Bei Long Covid ist Österreich nach wie vor im Blindflug unterwegs
Atemprobleme, unerträgliche Erschöpfungszustände oder Konzentrationsstörungen. Das sind nur einige Symptome des Long-Covid-Syndroms – der möglichen Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung.
Laut internationalen Studien sind bis zu zehn Prozent der Corona-Infizierten von dieser Störung betroffen. Für Österreich würde das bei bisher 3,5 Millionen Infektionsfällen die enorme Zahl von 350.000 Patienten bedeuten.
Der Haken ist nur: Genaue Zahlen fehlen, wie Vertreter der ÖGK und der Arbeiterkammer nun gemeinsam kritisieren. Wie so oft in der Pandemie würden dringend erforderliche statistische Daten fehlen.
Bei der ÖGK kann man lediglich sagen, dass seit Pandemiebeginn 46.000 Krankenstandsfälle aufgrund von Long Covid registriert wurden, aktuell sind es 2.500. „Nicht erfasst sind aber Betroffene, die nicht bei der ÖGK versichert bzw. nicht berufstätig sind. Außerhalb dieser Statistik sind Kinder, Jugendliche und Pensionisten“, gibt Andreas Huss von der ÖGK zu bedenken. Hinzu kämen etliche Patienten, die trotz einschlägiger Symptome arbeiten gehen würden.
Wolfgang Panhölzl von der AK Wien verweist auf internationale Studien, wonach ein Drittel der Betroffenen ein Jahr nach der Infektion zumindest teilweise Tätigkeiten in der Arbeit oder im Privaten nicht allein bewältigen könnten. „In Österreich wäre es nicht möglich, solche Dinge zu eruieren, weil die entsprechenden Datenbanken nicht miteinander verknüpft sind.“
Daten verknüpfen
„Deshalb wiederhole ich die Forderung, dass man die Sozialversicherungs- und Krankenanstaltsdaten mit dem epidemiologischen Meldesystem verknüpft“, sagt der AK-Experte. Die vernetzten Daten sollen für Forschungszwecke „natürlich nach den Richtlinien des Datenschutzes“ zur Verfügung stehen.
In Deutschland etwa sei man schon weiter. Dort müssen Ärzte im niedergelassenen Bereich bereits seit Anfang 2021 Long Covid verpflichtend nach dem internationalen Codierungssystem melden. Dies sei auch für Österreich notwendig.
Bis es so weit ist, will man sich mit eher rudimentären Methoden behelfen: Die ÖGK hat einen Fragebogen zum Symptom-Screening für Long Covid entwickelt, der derzeit österreichweit an die Patienten verteilt wird. Damit wolle man besser erfassen, wie viele Menschen betroffen sind und unter welchen Symptomen sie leiden, betont Huss.
Mehr Therapie-Zentren
Er pocht auch auf den Ausbau der medizinischen Versorgung der Betroffenen. Aktuell gebe es erst in Spitälern in Wien, Graz und Innsbruck multidisziplinäre Zentren, die auf die Behandlung von Long Covid spezialisiert sind. Geht es nach Huss, müsste es in jedem Bundesland eine derartige Ambulanz geben – um die Hausärzte nicht mit der Behandlung dieser komplexen Erkrankung alleine zu lassen.
Die Experten fordern auch einen Rechtsanspruch auf Wiedereingliederungszeit, um Betroffenen nach längeren Fehlzeiten den Wiedereinstieg am Arbeitsplatz zu erleichtern. Außerdem sollten Covid-19-Erkrankungen als Berufskrankheiten anerkannt werden, wenn die Menschen am Arbeitsplatz den Kontakt mit Erkrankten oder kontaminiertem Material nicht vermeiden konnten.
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