Lockerung der Maskenpflicht: Risiko für Kinder und Jugendliche?
An den Volksschulen ist es bereits seit Montag so weit, an allen anderen Schulen ab 21. Februar, dem kommenden Montag: Dann müssen alle Schülerinnen und Schüler am Platz keine Masken mehr tragen.
Diese Maßnahme hat jetzt zur Kritik von mehreren Expertinnen und Experten geführt, darunter auch drei Mitgliedern des Gecko-Expertengremiums (Gecko ist die Abkürzung für Gesamtstaatliche Krisenkoordination), nämlich Andreas Bergthaler, Gerry Foitik und Niki Popper.
Die Argumente in der Diskussion um Masken im Unterricht:
"Ich habe mich nicht dafür ausgesprochen, in den Klassen Masken wegzulassen", schrieb Rotkreuz-Bundesrettungskommandant Gerry Foitik auf Twitter. "Masken sind gelinde, günstige und effektive Mittel, um Infektionen zu vermeiden. Daher empfehle ich, sie bis Ostern in Innenräumen zu verwenden."
Auch der Virologe Andreas Bergthaler und der Simulationsforscher Niki Popper - beide ebenfalls Mitglieder des Gecko-Expertengremiums - stellten auf Twitter klar, dass sie sich nicht für ein Weglassen der Masken ausgesprochen hatten.
Die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz schrieb auf Twitter: "Der Bildungsminister erhöht mit seiner Entscheidung, die Maskenpflicht am Sitzplatz abzuschaffen, das Ansteckungsrisiko für die - meist noch ungeimpften - VolkschülerInnen erheblich. Besser wäre, allen Kindern gratis passende FFP2-Masken zur Verfügung zu stellen!"
Das Bildungsministerium betonte auf Anfrage gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal, dass die Entscheidung, die Maskenpflicht zu lockern, in enger Abstimmung mit dem Gesundheitsressort getroffen wurde. Dort hieß es laut Mittagsjournal: "Die Maßnahmen wurden innerhalb der Bundesregierung abgestimmt, eine explizite Empfehlung der Expertinnen und Experten des Gesundheitsministeriums diesbezüglich liegt nicht vor."
Bildungsminister Martin Polaschek erklärte in der ZiB 2 am Montag, dass es unter den Expertinnen und Experten unterschiedliche Meinungen gebe, entscheiden müsse die Politik. Und: "Es gibt und gab auch sehr viel Forderungen, gerade im Schulbereich, hier Lockerungen zu machen."
Unter den Eltern sind die Meinungen geteilt, wie die Diskussionen in den sozialen Medien zeigen, aber auch die steirische Bildungsdirektorin Elisabeth Meixner betonte in der ZiB 2: "Selbstverständlich gibt es die einen, die meinen, es ist zu früh, und die anderen, die meinen, Gott sei Dank, es ist eine Erleichterung für die Kinder."
"Wir haben in Österreich zirka 20 Prozent geimpfte Kinder zwischen fünf und elf Jahren, in Spanien sind es 55 Prozent", sagte der Mikrobiologe Michael Wagner ebenfalls in der ZiB 2. "Das ist aber ein wesentlicher Unterschied, weil Omikron für Kinder unter zehn Jahren - da gibt es neue Daten dazu - nicht so viel milder ist wie für andere Personengruppen."
Normalität versus Infektionsrisiko
Bereits am Montag hatte der Kinderinfektiologe Volker Strenger von der MedUni Graz im Ö1 Mittagsjournal Stellung genommen. "Natürlich muss man darüber nachdenken, dass man auch wieder zu mehr Normalität kommt, was die Maskenpflicht betrifft, andererseits muss man sagen, wir sind noch in einer Welle mit sehr hohen Inzidenzen, sodass man möglicherweise den Kindern und Jugendlichen nichts Gutes tun, wenn möglicherweise durch das Rücknehmen der Maskenpflicht jetzt vermehrt doch auch Übertragungen in der Schule stattfinden."
Aber es könne niemand wirklich seriös sagen, ob durch die Rücknahme der Maskenpflicht zumindest am Platz die Infektionen steigen: "Man kann spekulieren, dass dadurch die Infektionen steigen, und das würde natürlich eventuell vermehrt zu Absonderungen, Klassenschließungen und Distance-Learning führen, wenn das so ist. Wie sehr wirklich das Zurücknehmen der Maskenpflicht dann ins Gewicht fällt, kann man seriös nicht vorhersagen."
