Drittstich für alle nach sechs Monaten: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Das Nationale Impfgremium gibt jetzt für alle Menschen ab 18 Jahren sechs Monate nach der Zweitimpfung die Auffrischungsimpfung (Boosterung) frei. Das gab Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein im Anschluss an eine Sitzung des Gremiums Dienstagnachmittag bekannt. In der Sitzung des Impfgremiums sei festgestellt worden, "dass der Impfschutz nach sechs Monaten merklich nachlässt". Mückstein betonte, dass zwar alle jetzt ab sechs Monaten nach der zweiten Impfung die Möglichkeit zur Boosterung haben, besonders wichtig sei sie aber schon nach sechs Monaten "für Menschen über 65 und Patienten mit Risikofaktoren". Für alle anderen gebe es das Zeitfenster zwischen sechs und zwölf Monaten. Menschen, die mit dem Vakzin von Johnson & Johnson geimpft sind, sollten sich so schnell wie möglich eine zweite Impfung holen.
Bisher empfahl das Impfgremium nur Risikopatienten, Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeheimen, Personen ab 65 Jahren sowie Menschen, die einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind, wie Gesundheitspersonal und pädagogischem Personal und allen, die mit Astra Zeneca geimpft wurden, sechs bis neun Monate nach der zweiten Impfung eine Auffrischung mit einem mRNA-Impstoff (beim Einmalimpfstoff mit Johnson & Johnson wird bereits ab 28 Tagen danach eine zweite Impfung mit einem mRNA-Impstoff empfohlen).
Minister Mückstein hat auch zur Grippe-Impfung geraten, weil Expertinnen und Experten heuer - auch angesichts der offenen Schulen und Kindergärten - eine stärkere Grippewelle erwarten.
Was spricht für einen früheren Impftermin, sollte dieser noch vor Weihnachten sein und wie häufig müssen wir künftig auffrischen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie sieht jetzt die Empfehlung für die dritte Impfung genau aus?
"Die Menschen mit einem erhöhten Risiko sollen auf jeden Fall nach sechs Monaten geimpft werden, die anderen können sich impfen lassen", sagt die Vakzinologin Ursula Wiedermann-Schmidt, wissenschaftliche Leiterin des Nationalen Impfgremiums: "Alle anderen können sich bereits nach sechs Monaten impfen lassen, für sie gibt es jetzt dazu die Möglichkeit." Länger als zwölf Monate sollte aber niemand mit der dritten Impfung warten.
Bei Biontech/Pfizer wird die Auffrischung mit derselben Dosis durchgeführt wie bei den ersten beiden Impfungen, bei Moderna hingegen wird nur die halbe Dosis verwendet. „Die dritte Impfung führt zu exorbitant hohen Antikörperspiegeln, viel höher, als dies nach der zweiten Impfung der Fall ist“, sagt der Infektiologe Herwig Kollaritsch.
Personen unter 30 Jahren sollen nicht mehr Moderna geimpft werden?
Wiedermann-Schmidt gab auch bekannt, dass der Moderna-Impfstoff künftig erst bei Personen eingesetzt werden soll, die älter als 30 Jahre sind. "Es gibt weltweit immer mehr Daten, dass es mit Moderna gehäufter zu Myocarditis-Fällen (Herzmuskelentzündung, Anm.) kommt.Wir haben noch nicht die ganze Datenlage im Überblick, aber um vorsichitg zu sein, sollen die Menschen unter 30 bevorzugt mit Comirnaty von Biontech/Pfizer geimpft werden."
Wieso ist es jetzt eigentlich zu dieser Diskussion um die dritte Impfung gekommen?
Einige Expertinnen und Experten sahen schon seit einiger Zeit Vorteile, wenn der Abstand zwischen zweiter und dritter Impfung für alle heruntergesetzt wird. „Die Immunität, die durch die Impfung ausgebildet ist, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, auch abhängig davon, welcher Impfstoff zu Beginn verwendet wurde. Dass die dritte Impfung auch für junge Menschen, die z.B. zweimal AstraZeneca erhalten haben, schon nach sechs Monaten zur Verfügung steht, halte ich für sinnvoll“, sagt Lukas Weseslindtner, Virologe an der MedUni Wien.
