Längere Omikronwelle: Sollen Risikopersonen und Ältere zur 4. Impfung?
Die täglichen Neuinfektionen steigen – wie prognostiziert – weiter an: 49.323 waren es von Donnerstag auf Freitag, und mit 44.465 gab es einen neuen Samstags-Rekord. Die verlängerte Omikron-Welle wirft nicht nur die Frage nach der Wiedereinführung von Präventionsmaßnahmen wie der Maskenpflicht in Innenräumen auf - so fordert die Corona-Kommission bereits zusätzliche Präventionsmaßnahmen. Es gibt auch eine neue Diskussion um die vierte Impfung - nicht für alle, aber für Risikopersonen wie Menschen mit unterdrücktem Immunsystem und älteren Menschen.
„Trotz (des ‚milden‘) Omikron bedeuten diese Zahlen weiterhin eine große Belastung für den Spitalsalltag“, schreibt der Lungenfacharzt Arschang Valipour vom Krankenhaus Nord auf Twitter. Sie bedeuten auch Einschränkungen für Nicht-Covid-Patienten, Krankenstände sowie Pflegefreistellungen beim Personal und „potenziell Long-Covid, vor allem bei Ungeimpften.“ Und: "Risikogruppen sollten sich bei so hohen Infektionszahlen besonders schützen: Im Einzelfall bitte bereits einen 4. Stich in Betracht ziehen“, schreibt der Leiter der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie.
Laut Nationalem Impfgremium (NIG) kann Hochrisikopersonen (z. B. immunsupprimierten Personen) und Menschen ab 65 bei hohen täglichen Fallzahlen „frühestens ab 6 Monaten nach der 3. Impfung nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung ... eine weitere Impfung angeboten werden“.
„Eine Entscheidung für oder gegen die vierte Impfung würde ich sehr individuell treffen“, sagt die Virologin Dorothee von Laer von der MedUni Innsbruck. "Menschen über 60, die es nicht schaffen, sich in den kommenden zwei, drei Wochen noch ein wenig aus dem öffentlichen Geschehen herauszuhalten, sollten sich jetzt die vierte Impfung holen, wenn bereits rund sechs Monate seit der dritten vergangen sind. Also wenn zum Beispiel regelmäßig die Enkelkinder auf Besuch kommen – auch wenn diese geimpft sind. Wer hauptsächlich nur mit FFP2-Maske einkaufen geht und wenig Kontakte hat, der benötigt keine vierte Impfung.“
Für die Entscheidung über eine vierte Impfung hält von Laer auch einen Antikörpertest für eine Möglichkeit. Dieser wird zwar vom Impfgremium nicht empfohlen, weil es keinen hundertprozentig sicheren „Grenzwert“ gibt, ab dem man vor einem schweren Verlauf geschützt ist. Aber, so von Laer: „Wenn man als älterer Mensch oder Risikoperson doch deutlich weniger als 1.000 BAU (binding antibody units)/ml hat, würde ich schon zur 4. Impfung gehen.“
Sie selbst habe sich mit ihren 63 Jahren noch nicht ein viertes Mal impfen lassen: „Meine Antikörper sind sehr hoch und ich versuche, das jetzt so durchzustehen. Das ist aber eine sehr persönliche Entscheidung, die man mit einem Arzt treffen sollte.“
Am wichtigsten sei jetzt aber, die Impflücke bei den Über-60-Jährigen zu schließen: "In dieser Altersgruppe sind noch 15 Prozent ungeimpft, und diese Lücke muss bis zum Herbst wirklich geschlossen sein". Den besten Schutz würden nun einmal drei Impfungen bieten, und um damit bis zum Herbst fertig zu sein, "müssten wir bald einmal anfangen". Der Vorteil sei auch, dass Dreifachgeimpfte im Herbst nur mehr eine einzige Auffrischungsimpfung benötigen. Auch Dreifachgeimpfte, die sich jetzt mit Omikron infizieren, sollten sich im Herbst auffrischen lassen.
Der Genetiker Ulrich Elling vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA), der mit seinem Team genetische Analysen von Coronaviren durchführt, hält es angesichts der verlängerten Omikron-Welle für notwendig, „dringend über eine vierte Impfung für Menschen ab 60 nachzudenken – ab vier Monaten nach der 3. Impfung“. Denn: „Das Beispiel Israel hat gezeigt, dass die 4. Impfung bei Älteren zwar nicht vor Ansteckungen schützt, aber sie reduziert die Gefahr einer Spitalsaufnahme nochmals deutlich – auch bei einem kürzeren Abstand.“
Das Impfgremium hingegen vertritt einen Mindestabstand von sechs Monaten. Im ersten Bericht der Expertenkommission zur Impfpflicht heißt es, „dass neueste Daten deutlich anzeigen, dass verlängerte Intervalle zwischen den Auffrischungen einen günstigen Einfluss auf die Immunantwort haben“.
Elling hält eine vierte Impfung für Risikogruppen auch deshalb für notwendig, weil er nicht davon ausgeht, dass „das Coronavirus im Sommer einfach weg“. Schon im vergangenen Sommer sei das Infektionsniveau deutlich höher gewesen als im Sommer vor knapp zwei Jahren: „Auch wenn wir jetzt einmal davon ausgehen, dass es nur bei Omikron bleibt, wird das Infektionsniveau heuer deutlich höher sein als die zwei Sommer davor. Die Welle wird nicht auf Null hinunterfallen, sondern sich auf einem bestimmten Niveau einpendeln.“
Der Grund dafür: „Der Immunschutz, der verloren geht, wird kontinuierlich durch neue Infektionen aufgefüllt, und dadurch stellt sich eine Art Gleichgewicht ein.“ Aufgrund des Sommereffekts werde das Niveau natürlich deutlich niedriger sein als heute: „Aber es wird eben nicht gegen null gehen und daher wäre es sinnvoll, dass sich ältere Menschen und Risikopersonen mit einer vierten Impfung schützen.“
Er gehe fest davon aus, dass gerade die älteren Menschen in den kommenden Wochen stärker von Ansteckungen betroffen sein werden, sagt Elling: „Die meisten Auffrischungsimpfungen waren zwischen Mitte November und Mitte Dezember, und es ist klar gezeigt worden, dass ein Booster etwa drei Monate vor Ansteckungen schützt und danach dieser Schutz stark zurückgeht.
Gleichzeitig breitet sich die Omikron-Welle von den Kindern, die derzeit durchseucht werden, zu den Eltern und von dort weiter zu den Älteren aus. Deshalb werden die Krankenhäuser noch eine ganze Weile mit steigenden Patientenzahlen zu tun haben. Elling: "Die Vorderseite der Welle hat die Jungen betroffen, die sowieso nicht ins Krankenhaus müssen. Die Rückseite betrifft die Älteren – das spricht für eine frühe vierte Impfung. Zumal der Impfschutz bei Älteren ohnehin nicht perfekt ist – und bei den nicht an Omikron angepassten Impfstoffen nochmals ein Stück weniger optimal ist.“
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