Mischen von Impfstoffen: Was bringt es tatsächlich - und kommt es?
Zuerst Astra Zeneca, dann Biontech/Pfizer: Die Diskussion um das Mischen von Impfstoffen - auch heterologes Impfschema genannt - nimmt wieder Fahrt auf. Am Donnerstag hat die Ständige Impfkommission (STIKO) in Deutschland empfohlen, dass Menschen jeglichen Alters, die ihre erste Impfdosis mit Astra Zeneca erhalten haben, mit mindestens vierwöchigem Abstand künftig als zweite Spritze einen mRNA-Impfstoff wie den von Biontech oder Moderna erhalten sollen. Die Begründung: Die Immunantwort sei "deutlich überlegen".
In Österreich stehen rund 300.000 Menschen vor ihrer Zweitimpfung mit Astra Zeneca. Derzeit gibt es keine allgemeine Empfehlung für eine Impfstoffkombination, also bei einer Erstimpfung mit Astra Zeneca die Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff. Auch in den jüngsten Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums in Österreich vom 24. Juni wird ein solches heterologes Impfschema mit zwei unterschiedlichen Impfstoffen "derzeit nicht empfohlen". Begründet wird dies damit, dass die Datenlage zur Überlegenheit eines solchen Impfschemas "derzeit limitiert" sei und es sich um off-Label-Anwendung (abseits der offiziellen Zulassung) handle. Doch möglicherweise kommt jetzt Bewegung in die Diskussion.
Eine Ausnahme bilden schon derzeit Menschen, die auf die erste Impfung mit einem größeren gesundheitlichen Problem reagiert haben. Oder Frauen, die nach der ersten Impfung mit Astra Zeneca schwanger geworden sind – Schwangere sollen (nach individueller Nutzen-Risiko-Abschätzung) bevorzugt mit mRNA-Impfstoffen geimpft werden. In solchen medizinisch begründeten Fällen soll ein heterologes Impfschema in Erwägung gezogen werden.
In der ZIB2 am Freitag abend sagte Gesundheitsministerium Wolfgang Mückstein, dass auch die Europäische Arzneimittelagentur EMA das heterologe Impfen noch nicht empfehle. Es gebe konkrete Hinweise, dass das heterologe Impfen "vielleicht sogar bessere Ergebnisse liefert als zwei Mal Astra Zeneca", aber er glaube, das Wesentliche an der Sache sei, "dass man zwei Mal impft". Er würde nicht auf das heterologe Impfen warten, wichtig seien zwei Teilimpfungen, das schütze verlässlich gegen die Delta-Variante.
Hingegen sagte der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker im Ö1-Mittagsjournal am Samstag, dass er in dieser Fachfrage - angesichts der Entscheidung in Deutschland - eine rasche Entscheidung des Nationalen Impfgremiums erwarte.
"Der Laie würde ja meinen, dass die Impf-Expert·innen in Ö. und D. über den gleichen Studienergebnissen sitzen und daraus ähnliche Schlüsse ziehen würden - aber nein", schrieb ZIB2-Anchorman Armin Wolf kürzlich auf Twitter.
Angefeuert wurde die Debatte zuletzt durch als Preprint (noch nicht extern begutachtete) im Fachmagazin The Lancet veröffentlichte Studienergebnisse mit Daten von 463 Teilnehmern: Bei der Kombination von zuerst Astra Zeneca und danach Biontech/Pfizer war die mittlere Antikörperkonzentration um das 9,2-Fache höher als bei der zweifachen Impfung mit Astra Zenca. Auch in einer Untersuchung zur Wirksamkeit der Abwehrzellen (T-Zellen) war das Ergebnis für die zweifache Impfung mit Astra Zeneca am schlechtesten im Vergleich zu zwei Mal Biontech / Pfizer oder den Kombinationen Astra Zeneca / Pfizer bzw. auch Pfizer / Astra Zeneca. Die höchste Antikörperkonzentration wurde nach der zweifachen Biontech/Pfizer-Impfung gemessen, die stärkste T-Zell-Antwort bei der Kombination von Astra Zeneca (zuerst) mit Biontech/Pfizer (Zweitimpfung).
Der Grund für die höhere Wirksamkeit einer Impfstoffkombination als nur die doppelte Impfung mit Astra Zeneca: Der Vektorimpfstoff von Astra Zeneca löst eine stärkere Bildung von T-Zellen aus, der mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer eine stärkere Bildung von Antikörpern. Eine Kombination führe daher zu einer "besonders starken Immunantwort", wird die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Christine Falk, in der Süddeutschen Zeitung zitiert.Die T-Zell-Hilfe (Astra Zeneca) müsse aber zuerst kommen, sagt Falk - die Reihenfolge sei nicht gleichgültig.
Die Studienautoren verweisen aber darauf, dass auch die doppelte Impfung mit Astra Zeneca das Risiko einer symptomatischen Erkrankung um 76 Prozent, jenes einer schweren Erkrankung sogar um 100 Prozent reduziere. Österreichische Experten haben in der Vergangenheit auch erklärt, dass es sich bei solchen Studiendaten um im Labor erhobene Werte handle, wie aussagekräftig sie dann in der Realität tatsächlich sind - also den Schutz vor Erkrankung weiter erhöhen -, sei noch unklar.
