Neue Hinweise: Blutgruppen beeinflussen Corona-Krankheitsverlauf
Im Alltag interessiert uns die eigene Blutgruppe kaum. Viele Menschen kennen sie gar nicht. Doch seit dem Beginn der Corona-Pandemie ist sie in den Vordergrund gerückt.
Erste Studienergebnisse aus China deuteten bereits im März 2020 darauf hin, dass Personen mit der Blutgruppe O besser vor einer Infektion geschützt wären, als Menschen mit den Blutgruppen A, B oder AB. Diese oder ähnliche Beobachtungen wurden seither in zahlreichen Studien bestätigt.
Jetzt liefert eine neue Analyse im Journal PLOS Genetics Hinweise darauf, warum das so sein könnte.
Proteine liefern neue Ansatzpunkte
In einer groß angelegten Studie hat ein internationales Forschungsteam insgesamt 3.000 Proteine analysiert um festzustellen, welche davon einen schweren Krankheitsverlauf begünstigen. Dabei haben sie sechs Proteine identifiziert, die für ein erhöhtes Risiko einer schweren Covid-19 Erkrankung verantwortlich sein könnten.
Zwei Stufen eines schweren Krankheitsverlaufs haben die Wissenschaftler dabei unterschieden. Zum einen die Hospitalisierung und zum anderen die Notwendigkeit zur künstlichen Beatmung oder Tod. Je nach Schwerestufe kamen laut Studienergebnissen andere Proteine zum Tragen. Die Proteine GCNT4, CD207, RAB14, C1GALT1C1 und ABO stehen kausal mit einem erhöhten Risiko einer Spitalseinweisung, Beatmung bzw. Tod in Verbindung, das Protein FAAH2 war nur mit einem höheren Risiko für einen Spitalsaufenthalt verknüpft.
Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass in den verschiedenen Krankheitsstadien unterschiedliche Mechanismen am Werk sein könnten. Besonders interessant ist das Enzym ABO, weil es die Blutgruppe bestimmt. Daher gehen die Wissenschafter davon aus, dass die Blutgruppen eine entscheidende Rolle dabei spielen, ob Menschen schwere Formen der Krankheit entwickeln.
Blutgruppen-Kohlehydrate
Was macht das ABO Enzym so speziell? Dafür lohnt sich ein Blick auf die Oberfläche unserer roten Blutkörperchen (Erythorozyten). Sie tragen Sauerstoff und Kohlendioxid durch unseren Körper. Auf der Hülle dieser Blutkörperchen, der Zellmembran, stecken viele unterschiedliche Kohlenhydrate und Eiweiße, auch Antigene genannt. Sie bestimmen, wie die Oberfläche der Membran aussieht. Die Blutgruppe wiederum beeinflusst die Zusammensetzung der Antigene. So gibt es etwa die “Blutgruppen-Kohlehydrate” A und B. Menschen mit Blutgruppe A haben das Antigen A, Menschen mit der Blutgruppe B das Antigen B. Die Blutgruppe "AB" hat beide Kohlenhydrate (A und B) in ihrer Erythrozytenmembran, während die Blutgruppe 0 keines der beiden besitzt. Wie genau das ABO Enzym mit Sars-Cov-2 interagiert ist nun die Basis für weiteren Studien.
Basis für neue Therapien und Medikamente
Obwohl die Autoren eine gigantische Datenmenge zur Verfügung hatten, haben sie keinen einzigen Probanden persönlich getroffen. Die Forscher, darunter auch Vincent Millischer von der Medizinischen Universität Wien, haben sich vielmehr auf einen frei zugängigen Datenpool zahlreicher internationaler Studien gestützt.
Mittels der sogenannten Mendelschen Randomisierung wurden die genetischen Risikofaktoren dann kausal in Beziehung zu den gesundheitlichen Auswirkungen gesetzt. Mit dieser Methode können falsche Rückschlüsse oder Verzerrungen, die epidemiologische Studien teilweise behindern oder irreführen, behoben werden.
Den direkten Einfluss der Blutgruppe auf das Risiko eines schweren Covid-19-Verlaufs hat die Studie nicht untersucht. Sie liefert jedoch einen neuen Forschungsansatz. Auf Basis der aktuellen Erkenntnisse können weitere spezifischere Studien durchgeführt werden.
Die gute Nachricht: Die Forscher haben auch acht Proteine gefunden, die möglicherweise vor einem schweren Verlauf schützen. Sie könnten dabei helfen, neue Medikamente gegen schwere Verläufe zu entwickeln. Höhere Werte der Proteine SELL, SELE und PECAM-1 verringern demnach das Risiko eines Krankenhausaufenthalts oder vor Beatmung bzw. Tod, höhere Spiegel der Proteine LCTL, SFTPD, KEL und ATP2A3 waren nur mit einem geringeren Risiko für Spitalsaufenthalte verbunden. Die Studie ist somit ein Startschuss für Forschung zu neuen Behandlungsmethoden oder sogar präventiven Therapien. Sie hilft jedenfalls, das Virus ein Stück weit besser zu verstehen.
Die Studie ist im Journal "PLOS Genetics" unter dem Titel "Proteome-wide Mendelian randomization identifies causal links between blood proteins and severe COVID-19" erschienen.
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