Studien haben gezeigt, dass die neutralisierenden Antikörper nach der Impfung mit mRNA-Impfstoffen höher sind als nach der Impfung mit Vektorimpfstoffen wie jenem von AstraZeneca und dass bei Johnson & Johnson eine Impfung, wie ursprünglich empfohlen, niedrigere Antikörper-Titer hervorrief. „Es ist denkbar, dass auch junge Menschen, die zweimal einen Vektorimpfstoff erhalten haben, nach sechs Monaten in einen Bereich fallen, wo es zu einer Durchbruchsinfektion kommen kann“, so Weseslindtner. Ein Impfdurchbruch liegt vor, wenn bei einer vollständig geimpften Person eine SARS-CoV-2 Infektion mit Symptomen (zum Beispiel Halsschmerzen und Fieber) festgestellt wird. Impfdurchbrüche nehmen aber bei allen Impfungen, auch den mRNA-Impfungen, nach mehreren Monate zu.
In den vier Wochen vor dem 27.10.2021 waren laut AGES 37 Prozent der symptomatischen lavorbestätigten Infektionsfälle auf vollständig Geimpfte zurückzuführen. „Sie sind aber nur zu einem kleinen Teil für den Anstieg der Infektionen verantwortlich“, sagt der Klinische Pharmakologe Markus Zeitlinger von der MedUni Wien. „Im alltäglichen Leben sieht man, dass Geimpfte Ungeimpfte schützen. Je mehr Personen in einem Haushalt geimpft sind, umso besser sind die Ungeimpften geschützt und ist ihr Ansteckungsrisiko geringer.“ Auch der deutsche Immunologe Carsten Watzl schreibt auf Twitter: "Aktuell stecken sich die Ungeimpften viel häufiger an und haben auch deutlich mehr schwere Verläufe! Hätten wir nur Durchbruchsinfektionen, wäre die Pandemie vorbei!"
Bald kommt die Weihnachtszeit, Familienfeiern nehmen zu. Ist es sinnvoll, sich noch vor Weihnachten zum dritten Mal zu impfen?
Bei Weihnachtsfeiern und Treffen in der Familie steigt die Zahl der Kontakte und damit auch das Risiko, sich anzustecken. Weseslindtner: „Die Fallzahlen nehmen schon jetzt zu. Wir dürfen nicht glauben, dass Immunität bedeutet, gar keine Infektion zu bekommen. Das Immunsystem wird mit einer dritten Impfung an den Erreger erinnert, der Schutzwall gegen das Virus wird dadurch besser.“ Auch Geimpfte seien in der Weihnachtszeit stark exponiert. Für sie könne es einen Unterschied machen, ob sie zwei oder drei Impfungen erhalten haben. „Die meisten Durchbruchsinfektionen verlaufen mild, sie können aber auch unangenehme Konsequenzen haben“, so Weseslindtner. So könne man z.B. auch nach einem Impfdurchbruch aufgrund nachlassender Schutzwirkung das Geruchsempfinden verlieren.
Welcher Impfstoff ist für die dritte Impfung besser – jener von Biontech/Pfizer oder jener von Moderna?
Bei den mRNA-Impfstoffen ist von der Zulassung eigentlich vorgesehen, den Booster mit jenem Impfstoff zu machen, mit dem auch die ersten beiden Impfungen durchgeführt wurden. Derzeit ist vorgesehen, dass je nach Verfügbarkeit der Vakzine aber auch Kreuzimpfungen mit mRNA-Impfstoffen möglich sind", heißt es im Gesundheitsministerium. Einen Anspruch darauf gibt es aber nicht. Ein solches heterologes Impfschema bei den mRNA-Impfstoffen ist aber nach wie vor eine off-label-Anwendung außerhalb des Zulassungsbereiches. Deshalb ist eine entsprechende Aufklärung durch den Arzt notwendig.
Das NIG betonte bisher, dass beide mRNA-Impfstoffe gleich gut schützen. Allerdings gibt es Hinweise auf Unterschiede: Die Wirksamkeit von Moderna liegt bei verschiedenen Studien zwischen 92 und 100 Prozent, jene von Biontech/Pfizer liegt zehn bis 15 Prozentpunkte zurück. Der Impfstoff von Moderna erzeugt mehr als doppelt so viele Antikörper und diese auch langsamer zurückgehen. Dennoch sei es zu früh, um zu sagen, dass Moderna der bessere Impfstoff wäre, meint der österreichische Virologe Florian Krammer, der in den USA forscht. „Es gibt einige Studien, die eine bessere Langzeitwirkung sehen und das könnte mit der höheren Dosis an RNAoder der Formulierung des Impfstoffes (Anm.: bei Moderna) zusammenhängen. Aber da könnten auch einige andere Faktoren wie Unterschiede in der Studienpopulation mitspielen“, so Krammer. Das NIG empfiehlt jedenfalls, generell einen mRNA-Impfstoff als Booster zu verwenden.