Was der Studienautor selbst sagt
Der Hauptautor der Studie, Mattew Snape von der Universität Oxford, tritt trotz dieser Studienergebnisse dafür ein, in erster Linie die zugelassenen Impfschemen einzuhalten, wie er in einem Interview für das BBC-Gesundheitsmagazin Health Check sagte: "In erster Linie ist es besser, sich an jene Schemen zu halten, von denen wir eine belegte Wirksamkeit haben. Wir wissen, dass zwei Dosen von Astra Zeneca Krankheiten verhindern, wir wissen, dass zwei Dosen von Pfizer Krankheiten verhindern. Beide funktionieren sehr gut. Und wir haben eine sehr große Datenbasis zur Sicherheit beider Impfstoffe im Standard-Schema." Aber bei besonderen Umständen, etwa bei Problemen in der Impfstoffversorgung oder einer Änderung des Einsatzes eines Impfstoffes in bestimmten Altersgruppen, habe man jetzt diese Optionen.
"Wir sehen, dass alle Kombinationen die Schwelle der Wirksamkeit des Impfstoffes von Astra Zeneca erreicht haben, von dem wir wissen, das sehr effektiv ist", sagte Snape. Es sei sehr beruhigend, dass die verschiedenen Kombinationen mit RNA-Impfstoffen Antikörper und T-Zellen produzierten, die über dieser Schwelle lagen. "Das sind gute Nachrichten in der Hinsicht, dass wir verschiedene Optionen haben." Wirklich interessant sei gewesen, dass zuerst Astra Zeneca und dann Pfizer zu einer besseren Immunantwort geführt habe als zuerst Pfizer und dann Astra Zeneca - zumindest, was die Antikörperwerte betraf. Dies müsse weiter untersucht werden.
Rechtsanwalt kritisiert "Verbot" von Impfstoffwechsel
Der Rechtsanwalt und frühere SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim hat unterdessen nach einem Schreiben an die österreichischen Behörden auch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA um eine Stellungnahme gebeten, ob auch sie für das "Verbot" eines Impstoffwechsels sei. Jarolim vertritt mehrere Klienten, die eine Erstimpfung mit Astra Zeneca erhalten haben, jetzt vor der Zweitimpfung stehen und angesichts der Studiendaten sich mit einem mRNA-Impfstoff zweitimpfen lassen wollen."Aus mir persönlich nicht erklärbaren Gründen hat sich das Nationale Impfgremium bis dato geweigert, alternativ zu der bestehenden Empfehlung auch die Möglichkeit eines Wechsels des Impfstoffes als Möglichkeit vorzusehen." Er verweist dabei auf die besseren Studienergebnisse für das heterologe Impfschema.
Umstieg auf anderen Impfstoff soll leichter werden
Das Nationale Impfgremium arbeitet unterdessen laut einem Bericht der Tageszeitung Die Presse an einer Formulierung in seinen Empfehlungen, die einen Umstieg bei den Impfstoffen leichter machen solle. Eine solche Formulierung solle deutlich machen, dass bei entsprechender Indikation und ausdrücklichem Wunsch der zu impfenden Person eine heterologe Impfung angeboten werden könne und solle. Die vorliegenden Daten würden dies rechtfertigen. Wichtig sei dabei nur der Hinweis, dass es sich um eine Off-Label-Anwendung handle (abseits des zugelassenen Impfschemas), wird die Impfstoff-Expertin Ursula Wiedermann-Schmidt von der MedUni Wien zitiert. Unter diesen Voraussetzungen stehe sie "dem heterologen Impfschema positiv gegenüber", weil das ein flexibleres Vorgehen ermögliche, "was wiederum einen positiven Einfluss auf die Impfbereitschaft hat".
Diskussionen auch in Deutschland
Doch die neue Empfehlung der Ständigen Impfkommission in Deutschland sorgt auch in unserem Nachbarland für Diskussionen: "Viele Bürger, die bereits zweimal mit Astra Zeneca geimoft worden sind, fühlen sich jetzt als Patienten zweiter Klasse und befürchten, gegen die Delta-Mutante nicht ausreichend geschützt zu sein", heißt es in einer Aussendung des Bayerischen Hausärzteverbands. Die ist aber auch angesichts aller jüngsten Studiendaten nicht der Fall. Und der "unabgestimmte Vorstoß" der STIKO habe "Chaos in unseren Praxen ausgelöst".
"Aus medizinisch-immunologischer Sciht ist die Empfehlung der STIKO sinnvoll", schreibt der deutsche Impfstoffforscher Leif-Erik-Sander in einer Stellungnahme an das Science Media Center Deutschland. "Allerdings sind die zugrundeliegenden Studiendaten noch überschaubar und befinden sich zumeist noch im nicht-begutachteten Preprint-Stadium.Darüber hinaus beziehen sich die Daten auf nur einige hundert Probanden, die allerdings klar zeigen, dass das heterologe Impfschema – erste Impfdosis mit Vaxzevria von Astra Zeneca und die zweite mit einem mRNA-Impfstoff – einer homologen Impfung (also zwei Dosen Vaxzevria) überlegen ist, weil sie eine stärkere Immunantwort aktiviert. Nichtsdestotrotz bietet die homologe Impfung mit Vaxzevria ebenfalls einen guten Schutz, das zeigen Daten aus Großbritannien.“
Sander betont, dass bekannt sei, dass "die Impfungen gegen diese Variante weiterhin einen hohen Schutz bieten, allerdings ist die Neutralisationskraft der Antikörper reduziert und es bedarf eines vollen Immunschutzes durch zwei Impfungen".
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