Immunsystem: So kommen Sie vital durch die Virenzeit

Zitronen sind gesund – ihre immunfördernde Wirkung wird aber teils überschätzt.
Fit statt verschnupft: In der kühlen Saison schwächelt bei vielen die Gesundheit. Wie sich die Widerstandskraft jetzt gezielt stärken lässt.

Mit ihrer knallgelben Farbe und ihrem sauren Saft steht die Zitrone sinnbildlich für ein starkes Immunsystem. "Das enthaltene Vitamin C ist wichtig für die Abwehrkräfte", bestätigt Ernährungswissenschafterin Sabine Bisovsky, "allerdings wird die gesunde Bedeutung der 'Heißen Zitrone' teilweise überschätzt."

Tatsächlich existieren keine aussagekräftigen Studien, die einen präventiven und therapeutischen Nutzen des Mikronährstoffs belegen, wenn er ohne bestehenden Mangel im Übermaß konsumiert wird. Ein Vitamin-C-Mangel kommt in Österreich kaum vor. Das Vitamin steckt reichlich in vielen Nahrungsmitteln – neben Zitrusfrüchten in Paprika, Kohlgemüse, Beeren oder Sauerkraut.

Schlüsselstoff Zink

Anders verhält es sich beim Mineralstoff Zink: "Hier wurde belegt, dass eine höhere Dosierung die Dauer von grippalen Infekten verkürzen kann", sagt Bisovsky. Vor allem Veganern und Sportlern empfiehlt sie, auf ihren Zink-Haushalt zu achten. Der Mineralstoff ist in größeren Mengen in Käse, Eiern und Fleisch enthalten und geht über Schweiß verloren.

Ein Mangelproblem besteht in der Bevölkerung – primär im lichtarmen Winter – bei Vitamin D, das mithilfe von Sonnenstrahlung in der Haut gebildet wird. Forschungen zeigen, dass es vor Atemwegsinfektionen schützt und das Immunsystem bei schwerem Defizit nicht optimal funktioniert. Bei niedrigem Blutwert rät Bisovsky zur Ergänzung über Tropfen oder Tabletten.

Fitte Darmflora

70 Prozent der körpereigenen Immunzellen sitzen im Darm. Den Abwehrkräften dienen Darmbakterien als Trainingspartner, um sich auf den Ernstfall – fremde Erreger von außen – vorzubereiten. "Ihr Lieblingsfutter sind lösliche Ballaststoffe aus Kichererbsen, Bohnen, Linsen und Hafer sowie Fermentiertes und Sauermilchprodukte."

Unverzichtbar sind Omega-3-Fettsäuren aus Fisch, Speiseölen (Raps, Hanf, Walnuss) sowie Nüssen und Samen (Chia, Leinsamen). Sie wirken Entzündungen im Körper entgegen. Antioxidativ – damit ebenfalls schützend – wirken sekundäre Pflanzenstoffe im Rotkraut. Es gehört genauso reichlich auf den Teller wie Senföle in Form von Brokkoli, Wirsing oder Kren. Letzterer wirkt als natürliches Antibiotikum, "weil die antibakterielle Wurzel Bakterien und Pilze im Organismus in Schach hält".

Stichwort Keime: Antibakterielle Lauchgewächse (Knoblauch, Zwiebel) dürfen als bioaktive Schutzstoffe am Speiseplan nicht fehlen.

Nächtlicher Reset-Knopf

Nichts fördert die Regeneration so intensiv wie erholsamer Schlaf. "Er hält uns erwiesenermaßen gesund, hat einen Anti-Aging-Effekt und legt den Grundstein für ein langes Leben", weiß Brigitte Holzinger (schlafcoaching.org), Somnologin am Institut für Bewusstseins- und Traumforschung und dem Universitätslehrgang der MedUni Wien. Schläft der Mensch dauerhaft schlecht, kann das Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Magen-Darm-Probleme, Depressionen, Alzheimer und andere Erkrankungen begünstigen.

Männer brauchen im Schnitt zwischen sieben und acht Stunden, Frauen bis zu neun Stunden Schlaf. Kritisch sieht Holzinger habituelles Kurzschlafen: "Weniger als sechs Stunden – das macht auf Dauer krank." Wissenschafter der Universitäten Lübeck und Tübingen konnten 2019 belegen, dass Schlaf die Arbeit bestimmter Abwehrzellen, der T-Zellen, unterstützt. Akuter Schlafmangel hemmt den Prozess: Schon drei Stunden zu wenig können immunologisch belasten.

In Bewegung bleiben

Einer trägen Immunabwehr hilft Sport auf die Sprünge. "Der Effekt funktioniert auf zellulärer Ebene direkt über die Abwehrzellen", erklärt Sportmediziner Roman Ostermann. Wenn der Organismus in Bewegung kommt, wird im Körper Adrenalin ausgeschüttet. "Das Hormon kurbelt die Bildung von Abwehrzellen an, vor allem die der natürlichen Killerzellen, die für die Reaktion auf Erreger zuständig sind, aber auch Tumorzellen angreifen."

Hat man das Training beendet, sinkt der Adrenalinpegel im Blut und damit die Produktion der Immunzellen wieder ab. "Es reicht nicht aus, ab und zu in die Gänge zu kommen. Nur wenn man sich regelmäßig bewegt, hält der gesunde Effekt an."

Die immunboostende Wirkung führt auch über die Psyche: Kommt der Körper auf Touren, wird die Ausschüttung von Endorphinen aktiviert. Das baut Stress ab und trägt zum seelischen Wohlbefinden bei. Aus Studien weiß man inzwischen, dass etwa depressive Menschen häufiger an grippalen Infekten erkranken. Tatsächlich spielt die Seelenlage bei der Immunabwehr eine entscheidende Rolle. Erkenntnisse aus dem Forschungszweig der Psychoneuroimmunologie legen nahe, dass chronischer Stress das Immunsystem belastet.

Mit Maß schwitzen

Um sich gegen Infekte zu wappnen, rät Ostermann zu gemäßigtem Ausdauersport: Nordic Walking, Radfahren, Schwimmen oder kontrolliertes Joggen. Zu extreme körperliche Belastung könne dazu führen, dass Adrenalin und Immunzellen im Übermaß ansteigen – und infolge rapide schwinden. Mit kontraproduktiven Auswirkungen: "Man fällt in ein Immunloch und ist erst recht anfälliger für Erreger."

Wer in der kühlen Saison draußen sportelt, sollte beim Ankleiden das Zwiebelschalenprinzip beherzigen (atmungsaktive Unterwäsche, darüber windschützende Lagen), nicht auf die Kopfbedeckung vergessen und nach dem Training nicht in der Kälte verharren.

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