Was die neuen Nobelpreisträger für Chemie tun

Jean-Pierre Sauvage, J. Fraser Stoddart und Bernard Feringa
Drei Chemiker haben – von der Biologie inspiriert – Nano-Maschinen entwickelt.

Der Roboter bewegt sich langsam, lädt mit seinem Greifarm ein Bauteil auf, verbindet es mit einem anderen, wiederholt das Ganze. Alles nach einem präzisen Plan. Das könnte eine Szene aus einer Hightechfabrik sein – wäre da nicht das Fließband, das nur einige Nanometer lang ist. Die Bauteile sind Aminosäuren, das Produkt ist ein kleines Peptid, und der Roboter ist eine molekulare Maschine.

Forscher haben in den vergangenen 25 Jahren biologische Moleküle der Zellen nachgeahmt und eine beeindruckende Zahl von Schaltern, Motoren, Aufzügen, Mini-Autos, Fließbändern und Propellern entworfen. "Inzwischen wurden 50 oder 60 verschiedene Motoren entwickelt", sagte der Chemiker Bernard Feringa im Vorjahr im Wissenschaftsmagazin Nature. Jetzt ist er gemeinsam mit den Molekülforschern Jean-Pierre Sauvage und James Fraser Stoddart dafür mit dem Chemie-Nobelpreis geehrt worden.

Zarter als Haare

"Sie haben Moleküle entwickelt, deren Bewegungen man kontrollieren kann", begründete die Nobeljury. Die künstlichen molekularen Maschinen seien über tausendmal kleiner als der Durchmesser eines Haares. Den ersten Schritt machte der Franzose Sauvage 1983: Er baute aus Atomen zwei Ringe, die wie Kettenglieder zusammenhängen. Viele der heutigen molekularen Maschinen gehen aber auf ein Molekülsystem zurück, das von Stoddart entworfen wurde. Sein Schalter könnte eines Tages in Sensoren eingesetzt werden, die auf Hitze, Licht oder Chemikalien reagiert. Denkbar wäre auch, dass sich die Klappe eines Nanocontainers öffnet, um ein Medikament in der richtigen Dosis, zur richtigen Zeit und am richtigen Ort im Körper eines Menschen freizusetzen. Das bestätigt auch Nuno Maulide, Chemiker an der Uni Wien, der es gut findet, dass das Nobelpreis-Komitee dieses Jahr Grundlagenforschung auszeichnet und anerkennt.

Thomas Marlovits vom IMBA (Institute of Molecular Biotechnology) ist ebenfalls überzeugt, dass es eine Vielzahl von Anwendungen geben wird: "Von molekularen Schaltern, Detektoren, Sensoren. Vielleicht finden diese Einklang zur Entwicklung neuer Materialien, in der Messtechnik und Überwachung, bzw. vielleicht sogar neuartige Computersysteme oder sogar Reparatursysteme bei diversen Krankheiten. Spannend ist v.a. dass durch die Zuführung von Energie die Systeme gesteuert werden können - ähnlich wie in den molekularen Maschinen in unseren Zellen, die letztendlich “Leben" auf molekulare Ebene ermöglichen."

So richtig in Schuss kam die Nanomaschinen-Forschung übrigens 1999, als Bernard Feringa den ersten synthetischen, molekularen Motor baute. Er bestand aus einem einzigen Molekül, das durch einen Lichtstrahl gesteuert wurde.

Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung an die in den USA tätigen Biochemiker Paul Modrich und Aziz Sancar sowie den in Großbritannien arbeitenden Schweden Tomas Lindahl. Sie haben auf molekularer Ebene herausgefunden, wie Zellen beschädigtes Erbgut (DNA) reparieren. Übergeben wird der Preis alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.

Mit dem Nobelpreis für Medizin hat am Montag die Woche der Ehrungen begonnen (mehr dazu lesen Sie hier). Am Dienstag wurde der Physik-Preis vergeben (siehe hier), am Donnerstag folgt Literatur und am Freitag der Friedensnobelpreis (Fahrplan siehe unten).

