"Kaufe dir heute ein neues Lieblingsteil und bezahle es einfach später.“ So wirbt der schwedische Online-Zahlungsdienstleister Klarna auf seiner Website. Von Adidas, über H&M, Ikea bis Samsung greifen mittlerweile über 200.000 Onlinehändler in insgesamt 17 Ländern auf die Dienste von Klarna zurück.
90 Millionen Menschen nutzen die Zahlungsmethoden des 2005 gegründeten Unternehmens – von Sofort- bis Ratenzahlung. Die Marktmacht des Zahlungsanbieters zeigt sich besonders in den Social Media.
Klarnaschulden
Auf TikTok und Instagram zeigen junge Erwachsene unter dem Hashtag "klarnaschulden" inzwischen sogar, wie hoch sie sich für ihre Einkäufe im Netz verschuldet haben.
Auf TikTok hat der Hashtag zig Millionen Aufrufe. Dabei reichen die Beträge von 200 Euro bis hin zu vierstelligen Summen.
Je höher der Betrag, desto mehr Likes. "Ein gefährlicher Trend", gibt Gudrun Steinmann von der Schuldnerberatung Wien zu bedenken: "Junge Menschen wissen nicht, wie schmal der Grat zwischen Verschuldung und Überschuldung ist, und auch nicht, welche Konsequenzen damit verbunden sind."
Tatsächlich drohen im schlimmsten Fall Inkassounternehmen und ein negativer Eintrag beim Kreditschutzverband (KSV), wodurch die Kreditwürdigkeit sinkt.
Doch wie ist es überhaupt möglich, dass junge Menschen so viel kaufen können, ohne auf ihre Liquidität überprüft zu werden?
Eine europäische Richtlinie regelt seit 2010 zwar Verbraucherkredite zwischen 200 und 75.000 Euro. Bei Käufen unter 200 Euro und solchen, die sich in drei Monaten zurückzahlen lassen, greift sie jedoch nicht.
Schlupflöcher
Christian Prantner, Konsumentenschützer bei der Arbeiterkammer und Finanz-Experte, sieht genau darin einen "Schwachpunkt": "Der Anwendungsbereich ist löchrig. Natürlich kann das dazu einladen, einen Wettbewerb bei der Kreditaufnahme zu veranstalten."
Wären diese Käufe stärker reguliert, erhielten Kunden mit schlechter Bonität auch bei kleinen Beträgen keinen Kredit.
Buy now, pay later
An sich ist das Konzept von "buy now, pay later" nicht neu. Man denke etwa an die Ratenkäufe bei den früher so beliebten Versandhäusern Otto, Quelle oder Neckermann.
Das Problem heute sei jedoch, erklärt Steinmann von der Schuldnerberatung, dass die Zahl der Anbieter viel größer geworden und damit der Druck, alles haben zu wollen, gestiegen ist.
Den Trend zum schnellen Konsum stellt auch Bernhard Heinzlmaier vom Institut für Jugendkulturforschung fest: "Man will alles sofort haben, und deshalb muss man jede Möglichkeit, die sich ergibt, sofort ergreifen."
Die Dinge verlieren ihren Reiz
Das Fatale daran: Die Glücksgefühle halten nur sehr kurz an. "Die Dinge verlieren schnell ihren Reiz und müssen dann wieder durch neue ersetzt werden", beschreibt Heinzelmaier das Dilemma.
Die Möglichkeit zu jeder Tages- und Nachtzeit online einzukaufen, führe zu einem regelrechten Kontrollverlust, warnt der Jugendkulturforscher vor dem System des 24-Stunden-Konsums.
Die Hemmschwelle für Jugendliche ist sehr gering, schließlich muss man nicht einmal vom Sofa aufstehen, um zu shoppen.
Kreditvergabe strenger regeln
Die Kreditvergabe bei jungen Menschen strenger zu regeln, mache durchaus Sinn, sagt Heinzelmaier, allerdings würde es "das Übel nicht an der Wurzel packen".
Viel eher müsse man Jugendliche bereits an den Schulen trainieren, sie resistenter gegenüber ständiger Werbung und Verführung zum Konsum machen.
Ein Vorhaben das Gudrun Steinmann von der Schuldnerberatung mit dem Finanzführerschein bereits in die Tat umsetzt. Im Wintersemester 2022 haben allein 1.200 Schüler in Wien den Finanzführerschein absolviert.
Keine Finanzbildung
Der Kurs findet nach wie vor auf freiwilliger Basis statt. An vielen Schulen wird dem Thema Finanzbildung allerdings überhaupt keine Aufmerksamkeit geschenkt.
Dabei wäre diese heute besonders wichtig, um den Jungen eine gewisse "Grundausstattung" mitzugeben. Denn immer mehr Jugendliche beziehen ihre Informationen zu Finanzthemen aus dem Internet.
Informationen aus dem Netz
Eine Studie der Arbeiterkammer aus dem Juli 2022 zeigt klar: "Junge Konsumenten zwischen 20 und 29 Jahren schätzen Influencer, Online-Vertriebswege und YouTube-Videos als Informationsquelle für die Geldanlage."
Ein Geschäftsmodell, das junge "Finfluencer" (Finanz-Influencer) längst für sich entdeckt haben.
Auf Instagram, TikTok und YouTube tummeln sich Kanäle, die vermeintlich seriöse und professionelle Tipps zur Geldanlage und für Investments liefern.
"Finanzfluss", der Account von Thomas Kehl und Arno Krieger zum Beispiel hat auf Instagram bereits 328.000 Follower.
Mit kurzen Videos und in einfacher Sprache animieren die beiden die Nutzer zu „nachhaltigen“ Investments oder zum Aktienkauf.
Einfluss auf junge Menschen
Wie sehr junge Menschen sich davon beeinflussen lassen, zeigt widerum eine aktuelle Studie der Fachhochschule St.Pölten und der Social Media Agentur Paradots.
Das Ergebnis: Fast die Hälfte (49 Prozent) der befragten Followerinnen und Follower hat schon einmal aufgrund einer Finfluencer-Empfehlung ein Investment getätigt. Der KURIER berichtete bereits Anfang Februar darüber.
Vorsicht geboten
Bernd Lausecker vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) mahnt jedoch zur Vorsicht: "Ein Influencer verdient daran, dass jemand die Produkte, die er bewirbt, kauft, oder zumindest die Beiträge liked, weil das die Werbeeinahmen erhöht."
Geld daran verdienen
Auch Jugendexperte Heinzlmaier sieht den Trend mit Skepsis: "Letztendlich geht es darum, den Leuten etwas zu verkaufen oder ein bestimmtes Verhalten zu stimulieren. Das ist für junge Leute nicht unbedingt der richtige Weg."
Fest steht allerdings auch, dass sich junge Menschen primär über die Social Media informieren.
Bankinstitute, Finanzberater oder Konsumentenschützer täten also gut daran, ihre Präsenz in den sozialen Medien ebenfalls auszubauen.
(kurier.at, agross)
|
Aktualisiert am 18.02.2023, 09:17
Kommentare