Kampf um die Casinos: Showdown der Milliardäre
Der Sommer 2015 begann für Johann F. Graf, Gründer und Eigentümer des internationalen Gaming-Konzerns Novomatic, vielversprechend. Er hatte die Mehrheit bei der teilstaatlichen Casinos Austria AG (Casag) samt der Cash-Cow Lotterien beinahe in der Tasche.
Eine private Stiftung sowie die UNIQA Versicherung und die Raiffeisen-Industrieholding Leipnik Ludenburger (LLI) waren mit Graf über den Verkauf ihrer Anteile handelseins.
Für den Selfmade-Industriellen, der von seinen Mitarbeitern respektvoll "der Professor" genannt wird und dessen Fahrer den in Österreich äußerst geschätzten Titel "Kommerzialrat" führt, wäre der Deal die Krönung seines Lebenswerkes gewesen. Der ehemalige Casinos-Chef Leo Wallner hatte Zeit seiner jahrzehntelangen Karriere beim teilstaatlichen Monopolbetrieb abschätzig auf Graf herabgeschaut, der auf Wunsch seiner Eltern eine Fleischerlehre absolvierte, bevor er auf der grünen Wiese in Gumpoldskirchen Flipperautomaten produzierte.
Der vom Technologie-Freak Graf aufgebaute Gaming-Konzern war bereits wesentlich größer und ungleich ertragreicher als die Casag, da rückte Wallner Novomatic immer noch ins Schmuddeleck. Die Herrschaft über den teilstaatlichen Monopolisten wäre ein später Triumph gewesen.
Die Rechnung ging allerdings nicht auf. Denn plötzlich grätschte der tschechische Milliardär Karel Komarek dazwischen. Der Spross eines kleinen Familienbetriebes startete nach der Ostöffnung durch. Ein Darlehen seines Vaters war der Grundstein für ein Imperium, über das sich die Firmengruppe KKCG, ein Mischkonzern, spannt. Sein Vermögen machte Komarek mit Öl, Gas und Immobilien, er stieg auch ins Geschäft mit dem Glück ein und zog mit Partner Jiri Smejc die Lotteriengruppe Sazka auf. Der Partner ist inzwischen wieder draußen.
Die Komareks waren auch bei den Privatisierungen dabei, damals entstand der Kontakt zum Österreicher Peter Goldscheider. Der Nachfahre der berühmten Keramik-Dynastie versuchte sich für Sazka als Türöffner in Wien, stieg aber bald wieder aus.
Ein beinharter Kampf um die Casinos begann, der bis heute andauert und mit der Bestellung des FPÖ-nahen Managers Peter Sidlo zum Finanzvorstand eine Staatsaffäre ausgelöst hat. Gar nicht zu reden vom Schaden für die Casinos. Zerstrittene Aktionäre sind für jedes Unternehmen lähmend.
Doch zurück zu den Anfängen. Sazka gelang es, Novomatic bei der Vienna Insurance Group (VIG) auszustechen. Der Preis für die elf Prozent an der Casag war exorbitant hoch. Aber Sazka war drin im komplizierten gesellschaftsrechtlichen Konstrukt aus Zwischenholdings und gegenseitigen Aufgriffsrechten. Als Player konnten die Tschechen nicht mehr übergangen werden. Und sie hatten angeblich ein Versprechen des damaligen ÖVP-Finanzministers Hans Jörg Schelling.
Rolle von Schelling
Er soll Komarek die Mehrheit bei den Casinos zugesagt haben. Die Staatsholding würde von ihrem Drittel-Anteil 13 Prozent abgeben.
Die Beziehung zu Novomatic war ein Auf und Ab. Zuerst flogen die Hackeln tief, dann sprach man sogar von Freundschaft und gründete ein Joint Venture.
Da stutzte die Wettbewerbsbehörde die Pläne von Novomatic drastisch zusammen. Graf war zu dominant im kleinen Glücksspiel (Automaten) in den Bundesländern und bei Sportwetten (Admiral).
Sazka holte sich die Aktien von UNIQA und LLI, sowie Teile vom Bankhaus Schelhammer & Schattera. Die ehemalige Kirchenbank wurde immer wieder für ihr Zocker-Engagement kritisiert und hält heute nur noch fünf Prozent.