Die Laureaten für Chemie

Der Nobelpreis für Chemie wurde bisher an 171 Menschen vergeben. Neben Marie Curie erhielten nur drei Frauen den Chemie-Nobelpreis: 1935 deren Tochter Irène Joliot-Curie (gemeinsam mit ihrem Ehemann Frédéric Joliot-Curie) sowie 1964 die Britin Dorothy Hodgkin und 2009 die Israelin Ada Yonath.

Gewinner der vergangenen zehn Jahre
2006

Roger D. Kornberg (USA)

Für Erkenntnisse darüber, wie die Zelle aus dem Bauplan in den Genen fertige Proteine herstellt.

2007

Gerhard Ertl (Deutschland) vom Fritz-Haber-Institut in Berlin

Für die exakte Untersuchung chemischer Reaktionen, wie sie etwa im Autokatalysator oder bei der Herstellung von Dünger ablaufen.

2008

Osamu Shimomura, Martin Chalfie und Roger Tsien (USA)

Weil sie ein grünlich leuchtendes Protein einer Qualle zu einem der wichtigsten Werkzeuge der Biologie gemacht haben. Damit lassen sich viele Vorgänge im Körper verfolgen.

2009

Venkatraman Ramakrishnan (Großbritannien), Thomas Steitz (USA) und Ada Jonath (Israel)

Für die Erforschung der Eiweißfabriken in biologischen Zellen, der Ribosomen.
2010

Richard Heck (USA) sowie Ei-ichi Negishi und Akira Suzuki (Japan)

Weil sie komplexe Substanzen aus Kohlenstoff herstellten. Sie bauten so unter anderem natürliche Wirkstoffe gegen Krebs nach.

2011

Dan Shechtman (Israel)

Er entdeckte Quasikristalle, die zuvor von vielen Chemikern für unmöglich gehalten wurden.
2012

Robert Lefkowitz und Brian Kobilka (USA)

Für die Entdeckung von Rezeptoren, die zahlreiche Signale von außen in die Körperzellen übermitteln.

2013

Martin Karplus (USA/Österreich), Michael Levitt (USA/GB) und Arieh Warshel (USA/Israel)

Für Methoden, mit denen sich auch komplexe chemische Reaktionen virtuell nachvollziehen lassen. Mehr dazu hier.

2014

Stefan Hell (D) sowie Eric Betzig und William Moerner (USA)

Für die Erfindung superauflösender Mikroskope. Damit kann man in lebende Zellen blicken und Abläufe bei Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson beobachten.
2015

Tomas Lindahl (Schweden), Paul Modrich (USA) und Aziz Sancar (USA/Türkei)

Sie haben Erbgut-Reparatursets beschrieben. Diese Erkenntnisse dienen unter anderem zur Suche nach Krebsmedikamenten.
2016

Jean-Pierre Sauvage (F), James Fraser Stoddart (GB) und Bernard Faringa (NL)

Für die Entwicklung von molekularen Maschinen.

Die Bekanntgabe der Nobelpreises für Medizin bildet den Auftakt der alljährlichen Preisverleihung. Am Dienstag folgte die Auszeichnung für Physik, am Mittwoch im Bereich Chemie. Der Friedensnobelpreis-Gewinner folgt am Freitag, den 9. Oktober. Seit 1969 gibt es den von der schwedischen Nationalbank gestifteten Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften, der am 12. Oktober verkündet wird. Verliehen werden die Auszeichnungen am Todestag des Preisstifters Alfred Nobel, dem 10. Dezember, in Stockholm und Oslo.

Der Gewinner des Friedensnobelpreis wird am 7.10. ab 11 Uhr bekannt gegeben:

An wen der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften geht, ist am 10.10 ab 13 Uhr hier zu sehen:

Der genaue Termin für Literatur steht noch nicht fest, soll aber jedenfalls am Donnerstag stattfinden:

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