommt jeder Mensch die gleiche Menge an Erbinformation (mRNA), "aber natürlich kann jeder Mensch dann unterschiedlich viel Spike-Protein produzieren".
Wie wirksam ist die Impfung?
In einer Studie in den USA und in Mexiko mit insgesamt 30.000 Teilnehmern betrug die Wirksamkeit gegen symptomatische Infektionen 90,4 Prozent. Die Impfung verhindert somit ca. 90 Prozent der Covid-19-Erkrankungen, die innerhalb von drei Monaten ohne Impfung auftreten würden. In der Studie gab es unter 10.000 Teilnehmern, die den echten Impfstoff erhielten, 8 Covid-Erkrankungen, unter 10.000 Teilnehmern, die nur einen Schein-Impfstoff erhielten, waren es hingegen 77 Covid-Erkrankungen. Das ist vergleichbar mit der Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe.
Gilt diese Schutzwirkung auch für die Omikron-Variante?
"Der Schutz vor der Omikron- oder Delta-Variante des Coronavirus ist bisher nicht gut untersucht", heißt es auf der Plattform medizin-transparent. Denn während der Zulassungsstudie zirkulierten das ursprüngliche Virus und die Alpha-Variante. "Das trifft aber auf die Zulassungsstudien aller Impfstoffe zu", betont Zeitlinger. In Laboruntersuchungen sei die Wirksamkeit auch gegen Delta und Omikron grundsätzlich vergleichbar mit jener der anderen Impfstoffe gewesen.
Wie sieht es mit Nebenwirkungen aus?
"Die Impfreaktionen waren überwiegend leicht oder moderat, dauerten meist ein bis zwei Tage lang und waren nach der zweiten Impfung häufiger als nach der ersten Impfung", schreibt medizin-transparent.at. In der Impfgruppe waren vorübergehende Probleme wie Schwellungen der Lymphknoten, Hautausschlag oder Juckreiz etwas häufiger als mit Placebo, betrafen jedoch weniger als ein Prozent der Geimpften. Daten aus der täglichen Anwendung, wie sie von den anderen Impfstoffen bereits vorliegen, gibt es bei Novavax naturgemäß noch nicht.
Dieser Impfstoff enthält auch einen Wirkverstärker?
Im Gegensatz zu den mRNA-Impfstoffen (Biontech/Pfizer, Moderna) und den Vektorimpfstoffen (Astra Zeneca, Johnson & Johnson) benötigt Nuvaxovid auch einen Wirkverstärker (Adjuvans), einen Hilfsstoff, um eine verlässliche Immunantwort zu erzeugen. Der verwendete Wirkverstärker heißt „Matrix-M“. "Er enthält neben verschiedenen Fetten und Salzen Extrakte aus der Rinde des Seifenrindenbaums", heißt es auf der unabhängigen Plattform medizin-transparent.at. Matrix-M ist in dieser speziellen Zusammensetzung bislang noch in keinem anderen zugelassenen Impfstoff enthalten. Andere Extrakte aus dem Seifenrindenbaum sind jedoch Bestandteil eines Impfstoffs gegen Gürtelrose (Herpes zoster) oder als Zusatzstoff für Lebensmittel zugelassen.
Ist dieser Wirkverstärker bedenklich?
Nein, betont Zeitlinger. "Saponin-basierte Adjuvantien wurden in den vergangenen 40 Jahren in einer großen Zahl an Entwicklungsprogrammen für Impfstoffe eingesetzt", heißt es etwa im Prüfbericht der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA.
Aber ist das ein klassischer Totimpfstoff?
"Ein klassischer Totimpfstoff ist es nicht", sagt Zeitlinger. Der Begriff Totimpfstoff werde für Impfstoffe verwendet, für die lebende Viren abgetötet und inaktiviert werden. Nach dieser Definition ist nur der (noch nicht zugelassene) Impfstoff von Valneva ein Totimpfstoff. "Alle derzeit zugelassenen Corona-Impfstoffe sind weder Tot- noch Lebendimpfstoffe, sondern gehören streng genommen zu anderen Kategorien", sagt Zeitlinger.
Auch der österreichische Virologe Florian Krammer sieht das so und ist gegen die Verwendung des Begriffs Totimpfstoff. "Die reine Unterscheidung zwischen Tot- und Lebendimpfstoffen stammt aus einer Zeit, als es nur Tot- und Lebendimpfstoffe gab." Novavax sei eben ein rekombinanter (mithilfe gentechnischer Veränderungen hergestellter) Proteinimpfstoff.
