Die Rückkehr der Antigentests: Was bringen sie tatsächlich?
Es ist (mit Ausnahme von Wien) dem Mangel an PCR-Tests geschuldet: Antigentests spielen wieder eine größere Rolle. „Natürlich wäre es am besten, drei Mal in der Woche einen PCR-Test zu machen und zusätzlich vor dem Besuch von Risikopersonen noch einen Antigentest“, sagt der Mikrobiologe Michael Wagner, Uni Wien. "Bei PCR-Kapazitätsgrenzen ist es besser, mehrmals in der Woche Antigentests zu machen, als gar nicht zu testen. Die Stärke des Antigentests ist, dass ich innerhalb von 15 Minuten ein Ergebnis habe. Und wiederholtes Testen erhöht die Effizienz – bei jeder Testform."
Was jetzt für und gegen die Antigentests spricht - und mit welcher Methode die Treffsicherheit erhöht werden kann.
Später Virennachweis in der Nase
Die Schwäche der Antigentests, besonders bei Omikron: "Im Speichel kann die Viruslast schon sehr hoch sein, trotzdem ist im vorderen Nasenbereich bei symptomlosen Menschen zwei, drei Tage lang noch kein Virus nachweisbar." Auch Hochinfektiöse können so mit Antigentests übersehen werden.
Wagner rät, wo möglich, einen Rachenabstrich mit einem aus der Nase zu kombinieren: "Dies scheint nach ersten Berichten zu einer besseren Sensitivität der Antigentests beim Omikronnachweis zu führen."
Hinzu kommt: Der an den Schulen hauptsächlich verwendete Antigen-Schnelltest erfüllt zwar das Sensitivitätskriterium des deutschen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI). Er landet aber mit einer Gesamtsensitivität von 34 Prozent nur im Schlussfeld von 199 untersuchten Produkten (die Sensitivität gibt an, zu wie viel Prozent ein Test bei tatsächlich Infizierten die Infektion erkennt). "Hier sollte man einen zuverlässigeren Test verwenden", sagt Wagner.
Eine von Michael Wagner geleitete Studie zeigte, dass mit Antigentests nur zirka 20 Prozent der infizierten Schülerinnen und Schüler entdeckt werden. "Bei den Lehrkräften waren es 50 Prozent. Es liegt bei den Kindern und Jugendlichen also auch an der Probenentnahme und der richtigen Auswertung, ob man etwa die 15 Minuten abwartet, wie hoch die Sensitivität dann ist. Bei einem professionellen Abstrich in einer Apotheke ist sie natürlich höher."
Wagner betont, dass kein Test eine absolute Sicherheit mit sich bringt. "Sie können heute einen PCR-Test abgeben, bekommen morgen in der Früh das Ergebnis und sind vielleicht am Nachmittag schon infektiös, obwohl der Test noch gültig ist – das kann gerade bei der Omikronvariante passieren, weil man da einfach rascher infektiös wird."
Aber das spreche auch nicht gegen den PCR-Test: "In der ganzen Debatte fehlt mir ein Aspekt: Im Schnitt ist man als Omikron-Infizierter sechs bis acht Tage lang infektiös. Wenn Sie sich regelmäßig mittels PCR testen, etwa jeden zweiten Tag, entdecken Sie eine asymptomatische Infektion trotzdem relativ früh – sind dann aber nur zirka einen oder maximal zwei Tage infiziert herumgelaufen, und nicht eine ganze Woche."
Dieser Gedanke trifft letztlich - zwar mit einer geringeren Trefferquote, aber doch – auch auf regelmäßige Antigentests zu: "Vor allem darf ich auch mit negativen Tests niemanden anhusten oder die Maske ablegen – weil es einfach keine absolute Sicherheit gibt, schon gar nicht bei den Antigentests."
Die Virologin Dorothee von Laer, MedUni Innsbruck, erklärte im Ö1-"Journal", dass Antigentests "zumindest Hochansteckende noch immer ganz gut rausfischen". Angesichts der PCR-Testengpässe plädiert sie dafür, Antigentests als Alternative wieder verstärkt anzubieten. Auch für Freitestungen: "Wichtig ist, dass man darauf achtet, dass nicht alle Tests am Markt dafür zugelassen werden."
Pro und Contra
Ähnlich die Virologin Isabella Eckerle, Uni Genf: Antigentests "machen in der aktuellen Situation sogar sehr viel Sinn. Bei den jetzigen Inzidenzen ist ein positiver Schnelltest sehr, sehr wahrscheinlich eine echte SARS-CoV-2-Infektion." PCR-Ressourcen müsse man für kritische Bereiche reservieren, wie Spitäler, Risikogruppen, Kindergärten oder Schulen.
Der Virologe Lukas Weseslindtner, MedUni Wien, spricht sich dagegen aus, Antigen-Schnelltests wieder mehr Bedeutung beizumessen. "Es war immer klar, dass sie ihre Limitationen haben. Sie sind in erster Linie dafür gemacht, Infizierte mit Symptomen im medizinischen Rahmen schnell abklären zu können."
Als Baustein großer Screening-Programme seien sie wegen ihrer geringen Zuverlässigkeit wenig geeignet. "Es gibt massenhaft wissenschaftliche Literatur, die untermauert, dass selbst die besten Antigentests bei Symptomlosen in 50 Prozent der Fälle falsch-negative Ergebnisse liefern. Das ist ein enormes Risiko. Man wiegt sich in falscher Sicherheit und benimmt sich so, als wäre man garantiert nicht infektiös."
Die Ungenauigkeit sei auch mit engmaschigem Testen kaum auszugleichen – insbesondere bei Omikron: "Die Variante breitet sich im Nasenrachenraum viel schneller aus. Das Zeitfenster, in dem man auf der sicheren Seite ist, wird kleiner."
Zudem vermehre sich die Variante stärker im unteren Rachenraum, die meisten Antigentests seien für Nasenabstriche konzipiert.Dass Antigentests lange derselbe Stellenwert wie Impfungen eingeräumt wurde, hält der Experte für problematisch: "Das hat den nachhaltigen, falschen Eindruck hinterlassen, dass sie ausreichen, um sicher am öffentlichen Leben teilhaben zu können."
Die Unterschiede bei Antigentests werden Proteine bzw. die Proteinhülle des Virus nachgewiesen, bei PCR-Tests das Erbgut des Virus. Vorteil der Antigentests: Das Ergebnis liegt in 15 Minuten vor. Durch die schnelle Identifikation zumindest eines Teils von infektiösen Personen können Infektionsketten unterbrochen werden. Nachteil: Ihre Empfindlichkeit (Sensitivität) ist deutlich geringer als jene von PCR-Tests.
199 Antigentests erfüllen die Mindestkriterien des deutschen Paul-Ehrlich-Instituts: Die Liste:
https://www.pei.de/DE/newsroom/dossier/coronavirus/testsysteme
Impfbotschaft priorisieren
Mangelnden PCR-Testkapazitäten müsse anders begegnet werden. "PCR-Tests müssen mit Vernunft eingesetzt werden. Mit den unfassbar hohen Fallzahlen, die wir erwarten, ist es nicht mehr so wichtig – und auch nicht mehr machbar –, jede Infektion zu erfassen. Die wichtigere Botschaft ist, dass man sich dreifach impfen lassen soll. Wenn der Großteil der Bevölkerung das getan hat, können wir uns die Test-Diskussion sparen, weil die Menschen gegen schwere Verläufe geschützt sind", sagt Weseslindtner.
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