Argumente dafür und dagegen: Soll mein Kind geimpft werden?
Es ist ein extrem umstrittenes Thema, die Impfung von Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren.
Von Ernst Mauritz
Zwar sollen laut den Priorisierungsempfehlungen ältere Menschen grundsätzlich zuerst drankommen, aber langsam läuft auch die Impfung der ab 12-Jährigen an. In Österreich ist sie allgemein empfohlen, in Deutschland nur für Kinder und Jugendliche mit bestimmten Vorerkrankungen. Die wichtigsten Argumente Pro und Contra.
PRO
- "Auch wenn Kinder wesentlich seltener schwer an Covid-19 erkranken als Erwachsene, kommen auch in dieser Altersgruppe schwere Verläufe vor", so die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ).
- Bis Mai sind laut ÖGKJ 150 Kinder und Jugendliche schwer an Covid-19 erkrankt (viele davon infolge überschießender Immunreaktion bzw. mit Behandlung auf einer Intensivstation). Mehr als 500 mussten wegen einer Infektion in einem Spital aufgenommen werden. Sechs junge Patienten (fünf zwischen 12 und 18, einer 10 Jahre alt) – alle mit schweren Grunderkrankungen – sind an dieser Infektion verstorben.
- Der Individualschutz sei auch bei Kindern das wichtigste Argument für eine Impfung, sie trage aber auch zum Gemeinschaftsschutz bei. Werden sie als einzige Altersgruppe nicht geimpft, würde eine "Rückkehr" von Covid-19 vor allem sie betreffen: "Noch dazu, wenn die Pandemiemaßnahmen gelockert werden", sagt der Kinderinfektiologe Volker Strenger, MedUni Graz. Großflächige Schulschließungen wären dann sehr wahrscheinlich. Die Impfung diene auch dem Erhalt des sozialen Lebens.
- Mittlerweile wurden einige Millionen Impfdosen an 12- bis 15-Jährige ohne Häufung von schweren Folgen verabreicht. "Bei allen früheren Impfungen sind Langzeitfolgen bereits in den Wochen danach aufgetreten. Und mit dem gleichen Argument kann man auch sagen, man weiß nicht, welche Spätschäden Covid-19 auslöst", sagt Strenger. Auch wenn die US-Gesundheitsbehörde einen "wahrscheinlichen" Zusammenhang von sehr seltenen Fällen von Herzmuskelentzündungen mit der Impfung sieht: Diese seien mild verlaufen und gut behandelbar. "Der Nutzen überwiegt ein mögliches Nebenwirkungsrisiko."
CONTRA
- "Kinder werden im Gegensatz zu den Erwachsenen eben selten krank, noch seltener schwer krank", sagt Fred Zepp, ehemaliger Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Mainz und Mitglied der Ständigen Impfkommission (Stiko) in Deutschland. "Und es gibt nur eine sehr geringe Zahl von Fällen, die tatsächlich schwerwiegend oder auch mit dem Tod verlaufen.“ Der Individualschutz sei gering.
- Ob für den durchschnittlichen Jugendlichen der Nutzen wirklich größer ist als der Schaden, dafür fehlen noch die Langzeitdaten, sagt der Epidemiologe Gerald Gartlehner von der Donau Universität Krems. "Die Situation, jetzt Zwölfjährige im Juni oder Juli dringend zu impfen, ist einfach nicht gegeben." Angesichts der niedrigen Inzidenz könne man noch auf bessere Daten warten.
- "Die bedingte Zulassung für die 12- bis 15-Jährigen stützt sich auf eine kleine Studie an etwa 2.000 Kindern mit einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von nur 56 Tagen", sagt der Internist Andreas Sönnichsen. Zuverlässige Aussagen über Langzeitsicherheit und -effektivität der Impfung bei Kindern seien noch nicht möglich. Kritiker sprechen von einem "eklatanten Mangel an Studien zu Nebenwirkungen".
- Offene Schulen oder die Teilhabe am öffentlichen Leben seien kein ausreichendes Argument für eine Impfempfehlung. Dies könne man auch durch andere Maßnahmen erreichen. Der Schutz des Individuums müsse über dem der Gemeinschaft stehen. Zepp: "Aber ist es dann sinnvoll, ohne Not ein solches Risiko einzugehen? Denn das Individuum ist nicht hoch gefährdet. Und den Impfstoff nur zu empfehlen, um Dritte oder andere zu schützen, wäre eine fremdnutzige Empfehlung."
(kurier.at, em)
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