Long-Covid-Spezialambulanzen: "Ewig lange Wartezeiten"
Ein neuer Online-Leitfaden soll Hausärztinnen und -ärzten dabei helfen, rasch Long Covid diagnostizieren zu können und den besten Behandlungsweg zu finden. Dieses neue Angebot wurde Mittwoch im Gesundheitsministerium präsentiert - der KURIER berichtete. Der Wiener Neurologe Stingl, der u. a. auf die Behandlung von Langzeitfolgen viraler Infektionen spezialisiert ist, sieht darin einen "wichtigen Schritt", wie er im Ö1-Morgenjournal erklärte.
"Das ist ja in dem Sinne nichts Neues, dass Corona das Gleiche macht wie viele andere Viren auch, nämlich anhaltende gesundheitliche Probleme zu verursachen, die bei manchen Leuten dann zu einer chronischen Erkrankung übergehen." Je früher man beginne richtige Schritte zu setzen, um so besser sei es: "Insoferne ist so eine einfache niederschwellige Möglichkeit sich darüber zu informieren eine großartige Sache."
Der Neurologe findet es einerseits gut, dass "nach zweieinhalb Jahren endlich ein Versorgungspfad präsentiert wurde", wie man gedenke damit umzugehen, dass Menschen "einfach chronisch krank sind". "Bei vielen Leuten wird es Gott sei Dank innerhalb der ersten Monate besser, aber es gibt auch einen gewissen Prozentsatz, der nach einem halben Jahr noch immer Probleme hat."
Zu ihm kommen "durchaus viele Leute, die seit über einem Jahr Probleme haben, wenn ich sie das erste Mal sehe. Natürlich ist das die Realität." Und das sei nicht nur seine Wahrnehmung: "Wenn das nur meine Wahrnehmung wäre, dann wäre das Thema generell nicht so ein großes."
In Wirklichkeit sei aber von Anfang an klar gewesen, dass das so passieren werde. Deshalb finde er die Erstellung dieses Leitfadens "persönlich spät, weil ich diese Leute seit Anfang der Pandemie sehe, das muss ich ganz ehrlich sagen. Aber man kann auch sagen: besser spät als nie."
Stingl wies daraufhin, dass in diesem Versorgungspfad auch Spezialambulanzen angegeben sind: "Von denen gibt es momentan, finde ich, zu wenig, die haben keine Kapazitäten, da gibt es ewig lange Wartezeiten." Er hoffe, dass dieser Versorgungspfad dann auch gleichzeitig bedeute, "dass man endlich beginnen wird, im größeren Stil diese Spezialanlaufstellen für die Fälle, die im niedergelassenen Bereich nicht handhabbar sind, zu schaffen".
In speziellen Anlaufstellen werde "einerseits das Bisschen, das man an therapeutischen Optionen weiß, umgesetzt" und gleichzeitig auch geforscht wird, wie man es besser machen könne, weil die Therapiemöglichkeiten derzeit unzulänglich seien.
Stingl betont, "dass man sich Long Covid nicht nur so vorstellen darf, dass überhaupt nichts mehr geht." Natürlich gebe es Menschen, die so schwer betroffen sind, dass sie gar nichts machen können, "aber es gibt natürlich auch Leute die sagen, sie können irgendwie arbeiten gehen, aber ihre Arbeitsleistung sinkt, sie müssen Stunden reduzieren." Die würden aber nicht so auffallen, "weil sie nicht in Krankenstand gehen, aber sie sind trotzdem beeinträchtigt." Und ihre Zahl werde mit jedem Monat mehr.
Zwar gebe es in Österreich keine wirkliche Datenerhebung, aber aus England gebe es - nicht ganz perfekte - Zahlen zur Selbsteinschätzung. "Das ist nie ganz präzise, aber in England sind es zumindest drei Prozent der Bevölkerung, die zumindest angeben, nach Corona Folgen zu haben. Ich glaube, dass man sich nicht darauf verlassen sollte, dass Österreich die Insel der Seligen ist, wo das nicht passiert."
Der Neurologe verwies auch auf ökonomische Folgen hoher Long-Covid-Zahlen: "Der Chef der Bank of England hat gesagt, dass der Arbeitskräftemangel in England teilweise auch durch Long Covid mitverursacht werden kann. Ich denke, man sollte auch an solche Probleme denken, die uns dann ökonomisch möglicherweise auf den Kopf fallen, wenn wir eine große Menge junger Leute haben, die nicht oder nur eingeschränkt arbeitsfähig sind."
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