Kürzere Impfabstände: Warum rasche Zweitstiche jetzt so wichtig sind
Die zweite Impfung mit Astra Zeneca nach vier bis acht Wochen (statt bisher zwölf), den Zweitstich mit Biontech/Pfizer nach 21 und mit Moderna nach 28 Tagen: Das Nationale Impfgremium (NIG) rät jetzt zu kürzeren Impfintervallen – der KURIER berichtete. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wieso wurden die Impfintervalle verkürzt?
Wegen der Ausbreitung der deutlich infektiöseren Delta-Variante. „Wir können damit rechnen, dass die Delta-Variante bis Ende Juli die anderen Varianten verdrängt – schon jetzt beträgt ihr Anteil an der Gesamtzahl der Infektionen 25 Prozent“, sagt der Infektiologe Herwig Kollaritsch, Mitglied des NIG. „Deshalb müssen wir möglichst viele Menschen rasch vollimmunisieren.“ Derzeit sind das rund 30 Prozent.
Was heißt das für schon vereinbarte Termine?
„Vereinbarte Termine werden im Regelfall nicht verschoben“, heißt es im Gesundheitsministerium. In Niederösterreich werden bereits gebuchte Impftermine nicht angepasst, „das wäre logistisch ein zu großer Aufwand“, so ein Sprecher des Notruf NÖ zum KURIER. Bucht man in NÖ einen neuen Termin, werden ab sofort schon die neu empfohlenen Intervalle angeboten – ebenso in Wien. In Wien will man aber versuchen, bestehende Impftermine anzupassen, „das kann aber nur schrittweise erfolgen. Wenn wir jetzt alle Zweitstiche vorverlegen, kann es passieren, dass uns der Impfstoff für Erststiche ausgeht“, sagt ein Sprecher aus dem Büro des Gesundheitsstadtrates Hacker zum KURIER. Der Fokus werde dabei auf Astra Zeneca liegen, da der Zeitunterschied bei diesem Impfstoff am markantesten ist.
Aber sind da nicht die im Nachteil, die schon einen fixen zweiten Termin haben?
„Nein“, sagt Kollaritsch: „Der Anteil der Delta-Variante nimmt zwar zu, aber bei gleichzeitig extrem niedrigen Infektionszahlen insgesamt. „Wir hoffen, dass das in den kommenden zwei Monaten so bleiben wird.“
Kann ein kürzerer Impfabstand vor allem bei Astra Zeneca einen schlechteren Schutz bieten?
Die Fachinformation von Vakzevria (Astra Zeneca) sieht ein Intervall von vier bis zwölf Wochen vor. „Wir befinden uns hier immer noch im Rahmen der Fachinformation und Zulassung, sodass nicht davon auszugehen ist, dass die Schutzwirkung hier insgesamt schlechter ist, vor allem, weil man ja gegen die Delta-Variante rasch geschützt sein möchte“, so das Gesundheitsministerium.
„Der bisher empfohlene 12-Wochen-Abstand hat sich auf die früheren Varianten bezogen“, sagt Kollaritsch. „Da bot auch eine Teilimpfung schon einen guten Schutz. Bei Delta ist man aber mit einer Impfung bedeutend schlechter dran. Da sind zwei Impfungen notwendig für einen guten Schutz.“ Dass bei den früheren Varianten der Immunschutz bei längerem Abstand etwas besser war, „wird durch den deutlich erhöhten Schutz gegenüber der Delta-Variante leicht wettgemacht.“ Bei Johnson & Johnson gibt es zwar noch keine Daten speziell zu Delta, „insgesamt sind aber die Daten auch zu diesem Einzeldosis-Impfstoff sehr solide.“
Warum empfiehlt das Impfgremium nach wie vor nicht die Kombination unterschiedlicher Impfstoffe?„Dieses heterologe Impfen führt zwar zu einer etwas besseren Immunantwort, aber wir wissen nicht, ob das auch tatsächlich eine bessere klinische Effektivität bedeutet – also einen höheren Schutz im echten Leben“, so Kollaritsch. „Und die neuesten Daten zeigen einen praktisch unveränderten Schutz von zwei gleichen Teilimpfungen auch gegen Delta – bei leichten Fällen ist er eine Spur schlechter, aber das ist marginal.“ Vor allem wäre die Kombination unterschiedlicher Impfstoffe eine „off label“-Anwendung abseits der Zulassung – „dafür braucht es eine stichhaltige Begründung, die es aus meiner Sicht im Regelfall nicht gibt“.
Wann gibt es eine solche?
„Bei Menschen, die auf die erste Impfung mit einem größeren gesundheitlichen Problem reagiert haben“, sagt Kollaritsch. Oder bei Frauen, die nach der ersten Impfung mit Astra Zeneca schwanger geworden sind – Schwangere sollen (nach individueller Nutzen-Risiko-Abschätzung) bevorzugt mit mRNA-Impfstoffen geimpft werden.
Wie sieht das eine Virologin, die nicht Mitglied im Impfgremium ist?
„Mit der derzeitigen Datenlagen würde ich eine heterologe Impfung auch nicht empfehlen“, sagt die Virologin Christina Nicolodi. „Ich habe das Mischen von Impfstoffen an anderen Viren, wie zum Beispiel Influenza, erforscht. Aus dieser Erfahrung kann ich sagen: dazu sind wirklich viele Studien notwendig. Das Impfschema, die Dosis, aber auch das Intervall, das alles muss untersucht und bestimmt werden. Bei der Influenza hab ich gesehen, dass es einen unglaublichen Unterschied macht, welchen Impfstoff man für die erste und welchen für die zweite Teilimpfung verwendet. Das sind Dinge, die eine große Rolle spielen. Und wir wissen bis dato auch noch nicht, wie lange die Immunantwort dann anhält.“ Auch sie empfiehlt unterschiedliche Präparate bei Menschen, die einen bestimmten Impfstoff beim ersten Mal nicht vertragen haben.
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