Noch hatten Sazka und Novomatic eine Zweckgemeinschaft, nämlich ein Stimmrechtsabkommen über die Mehrheit in der alles entscheidenden Hauptversammlung.
Genau daran sollte die ohnehin nicht von viel Sympathie getragene Kooperation wieder zerbrechen. Als Sazka im Vorjahr alle Vertreter der Staatsholding aus dem Aufsichtsrat kippen und damit der Republik ihren Einfluss entziehen wollte, stellte sich Novomatic auf die Seite des Staates.
Die Revanche folgte umgehend. Sazka reichte wegen Nichteinhaltung des Abkommens gegen Novomatic eine Klage beim internationalen Schiedsgericht in Paris ein, Streitwert ist ein hoher dreistelliger Millionenbetrag.
Kurz zuvor hatte das Ibiza-Video die Regierung gesprengt. Die Tschechen argumentierten in ihrer Klage ausführlich mit dem Video und Straches Sager "Novomatic zahlt alle". Schließlich brachte eine anonyme Anzeige bei der Staatsanwaltschaft die Causa Sidlo ins Rollen. Elf Beschuldigte, darunter zwei ehemalige ÖVP-Minister, und ganz Österreich konnte peinliche Chat-Protokolle lesen. Novomatic-Chef Harald Neumann verdächtigte Sazka-CEO Robert Chvatal als Urheber. Der ehemalige Chef von T-Mobile Austria dementierte umgehend.
Wie aber soll’s weitergehen? Sazka hat die Mehrheit an den Casinos immer noch nicht aufgegeben und versucht derzeit, die Staatsholding ÖBAG ins Boot zu holen. Graf wiederum hat offenbar genug von Hausdurchsuchungen und Aktionärszwistigkeiten, Novomatic überlegt, sich aus dem Österreich-Geschäft zurückzuziehen.
Spekulationen, Schelling arbeite inzwischen als Berater für Sazka, werden von diesem zurückgewiesen. Auffallend ist freilich, dass das Finanzministerium ausgerechnet am letzten Arbeitstag von Schelling Sazka die behördliche Genehmigung erteilte, größter Aktionär der Casinos zu werden. Schelling begleitete Komarek zu einem Termin bei Sebastian Kurz, Thema war wieder die Mehrheit an den Casinos.
Sazka habe einmal für eine Beratung in EU-Ländern, keinesfalls aber in Österreich, angefragt, erklärt Schelling gegenüber dem KURIER. Man hört allerdings, der Ex-Minister habe sich auch Novomatic angedient.
Stimmt nicht, sagt Schelling, er sei gefragt worden, ob er in einen Aufsichtsrat in Deutschland gehen würde, was er abgelehnt habe. Neumann widerspricht, Novomatic habe Schelling "nie ein Aufsichtsratsmandat angeboten".
Novomatic – Graf
1980 von Johann F. Graf (72) gegründet, der mit Flipper-Automaten begann. Heute ist Novomatic Marktführer in Europa als Hersteller von Glücksspielequipment, Lotteriesystemlösungen und Gaming-Dienstleistungen. Der Konzern mit Headquarter in Gumpoldskirchen, NÖ, spielte 2018 mit mehr als 30.000 Mitarbeitern weltweit 4,8 Milliarden Euro Umsatz ein, Exportquote 90 Prozent. Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen 556 Mio. Euro. Der Oldtimer-Fan Graf ist mit einem geschätzten Vermögen von 6,7 Milliarden Euro der zweitreichste Österreicher.
Sazka – Komarek
Die Gaming-Gruppe Sazka gehört zum Mischkonzern KKCG. Dessen Eigentümer Karel Komarek, 50, gilt mit einem geschätzten Vermögen von 2,8 Milliarden Euro als einer der reichsten Tschechen. Komarek machte nach der Ostöffnung sein Geld in der Öl- und Gasindustrie, mit Immobilien, IT und Glücksspiel. Sazka ist einer der größten Lotterie-Konzerne Europas (Tschechien, Griechenland, Zypern, Italien) und betreibt auch Sportwetten. Im ersten Halbjahr 2019 rund 2,59 Milliarden Euro Umsatz, 286 Millionen Euro Gewinn vor Steuer, Zinsen, Abschreibungen.
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