50.000 Corona-Neuinfektionen pro Tag: Was sind die Gründe dafür?
Die derzeit extrem hohe Zahl an täglichen Neuinfektionen lässt bei vielen Expertinnen und Experten die Alarmglocken schrillen. "Aus der Gefahr einer Spitzenüberlastung in den Spitälern ist die Gefahr einer Dauerüberlastung gekommen", schrieb der Gesundheitsökonom und Mediziner Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS bereits vor einigen Tagen auf Twitter.
Und der in New York tätige österreichische Virologe Florian Krammer stellte über den Kurznachrichtendienst eine Frage an den neuen Gesundheitsminister: "Schutzmaßnahmen aufheben und Impfpflicht aussetzen während die Infektionen auf einem Allzeit-Hoch sind. Herr Rauch, macht das Sinn?" Doch was sind genau die Gründe für den massiven Anstieg? Es ist ein Mix aus mehreren Ursachen.
- Die Omikron-Subvariante BA.2 ist infektiöser und schneller
In den jüngsten Modellrechnungen des Simulationsexperten Niki Popper ist BA.2 bereits die dominante Omikron-Subvariante in Österreich. Sie hat gegenüber BA.1 mehrere Eigenschaften, die ihr helfen, sich in der Konkurrenz mit dieser bisher dominierenden Subvariante BA.1 durchzusetzen:
- "Nach bisherigen Erkenntnissen hat BA.2 gegenüber BA.1 einen Fitnessvorteil, ist also vermutlich noch leichter übertragbar", schrieb etwa der Expertenrat der deutschen Bundesregierung vor kurzem. Forscher aus Japan berechneten, das die Reproduktionszahl von BA.2 um das 1,4-Fache höher ist als die von BA.1. Wenn also mit BA.1 Infizierte 100 Personen anstecken, sind es bei mit BA. 2 Infizierten 140 angesteckte Personen. Simulationsforscher Popper erklärte Donnerstag, die Omikron-Variante sei infektiöser als bisher angenommen, was zu einer verstärkten Ausbreitung führe.
- Gleichzeitig ist das Infektionsintervall von BA.2 noch etwas kürzer als jenes von BA.1. Benötigte Delta noch rund fünf Tage, um von einem Menschen zum nächsten zu springen, waren es bereits bei BA.1 nur mehr rund drei Tage, sagte kürzlich der österreichische Virologe Andreas Bergthaler in der Süddeutschen Zeitung. Bei BA.2 ist dieses Intervall jetzt mit zwei bis drei Tagen nochmals kürzer.
- BA.2 entkommt der Immunität durch Impfungen etwas besser
- Und BA.2 entkommt auch dem Immunschutz durch die Impfungen etwas besser als BA.1. Bei BA.2 ist der Schutz vor einer Infektion drei bis sechs Monate nach der letzten Impfung "nur noch suboptimal bis lausig", sagt der Immunologe Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, in der Süddeutschen Zeitung. Dadurch können sich viele Menschen anstecken. "Vor schwerer Erkrankung ist der Schutz nach dem Booster weiterhin sehr gut, hier liegt er auch viele Monate nach der dritten Impfung noch bei 80 Prozent."
Christian Drosten hat die Unterschiede zwischen BA.1 und BA.2 in seinem Podcast Coronavirus Update (Folge 109) auf die Frage, ob es sich um verschiedene Ausführungen eines Fahrzeugtyps handelt, so bezeichnet: "Ja, genau. Also der eine Mercedes sieht ganz spießig aus und der andere Mercedes hat irgendwie so Spoiler dran. Also so vielleicht, aber es ist immer noch ein Mercedes" - allerdings haben beide unterschiedlich viele PS.
- Das Mantra von der "milden Variante"
Doch die Gründe für den Anstieg der Zahlen liegen nicht nur bei den Eigenschaften von BA.2. Da ist zum einen aus Sicht vieler Experten die ständige Bezeichnung als angeblich "milde Variante".
"Omikron scheint einen leichteren Krankheitsverlauf zu verursachen als die Delta-Variante, doch sollte sie dennoch nicht als milde Variante angesehen werden", hieß es beriets vor einiger Zeit in einer Aussendung der Weltgesundheitsorganisation WHO. "Ohne die Impfstoffe wären wahrscheinlich deutlich mehr Menschen im Krankenhaus."
- Öffnungen erhöhen Infektionszahlen und vermitteln: Die Pandemie ist bewältigt
Gleichzeitig vermitteln die Öffnungen, dass die Gefahr nicht mehr so groß ist wie früher und ungeschützte Kontakte deutlich zunehmen. "In dem Moment, in dem man lockerer über das Virus spricht, ändern die Menschen ihr Verhalten", sagt die deutsche Virologin Ulrike Protzer in der Süddeutschen. "Das macht am Ende viel mehr aus als das Lockern einzelner Maßnahmen."
Das bestätigen auch Daten der Cosmo-Befragungen der Psychologin Cornelia Betsch von der Universität Erfurt. Ende November gab knapp ein Drittel der Befragten ein hohes gefühltes Risiko an, Ende Februar waren es nur noch zwölf Prozent.
Gleichzeitig drängt der Krieg in der Ukraine das Thema Corona in den Hintergrund - das führt automatisch dazu, dass sich viele Menschen über Schutzmaßnahmen weniger Gedanken machen.
- Durchseuchung der Kinder, Ausbreitung in ältere Altersgrupppen
Die Aufhebung der Maskenpflicht in den Schulen führte dazu, dass sich das Coronavirus besonders stark unter jungen Menschen ausbreitet - so gibt es mehrere Bildungscluster an Schulen mit mehr als 100 Betroffenen, berichtete das Ö1 Morgenjournal am Freitag. Von den Jugendlichen gelangt es zu den Eltern und den Großeltern. So betrifft der größte Corona-Cluster im Bereich Gesundheit / Soziales in Niederösterreich derzeit ein Pflegeheim in Kirchstetten mit 112 positiv getesteten Personen. Cluster mit bis zu 60 Personen gibt es außerdem in Pflegeheimen in zwölf weiteren Bezirken in NÖ.
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