Am Donnerstag, endet das routinemäßige Wartungsintervall für die Ostseepipeline Nord Stream 1. Laut Gascade, dem Unternehmen, das die Empfangspunkte der Pipeline im deutschen Lubmin betreibt, sind für heute wieder Lieferungen angekündigt. Zuerst waren 800 Gigawattstunden nominiert - damit wäre die Gasmenge etwa so hoch gewesen wie vor der Wartung.
Mittwochabend schrieb aber der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, auf Twitter, dass Gazprom die für Donnerstag angekündigte Gas-Liefermenge schon reduziert hat. Demnach würden am Donnerstag etwa 530 Gigawattstunden geliefert, so Müller. Das würde einer 30-prozentigen Auslastung entsprechen. Weitere Änderungen seien möglich.
Gazprom hat die Durchflussmengen bereits im Juni auf etwa 40 Prozent gedrosselt. Erklärt wurde das mit technischen Problemen. Zuletzt verwies der Konzern auf das Fehlen einer Turbine, die in Kanada gewartet wurde. Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte am Mittwoch, dass künftig vielleicht auch nur ein Fünftel der vereinbarten täglichen Menge geliefert werden könnte.
Den Auslöser sehen Konzern und Präsident in den Sanktionen gegen Russland. Die deutsche Regierung macht hingegen keinen Hehl daraus, dass sie die angeblichen technischen Probleme für einen Vorwand hält.
Lieferstopp
Ungeachtet, ob und in welchem Ausmaß die Lieferungen wieder aufgenommen werden, rüstet man sich in der EU dafür, dass Putin die Lieferungen jederzeit wieder drosseln oder sogar ganz einstellen könnte.
Neben dem Versuch, Gas zu sparen, arbeiten die europäischen Staaten deswegen vor allem daran, sich möglichst viel Gas von alternativen Lieferanten zu sichern. Das ist aber neben der Verfügbarkeit auch eine Frage der Infrastruktur. Zwar kann verflüssigtes Erdgas (LNG) weltweit verschifft werden, die Kapazitäten sind aber sowohl bei LNG-Terminals, als auch bei den Tankschiffen und den europäischen Pipelines begrenzt. Die OMV hat sich deswegen zuletzt zusätzliche Pipeline-Kapazitäten über 40 Terawattstunden Gas gesichert.
Auswirkungen auf Österreich
Die Agenda Austria hat berechnet, was ein kompletter Lieferstopp, wann auch immer, von russischem Gas bis Juli 2023 für Österreich bedeuten würde. Dazu wurden drei Szenarien entworfen. Im gelindesten Fall würden Österreich 12 Prozent des Gasbedarfs fehlen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) würde dadurch um 1,1 Prozent abnehmen, bis zu 20.000 Arbeitsplätze könnten verloren gehen.
Beträgt die Versorgungslücke 27 Prozent (mittleres Szenario), würde sich das im BIP mit Minus 2,6 Prozent niederschlagen. Im pessimistischsten Fall rechnet die Agenda Austria mit einer Versorgungslücke von 40 Prozent, einem BIP-Einbruch von 4,2 Prozent und dem Verlust von 75.000 Arbeitsplätzen.
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