Beschädigte Batterie
Wochenlang hatte sie fast täglich Kontakt mit Covid-19-Infizierten. Sie erinnert sich an den Applaus der ersten Zeit und Spuckattacken von Impfgegnern später. Sie erzählt dann, "dass ich selbst im März 2020 zum ersten Mal und dann auf den Tag genau ein Jahr später noch ein zweites Mal positiv getestet wurde".
Es gibt Menschen in diesem Land, die hatten Covid und merkten es nicht einmal. Andere wurden ins Krankenhaus eingeliefert, wieder andere mussten auf einer Intensivstation beatmet werden. Und dann gibt es die Gruppe an Patienten, die haben sich bis heute nicht von ihrer Infektion erholt. Zu dieser Gruppe zählt Eva-Maria Burger.
Ihren Zustand, der seit Monaten anhält und zuletzt nur unwesentlich besser wurde, vergleicht sie mit dem eines beschädigten Mobiltelefons nach einer Spontanentladung: "Ich habe drei Tage benötigt, um mich für dieses Gespräch auszuruhen, und es wird wohl weitere drei Tage dauern, bis ich mich einigermaßen regeneriert habe. Ich habe das Gefühl, dass sich meine Batterie nur mehr zehn Prozent aufladen lässt."
Das Virus hat die Kontrolle in ihrem Körper übernommen. Sagt eine Frau, die mit sieben begonnen hat, an der Staatsoper zu tanzen und kein Auto besitzt, weil sie alle Strecken mit dem Rad gefahren ist.
Sie weiß inzwischen, wie sich das anfühlt, wenn ihrem Akku die letzte Energie abhanden kommt: "Mein Herz beginnt zu rasen und der Puls geht ohne Anstrengung rauf. Dann kommen die Schmerzen, die dunklen Wolken, das Kribbeln im Kopf, der Durchfall, der Druck zwischen den Augen, ich sehe nur mehr ganz verschwommen."
Es folgt, was Eva-Maria Burger als "Crash" bezeichnet: "Es brennen die Beine, die Arme, die Flanken, als würde mir ständig jemand mit dem Messer reinstechen. Dann kommen das Fieber, der Schwindel und der Schüttelfrost. Der fühlt sich an wie eine Temperatur von minus zehn Grad Celsius. Es tut immer so weh, weil alle Muskeln angespannt sind."
Gut erinnert sie sich auch noch an ihren ersten Zusammenbruch, sie war zu jener Zeit noch berufstätig: "Nur die Hand zu heben, um mit dem Handy meinen Arbeitgeber anzurufen und mich krank zu melden, war fast nicht bewältigbar." Einmal ist sie auch im Dienst kollabiert: "Danach habe ich zu Hause zwei Wochen lang fast durchgeschlafen. Auf allen vieren bin ich zum Klo."
Kränkende Gesundheitskasse
Zu den körperlichen Beschwerden kamen zuletzt auch Kränkungen der Seele. Besonders übel in Erinnerung ist der Long-Covid-Patientin der für sie kräfteraubende Besuch in einem Gesundheitskasse-Center. Die dort diensthabende Chefärztin ließ 45 Minuten lang nicht locker und auch wenig Zweifel, dass sie sich mit den Symptomen von Long Covid noch nicht wirklich beschäftigt hat.
Getroffen hat Eva-Maria Burger auch ein Attest, das nach ihrem jüngsten Zusammenbruch, ohne mit ihr zu reden, in der Rudolfsstiftung erstellt wurde: "Darin wird mir ein psychiatrisches Leiden unterstellt."
Lieber erzählt die Patientin, die nach knapp einer Stunde Interview deutlich die Anstrengung spürt, von durchwegs positiven Erfahrungen in der Selbsthilfegruppe Long Covid Austria (mehr Infos siehe unten): "Man lernt dort nette Menschen kennen, kann seine sehr intimen Probleme ansprechen, kann sich gut austauschen und vor allem auch von den Erfahrungen anderer Menschen profitieren. Dadurch können echte Freundschaften entstehen."
Profitiert habe sie auch vom Rat einer Bekannten aus der Gruppe: "Wenn wir einen Crash haben, dann waren wir nicht gut zu unserem Körper. Jetzt müssen wir lernen, nicht nur die Psyche zu pflegen, sondern auch unseren Körper. Der Kopf ist ja gesund, aber wenn uns der Körper signalisiert, dass wir etwas besser nicht machen sollten, dann mache es besser nicht." Betroffene wüssten oft besser Bescheid als die Ärzte, so die Krankenschwester. "Die Ärzte sollten daher die Chance ergreifen und uns zumindest zuhören."
Eva-Maria Burger blickt jetzt auf ihr schickes Fahrrad im Nebenzimmer. Dann sagt sie leise: "Wieder Rad fahren, das wär’ mein Traum."
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