Biologische Ursachen
Eine wesentliche Rolle dürfte dabei das Immunsystem spielen. "Allgemein ist es so, dass Frauen über ein besseres Immunsystem verfügen als Männer", sagt Kautzky-Willer. "Das ist einerseits genetisch bedingt: Auf dem X-Chromosom, das bei Frauen doppelt angelegt ist, befinden sich für das Immunsystem wichtige Gene. Während Frauen somit eine höhere ,X-Gendosis’ besitzen, sind Männer benachteiligt."
Auch hormonell sind Frauen in puncto Abwehrkräfte privilegiert: "Das weibliche Sexualhormon Östrogen wirkt immunstimulierend und kann bei der Bekämpfung von Entzündungen im Körper hilfreich sein. Während Testosteron eher immunsuppressiv wirkt, also das Immunsystem und dessen Reaktion auf Krankheitserreger unterdrückt."
Ob und inwieweit diese Faktoren beim neuartigen Coronavirus ausschlaggebend für die Geschlechterunterschiede sind, müsse laut Kautzky-Willer in Studien noch präziser untersucht werden. "Aus Studien zu SARS wissen wir aber, dass damals das Östrogen jedenfalls eine schützende Wirkung bei Frauen entfaltet hat. Es ist anzunehmen, dass sich diese Erkenntnisse zumindest in Ansätzen auf das neuartige Coronavirus übertragen lassen."
Bei Schwangerschaften hat sich bereits jetzt ein deutlicher Unterschied zu SARS offenbart: Nach derzeitigem Wissensstand wird das neue Coronavirus nicht von der Mutter über die Plazenta auf das (männliche wie weibliche) ungeborene Kind übertragen. Auch dann, wenn die werdende Mutter schwer erkrankt ist.
Gesundheitliche Aspekte
Bei der Ursachenforschung zur Sterblichkeit stößt man noch auf einen weiteren Aspekt: den allgemeinen Gesundheitszustand. "Männer leiden häufiger an Diabetes und Bluthochdruck und entwickeln auch früher im Leben verschiedene Herzleiden als das bei Frauen der Fall ist", sagt die Expertin für Gendermedizin. Die genannten Erkrankungen erhöhen erwiesenermaßen das Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19. "Medikamente könnten in diesem Kontext ebenfalls eine Rolle spielen." Auch Raucher sind besonders gefährdet, an Covid-19 zu erkranken. Weltweit sind laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vier von fünf Tabaknutzern Männer.
Frauen an vorderster Front
Kautzky-Willer mahnt dazu, den Blick auch von der Biologie abzuwenden. Im alltäglichen Leben treffe die Pandemie Frauen oft härter als Männer: "Frauen sind in überproportional hoher Zahl im Gesundheitsberufen vertreten und daher gerade extrem exponiert. In vielen Ländern haben sie außerdem einen schlechteren Zugang zum Gesundheitssystem. Und in Krisenzeiten nimmt auch die Gewalt gegen Frauen mitunter massiv zu."
All das gelte es in der Krise mitzudenken: "Nicht nur das, was sich im Körper abspielt."
Kommentare