Strenger betonte, dass die Kinder - so wie bei den anderen Varianten - in der Regel nicht sehr schwer erkranken, "das heißt aber nicht, dass sie nicht trotzdem unangenehm erkranken können".
Weil Omikron ansteckender ist, werden vermehrt Kinder krank, "aber was wir nicht sehen, ist, dass sie häufiger schwer krank werden. Wir sehen viele infizierte Kinder aber kaum schwerkranke Kinder."
"Wir sehen Kinder und Jugendliche mit Long Covid, aber es sind nicht die Massen, die von manchen befürchtet oder angekündigt werden."
Nicht alle Kinder, die mit Verdacht auf Long Covid an die Uni-Kinderklinik in Gra zugewiesen werden haben auch Long Covid, betonte Strenger. "Wir sehen diese Symptome auch bei Kindern, die aufgrund der allgemeinen Maßnahmen, Schulschließungen und Veränderungen im Schülerleben, ähnliche Symptome entwickeln können - was nicht heißt, dass manche nicht Long Covid haben."
Long Covid sei bei Kindern laut Strenger aber nicht sehr häufig - eine konkrete Zahl nannte er nicht. Der deutsche Kinderarzt Herbert Renz-Polster erklärte auf spiegel.de, eine mehr als vier Wochen anhaltende Fatigue (chronische Müdigkeit) würde demnach bei mehr als sechs Prozent der infizierten Kinder auftreten. Bei rund fünf Prozent der Kinder, die SARS-CoV-2 positiv waren, hielten drei oder mehr Symptome über einen Zeitraum von länger als vier Wochen an. Etwa 40 Prozent der Kinder mit Long Covid hätten über fünf Monate nach Diagnosestellung noch immer Symptome.
PIMS: Schwerste Folge einer Infektion
Doch die Corona-Erkrankungsform, die bei Kindern am schwersten verläuft, ist das Pädiatrische Inflammationssyndrom PIMS. Dieses tritt laut Strenger drei bis sechs Wochen nach der (häufig bei Kindern symptomlosen) Infektion auf. "Vor allem wenn man es früh erkennt, kann man es meistens sehr gut behandeln, aber teilweise sind die Kinder doch schwer krank und brauchen gelegentlich auch intensivmedizinische Betreuung." Bisher gebe es keine Hinweise, dass es bei Omikron im Vergleich zu früheren Virusvarianten vermehrt auftrete.
Worauf Eltern achten sollten
Bei PIMS kommt es zu einer heftigen Entzündungsreaktion durch eine überschießende Reaktion des Immunsystems. "Zu den charakteristischen Symptomen gehört lange andauerndes, ausgeprägtes Fieber, das sich nicht gut senken lässt", schreibt Zeit online. "Bei einem eher hohen Fieber, das über viele Tage anhält, sollte man in der aktuellen Pandemielage auch an ein PIMS denken", zitiert Zeit online den Chefarzt der Pädiatrie und Neonatologie an der Cnopfschen Kinderklinik in Nürnberg. Mit "vielen Tagen" seien fünf Tage und mehr gemeint, bei den meisten Virusinfektionen gehe das Fieber nach zwei bis drei Tagen wieder zurück.
Weitere häufige Symptome sind Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfälle, aber auch Husten. Ebenso kann es zu Hautausschlägen und einer geröteten Bindehaut kommen.Generell sind die Kinder bereits nach kurzer körperlicher Anstrengung erschöpft.
„Hohes Fieber über 40 °C, Erbrechen und Durchfall sind immer ein Grund, umgehend den Arzt zu rufen. Ist eine vergangene Coronainfektion beim Kind bekannt, sollten Eltern Ärzte unbedingt darüber informieren. Bei PIMS ist eine frühzeitige Behandlung wichtig, um Folgeschäden zu vermeiden – insbesondere des Herz-Kreislaufsystems. So kann sich beispielsweise eine Herzmuskelentzündung entwickeln. Mit Kortikosteroiden und hoch dosierten intravenösen Immunglobulinen kann dieses Syndrom mittlerweile erfolgreich eingedämmt werden“, wird Hans-Jürgen Nentwich, deutscher Kinder- und Jugendarzt sowie Mitglied des Expertengremiums beim Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) auf der Homepage Kinderärzte im Netz zitiert.
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