Dreifachgeimpft und trotzdem krank: Wieso ist das überhaupt möglich?
„Ich bin drei Mal geimpft – aber meine Infektion war trotzdem nicht ohne, ich war mehr als eine Woche ziemlich danieder“ – solche Erzählungen hört man derzeit immer wieder. Aber was genau ist der Grund dafür, dass es trotz des Impfschutzes in der Regel zu zwar nicht wirklich schweren Infektionen mit Spitalsaufenthalt, aber doch zu so schweren Verläufen kommt, die einen ein bis zwei Wochen mit Fieber, Schüttelfrost und Husten ins Bett zwingen?
Einer, der sich damit zuletzt in der Öffentlichkeit beschäftigt hat, ist Manuel Battegay, Chefarzt der Klinik für Infektiologie & Spitalhygiene am Universitätsspital Basel und Professor für Innere Medizin und Infektiologie an der Universität Basel.
„Bekannt ist, dass die Impfung/Booster sehr gut gegen schwere Verläufe schützt“, schreibt er auf Twitter. Und er verweist darauf, dass in der Schweiz – aber das gilt genauso für Österreich – nur wenige Geimpfte wegen Covid-19 auf eine Intensivstation kommen.
Trotzdem können auch Geimpfte schwerer erkranken. Belegt sei, dass die Impfung auch mit dem Booster in mindestens 50 Prozent der Fälle mit einem Viruskontakt nicht vor der Infektion schützt. Belegt ist aber auch, dass Geimpfte die Viren rascher wieder aus ihrem Körper eliminieren.
„Es ist plausibel anzunehmen, dass die Immunantwort bei nicht mildem Verlauf, ob sie nun stark oder schwach ist, zu spät einsetzt.“ Dadurch aber werden viel mehr Zellen mit dem Virus infziert.
Der Grund: Die Impfung kann eine Infektion an den Schleimhäuten häufig nicht verhindern. SARS-CoV-2 tritt aber hauptsächlich über die Schleimhäute von Mund, Nase und Rachen in den Körper ein. Die in das Muskelgewebe verabreichten Impfstoffe können aber das lokale Immunsystem in den Schleimhäuten nicht so stark aktivieren, dass die Viren gleich beim ersten Kontakt mit den Schleimhäuten beseitigt werden.
"Sie induzieren zwar eine starke systemische Immunantwort, aber keinen ausreichenden Schleimhautschutz", erklärt das die deutsche Pharmazeutische Zeitung. "Daher arbeiten verschiedene Teams an einem anderen Ansatz, nämlich an nasal oder oral zu applizierenden Impfstoffen. Diese sollen dem Virus quasi die Tür vor der Nase zumachen."
Battegey: „Die Immunantwort kommt spät, aber rechtzeitig. Somit schützt sie zwar vor schwerer Krankheit, aber nicht vor einem etwas ruppigen Verlauf.“
Auf die Problematik mit der fehlenden Schleimhautimmunität ging zuletzt auch mehrfach der Berliner Virologe Christian Drosten ein. "Wir brauchen eine Lebendimpfung – klassisch mit einem abgeschwächten Virus oder eine moderne Variante davon. Die müsste man in die Nase geben und so dann Schleimhaut-Immunität auslösen. Das wäre ein viel besserer Übertragungsschutz, es wäre der nächste Meilenstein", sagte er vor kurzem in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel. Klinische Studien mit derartigen Impfstoffen laufen bereits.
Gegen die Influenza gibt es bereits ein solchen nasalen Lebendimpfstoff als Nasenspray (Fluenz tetra). Er ist vom vollendeten 24. Lebensmonat bis zum vollendeten 18. Lebensjahr zugelassen und steht in der Saison 2021/2022 im kostenfreien Kinderimpfprogramm für Kinder bis zum vollendeten 15. Lebensjahr zur Verfügung.
Auch in seinem jüngsten NDR-Podcast Coronavirus update sagte Drosten, die ideale Immunisierung sei, "dass man eine vollständige Impfimmunisierung hat mit drei Dosen und auf dem Boden dieser Immunisierung sich dann erstmalig und auch zweit- und drittmalig infiziert mit dem wirklichen Virus und dadurch eine Schleimhautimmunität entwickelt, ohne dabei schwere Verläufe in Kauf nehmen zu müssen."
Wer dies dann durchgemacht habe, der sei dann "irgendwann wirklich über Jahre belastbar immun und wird sich nicht wieder reinfizieren".
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