Medizin-Sensation mit Schweineherz: Wenn Tierorgane Menschenleben retten

Vorteilhafte Spender: Das Schweineherz ähnelt in puncto Anatomie und Größe dem menschlichen Organ.
Die Transplantationsforschung läuft auf Hochtouren: In den USA wurde einem Mann nun erfolgreich ein Schweineherz eingesetzt. Was das für die Zukunft der Organspendemedizin bedeutet.

David Bennett ist todkrank. Oder vielmehr: war. Für den 57-Jährigen – bei ihm wurde eine Herzschwäche im Endstadium diagnostiziert – besteht Hoffnung: In seiner Brust schlägt seit wenigen Tagen ein gesundes Schweineherz.

Das Organ wurde dem US-Amerikaner in einer achtstündigen Operation am Medical Center der University of Maryland eingesetzt. "Es erzeugt den Puls, es erzeugt den Druck, es ist sein Herz", wird Bartley Griffith, der die OP durchführte und Leiter des dort ansässigen Herztransplantationsprogramms ist, in der New York Times zitiert. Es handle sich um eine medizinische Premiere: "Wir sind begeistert, aber wir wissen nicht, was der morgige Tag bringt."

Globaler Organmangel

Erst vor wenigen Monaten gelang US-Chirurgen die Transplantation einer Schweineniere. Eingriffe wie diese könnten eine neue Ära in der Medizin einläuten. Menschliche Spenderorgane sind weltweit Mangelware. In Österreich ist die Lage vergleichsweise stabil. Das liegt unter anderem an der geltenden Widerspruchsregelung: Jeder Erwachsene gilt als potenzieller Organspender, es sei denn, er spricht sich dagegen aus.

"Wenn sich Organtransplantationen vom Tier zum Menschen in der klinischen Praxis durchsetzen, könnte das das Spenderorganproblem abschwächen", ist Andreas Zuckermann, Leiter der Herztransplantation am AKH Wien, überzeugt. Entscheidender Vorteil der Xenotransplantation, wie die Verpflanzung tierischen Gewebes in menschliche Körper genannt wird, sei, dass der Entnahmezeitpunkt geplant werden kann. "Risikoreiche Not- und Nachtoperationen lassen sich vermeiden."

Auch Transportschäden können verhindert werden. "Das Ziel muss sein, dass wir keine Patienten mehr auf Wartelisten verlieren", betont der Transplantationschirurg.

Medizin-Sensation mit Schweineherz: Wenn Tierorgane Menschenleben retten

Patient Bennett nach der OP – sein Zustand ist derzeit stabil.

Umstrittener Lichtblick

Der Eingriff an der Uniklinik Maryland wirft allerdings ethische Fragen auf. So hat etwa die unproblematische Verfügbarkeit tierischer Spenderorgane ihren Preis. "Man züchtet und schlachtet Tiere, um ein Organreservoir aufzubauen", bringt es Zuckermann auf den Punkt. "Aus Tierschutz-Perspektive ist das zu hinterfragen."

In vielen Teilen der Welt ist das Schwein – es hat sich als besonders geeignetes Spendertier erwiesen (siehe unten) – als Nutztier und Nahrungsquelle akzeptiert. Sowohl für Juden als auch für Muslime ist Schweinefleisch aber tabu. Hochrangige Vertreter dieser Religionsgemeinschaften hätten laut Zuckermann aber schon vor Jahren bekundet, "Xenotransplantation zu tolerieren, sofern das Ziel die Rettung von Menschenleben ist".

Tierorgantransplantationen bergen auch Risiken. "Es besteht die Gefahr, dass mit den Organen Mikroorganismen übertragen werden, die Infektionen hervorrufen", sagt Zuckermann. Es müsse sichergestellt sein, dass keine Keime mittransplantiert werden. Werden Menschenherzen verpflanzt, können Patienten inzwischen mit vielen weiteren Lebensjahren rechnen. Ob das bei Tierorganen auch so ist, ist unklar.

Das behandelnde Ärzteteam in Maryland verbucht den Eingriff jedenfalls vorerst als Erfolg. Die ersten kritischen 48 Stunden nach der OP verliefen ohne Zwischenfälle. Derzeit ist David Bennett an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, die die Pumpfunktion seines Herzens und seine Lunge unterstützt. In Kürze soll er vom Gerät genommen werden.

Grafik, welche Schweineorgane sich für den Menschen eignen.

Welche Schweineorgane sich für den Menschen eignen.

Vorsichtiger Optimismus

Anzeichen, dass sein Körper das neue Organ abstößt, sind bisher nicht aufgetreten. Um eine solche Abstoßungsreaktion zu verhindern – das menschliche Immunsystem erkennt das transplantierte Gewebe als fremd und beginnt es zu zerstören –, wurde das Spenderschwein genetisch verändert. David Bennett wird außerdem mit einer experimentellen Arznei behandelt, die seinen Organismus zwingt, das Organ zu tolerieren.

Der Erfolg des wenig erprobten Eingriffs werde letztlich am Überleben des Patienten gemessen, gibt Uta Dahmen, Transplantationsexperten am Uniklinikum Jena, zu bedenken. "Bleibt zu hoffen, dass das Herz lange nicht zu schlagen aufhört", unterstreicht Joachim Denner, Experte für Virussicherheit an der Freien Universität Berlin.

"Werde ich grunzen?", zeigte sich David Bennett vor seiner OP zu Scherzen aufgelegt – und schließlich doch ernster: "Ich weiß, dass es ein Schuss ins Dunkel ist. Aber es ist meine letzte Chance."

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