Soll ich einen Antikörpertest machen bevor ich zur dritten Impfung gehe?
"Es ist nicht notwendig, für die Verabreichung einer dritten Dosis den Antikörperstatus bestimmen zu lassen, es ist kein Schutzkorrelat definiert", sagt Minister Mückstein. "Ein Antikörpertest gibt derzeit keine sichere Aussage darüber, ob ein sicherer Schutz vor Covid-19 gegeben ist oder nicht." Wenn Ärzte entgegen den Empfehlungen des NIG zu einem Antikörpertest raten und nicht ,aufgefrischte“ Patienten erkranken, „kann das haftungsrechtliche Folgen für den Arzt haben", betont Mückstein.
Derzeit ist wissenschaftlich nicht bestätigt, ob es einen Grenzwert für den Schutz vor einer Infektion gibt. Die Virologin Dorothee von Laer geht davon aus, dass "ab dem von der Weltgesundheitsorganisation WHO standardisierten Antikörperwert von 100 BAU/ml zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Schutz gegeben ist." Auch bei Geimpften kann es aber trotz hoher Antikörpertiter zu Impfdurchbrüchen kommen. Für Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des NIG, ist es „nicht sinnvoll zu messen, ob die Antikörper einen gewissen Wert erreicht haben, sondern die empfohlenen Abstände zur zweiten Impfung einzuhalten.“ Anders ist dies bei Personen, deren Immunsystem geschwächt ist. Ihnen wird empfohlen, ihren Antikörpertiter bestimmen zu lassen – um festzustellen, ob sie überhaupt auf die Impfung angesprochen haben.
Muss man nach der dritten Impfung mit stärkeren Impfreaktionen rechnen?
Damit sei laut Virologen Weseslindtner nicht zu rechnen. „Studien bilden ab, dass die zu erwartenden Impfreaktionen mit jenen der zweiten Impfung vergleichbar sind. Das sind jene, die wir bereits kennen, wie Schüttelfrost, Infektzeichen oder sich einen Tag lang krank zu fühlen. Sie sind nicht automatisch viel stärker als bei der ersten und zweiten Impfung.“ Daten würden zeigen, dass manche Menschen die dritte Impfung sogar besser vertragen als die zweite. Die Höhe der Antikörper im Blut habe keinen Einfluss darauf, wie stark die Reaktion des Immunsystems auf die dritte Impfung ausfällt. Sie sagt auch nichts darüber aus, wie stark jemand reagieren könnte.
Ist die dritte Impfung eine Auffrischung oder Teil der Grundimmunisierung?
Im Gesundheitsministerium wird die dritte Dosis als Teil der Grundimmunisierung gesehen, wie Maria Paulke-Korinek von der Abteilung für Impfwesen kürzlich in einem Online-Vortrag betonte. „Formal ist die dritte Impfung aber eine Auffrischung, weil von der Zulassung her die Grundimmunisierung aus zwei Teilimpfungen besteht“, sagt Infektiologe Herwig Kollaritsch. „Da der Langzeitschutz aber erst nach der dritten Impfung gegeben ist, kann man aber auch sagen, die Grundimmunisierung ist erst nach der dritten Impfung abgeschlossen.“ Das sagt auch Pharmakologe Markus Zeitlinger: „Ich formuliere es so, dass mit der dritten Impfung die Grundimmunisierung abgeschlossen ist, auch wenn es formal eine Auffrischung ist. Es geht einfach darum, dass man drei Mal mit dem Virus Kontakt gehabt haben muss, erst dann hat man hoffentlich eine Zeitlang eine Ruhe. Wie lange, wissen wir jetzt aber noch nicht.“ Wer einmal infiziert war, bei dem reichen dann zwei Impfungen, so der Klinische Pharmakologe Markus Zeitlinger.
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