Zahnprobleme
Dass sich das Gesundheitspersonal – im Gegensatz zu Programmierern, Rechtsanwälten oder Hausbesorgern – gesammelt weit oben auf der Risiko-Skala findet, ist "natürlich wenig überraschend", sagt Miranda Suchomel vom Institut für Hygiene und Angewandte Immunologie der MedUni Wien. Krankenpfleger, Pflegeassistenten und Notfallmediziner, aber auch niedergelassene Ärzte, Radiologen oder Sanitäter seien "eben unmittelbar mit Erkrankten konfrontiert".
Auffallend weit vorne ist die zahnmedizinische Sparte platziert. Laut Suchomel kommt hier der Faktor Aerosole zum Tragen: "Für die Übertragung sind die beim Husten, Niesen oder Sprechen ausgeschiedenen Tröpfchen relevant. Und das Virus sitzt im Mund- und Rachenraum. Wenn man sich vorstellt, dass der Zahnarzt dort bohrt und es Speicheltröpfchen regnet, ist das hohe Risiko schlüssig."
Ähnlich stark gefährdet wie etwa Physiotherapeuten sind Flugbegleiter. Zwar ist der Flugverkehr weltweit aktuell stark eingeschränkt, in der Theorie lässt sich das Ansteckungspotenzial aber einfach erklären: "Das Flugzeug ist eine abgekapselte Nussschale, in der sich Viruslast über einen längeren Zeitraum in der Luft aufbauen kann." Fluggäste verbringen zudem viel Zeit an Bord. Würde man das Risiko nach Flugzeit aufdröseln, "würde sich auf Langstreckenflügen ein höheres Infektionsgeschehen zeigen", ist sich die Hygienikerin sicher.
Unweit hinter den Flugbegleitern, aber bereits im Mittelfeld, findet sich das Lehrpersonal, Kinderpädagogen und Sozialarbeiter, gefolgt von Friseuren, Fußpflegern und Busfahrern. Aus den Daten lässt sich ablesen, dass Volksschullehrer gefährdeter sind als Lehrer in höheren Schulstufen. Suchomel: "Das liegt daran, weil Pädagogen, die mit kleineren Kindern arbeiten, sich mit den Kleinen meist auf Augenhöhe befinden." Hinzu komme, dass infizierte Kinder überdurchschnittlich oft keine Symptome aufweisen. Im Kontext geplanter Schulöffnungen müsse man sich "überlegen, wie man Abstand und Schutz schaffen kann".
Bei Busfahrern und anderen Mitarbeitern der öffentlichen Verkehrsbetriebe müsse man differenzieren: "Hier gibt es sicher Unterschiede zwischen Großstädten und ländlichen Regionen, allein schon wegen der Fahrgastzahlen." Grundsätzlich seien auch Busse und Straßenbahnen geschlossene Räume, in denen das Virus zirkulieren könne. "Bei uns sitzen U-Bahn-Fahrer allerdings abgetrennt und Busfahrer werden durch Plexiglasscheiben geschützt."
Kundenkontakt
Friseure arbeiten in Kopfnähe. "Zwischen Haare und Schere passt garantiert kein Babyelefant", sagt Suchomel. Der oft ausgeprägte Plauderbedarf (Tröpfcheninfektion) der Kunden tue sein Übriges. Die bei uns gängige Maskenpflicht senke das Risiko aber.
Dass Veterinärmediziner recht weit vorne im Ranking aufscheinen, ist für Suchomel rätselhaft: "Es gibt Einzelmeldungen über Covid-19-Erkrankungen bei Katzen. Es gilt aber als gesichert, dass sie das Virus nicht an uns weitergeben." Denkbar sei, dass der oft ausführliche mündliche Austausch zwischen Arzt und Haustierbesitzer das Infektionsrisiko in die Höhe treibt.
Was die Auswertung darüber hinaus zeigt: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Risikoberufen sind nicht selten in puncto Gehalt benachteiligt. Oft genießen sie weniger gesellschaftliche Anerkennung. Corona ist letztlich nicht nur ein gesundheitliches, sondern auch ein soziales Problem.
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