Auf der Homepage der deutschen Initiative "Zusammen gegen Corona", die unter anderem vom deutschen Bundesgesundheitsministerium getragen wird, steht beim Kapitel über Novavax die Überschrift "Erster „Totimpfstoff“ gegen Covid-19", also mit An- und Ausführungszeichen. Der Impfstoff von Novavax "ist ein proteinbasierter Impfstoff, der einem klassischen Totimpfstoff sehr ähnelt – denn er enthält nicht vermehrungsfähige Erregerbestandteile (winzige im Labor hergestellte Spike-Proteine), die das Immunsystem zur Antikörperbildung anregen", heißt es auf der Homepage. Im Unterschied zu Totimpfstoffen im herkömmlichen Sinne enthalte der Impfstoff von Novavax keine "echten" abgeschwächten Virenpartikel, sondern künstlich im Labor hergestellte Virus-Proteine. "Er ist demnach im weiteren Sinne ein Totimpfstoff. Auch viele Grippeimpfstoffe funktionieren nach diesem Prinzip – hier rufen Eiweißpartikel von Influenzaviren die Immunreaktion hervor. Das Wirkprinzip proteinbasierter Impfstoffe ist also nicht neu und hat sich vor allem bei der Herstellung von Grippeimpfstoffen über viele Jahre hinweg bewährt."
Proteinbasierte Impfstoffe wie Nuvaxovid von Novavax enthalten keine Erreger oder Erreger-Bestandteile, die sich selbst vermehren oder eine Erkrankung auslösen können, wird auf der Homepage betont: "Auch mRNA- und Vektor-Impfstoffe enthalten keine vermehrungsfähigen Viren und können so gesehen mit Totimpfstoffen gleichgesetzt werden."
Wie werden die Impfungen verabreicht?
Zwei Dosen werden im Abstand von etwa drei Wochen gespritzt. Zugelassen ist Nuvaxovid vorerst nur für die Grundimmunisierung, weshalb etwa Vorarlberg bereits angekündigt hat, die dritte Impfung nur mit mRNA-Impfstoffen durchzuführen. Hingegen kann in Wien Nuvaxovid - off label (also außerhalb der derzeitigen Zulassung) in Anspruch genommen werden, das muss aber vor Ort in der Impfstelle abgeklärt werden. Der Impfstoff ist ab 18 Jahren zugelassen.
Ist Nuvaxovid zum Boostern geeeignet?
"Aus wissenschaftlicher Sicht spricht aber nichts dagegen, mit Nuvaxovid zu boostern", sagt Zeitlinger. Die Wirkung eines Nuvaxovid-Boostern sei annähernd vergleichbar mit einer dritten mRNA-Impfung.
Eine Auffrischung mit Novavax ist auch eine Möglichkeit für jene Menschen, die auf eine mRNA-Impfung heftig reagiert haben und daher keinen mRNA-Booster wollen.
Das Nationale Impfgremium hat bisher empfohlen, den Novavax-Impfstoff vorrangig bei Personen einzusetzen, die zum ersten Mal gegen das Coronavirus geimpft werden.
Sollte man jetzt Nuvaxovid einem mRNA-Impfstoff vorziehen?
"Er ist absolut mit den anderen Impfstoffen vergleichbar", sagt Zeitlinger. Wenn jetzt Nuvaxovid und ein mRNA-Impfstoff vor mir liegen würden hätte ich keinen Grund, eher zu dem einen oder anderen zu raten. Sie sind im Großen und Ganzen vergleichbar." Das neue Präparat dürfte aber zumindest für einen Teil der Menschen, die einen mRNA-Impfstoff ablehnen, eine Alternative werden.
Viele Experten hoffen, dass mit Novavax eine neue Möglichkeit besteht, diejenigen von einer Impfung zu überzeugen, die sich bisher gegen die Vektor- und mRNA-Impfstoffe ausgesprochen haben. Laut der jüngsten Befragung des Austrian Corona Panel Projects ist knapp ein Prozent der Bevölkerung noch "impfbereit", etwas mehr als vier Prozent sind "zögerlich".
In Wien rechnet man mit einer Steigerung der Impfquote durch diesen Impfstoff um 0,4 bis 1 Prozent, twitterte der Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, Mario Dujakovic, am Montag.
Gibt es noch einen Unterschied zu den mRNA-Impfstoffen?
Der Novavax-Impfstoff wird bei 2°C bis 8°C gelagert, der Biontech/Pfizer-Impfstoff kann nach dem Auftauen nur für ein Monat bei 2°C bis 8°C gelagert werden.
Kommentare