Einige Tage lag sie im Bett: „Ich habe viel geschlafen und mir tat alles weh: Kopf, Hals, Lunge, Ohren und die Glieder. Zudem musste ich viel husten.“ Doch langsam ging es wieder bergauf und Anreitter dachte: „Es wird schon, wenn ich mich ein bisschen zusammenreiße.“ Schließlich war sie schon immer eine aktive Person. „Mir hat die Arbeit immer viel Freude gemacht. Und jetzt, da die Kinder größer sind, hatte ich neue Pläne: Ich wollte Radtouren machen und mir einen zweiten Hund anschaffen.“ Doch es blieb bei den Plänen.
Denn als Anreitter im Dezember in die Arbeit ging und wieder in ihr altes Leben zurückehren wollte, hatte sie plötzlich Sehstörungen und „schräge Kopfschmerzen“. Und ihr wurde bald klar: „So kann ich nicht arbeiten.“
Seit einem Jahr im Krankenstand
Das ist jetzt ein Jahr her. Seither ist sie im Krankenstand. Und das weil das Virus in ihrem Körper auf vielen Ebenen angreift. Besonders zu schaffen macht ihr die dauernde Müdigkeit, die Mediziner Chronique Fatigue-Syndrom, ME-CFS, nennen. Auch das Kurzzeitgedächtnis ist nicht mehr das Alte: „Dabei habe ich früher Quiz-Shows geliebt, habe immer mitgeraten und war sogar bei zwei Quizshows im Fernsehen.“ Wie schwer sie sich mit dem Lernen seither tut, merkte sie, als sie sich für eine Personalverrechnungsprüfung-Prüfung vorbereitet hat. Heute weiß sie: Damit hat sie ihrem Körper zu viel abverlangt.
Ihr Akku ist seither völlig leer: „Ich habe ständig das Gefühl, 40 Grad Fieber zu haben, bin völlig erschöpft und habe gleichzeitig Schlafstörungen“, erzählt sie und vergleicht ihren Energiehaushalt mit dem eines Handys, bei dem der Akku nur auf zehn Prozent aufgeladen werden kann. „Gleichzeitig muss ich aufpassen, dass er sich nicht unter fünf Prozent entlädt, sonst gibt es einen Crash.“ Mediziner nennen ihn PEM-Crash. Heute weiß man, dass sich Long-Covid-Patienten schonen sollen. Jedes „Über-die-Grenzen-Gehen“ verlangsamt den Genesungsprozess.
Doch die Erschöpfung ist nicht das einzige Problem: Auch Darm und Kreislauf sind angegriffen, weshalb Yvonne Anreitter auf einen Rollstuhl angewiesen ist, sobald sie länger als ein paar Schritte gehen muss.
Was verwundern mag: Wer der Wienerin begegnet, trifft einen positiv gestimmten Menschen: „Ich habe in meinem Leben schon manche Hürden überwinden müssen, die ich mit professioneller Hilfe gemeistert habe“, sagt sie. Vielleicht macht sie das so stark. Und als ob sie sich selbst Trost zusprechen will, sagt sie: „Wir haben Glück, in Österreich zu wohnen. Irgendwelche Lösungen finden sich immer.“ Eine Lösung hat sie z. B. über die sozialen Medien gefunden: Als sie Geld für den Rollstuhl brauchte, das sie nicht hatte, fanden sich dort finanzielle Unterstützer. Was sie zudem glücklich macht: „Meine tollen Kinder und mein wahnsinnig lieber Mann.“
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