Gastro, Handel und Bau droht eine Pleitewelle
Heuer sind schon etliche bekannte Unternehmen in die Insolvenz geschlittert: Die Möbelhandelskette Kika/Leiner, der Autozubehörhändler Forstinger, die Sport2000-Einkaufsgenossenschaft Zentrasport, der Modehändler Tally Weijl Austria und der Anhängerhersteller Pongratz. Zwar sprechen Experten für derzeit noch nicht von einer Insolvenzwelle, doch bis Jahresende sollen die Firmenpleiten weiter steigen.
„Wir gehen von einem Plus von zehn Prozent im Vergleich zum vorigen Jahr aus“, sagt Karlheinz Götze vom Gläubigerschutzverband KSV1870. „Im Vergleich zum Vor-Coronajahr 2019 sind wir aber nur zwei, drei Prozent drüber.“
Geschätzte 6.000 Insolvenzen
Beim Gläubigerschutzverband Creditreform sieht man die Lage etwas dramatischer. „Ich denke, es werden deutlich mehr als zehn Prozent sein, denn allein bei den eröffneten Insolvenzverfahren haben wir eine Steigerung um 26 Prozent“, sagt Gerhard Weinhofer von Creditreform. „Gerade haben sich viele Betriebe durch die Pandemie-Krise gerettet, kommen schon die nächsten Krisen daher, das ist für viele zu viel.“
Bereits eine Rezession
So kommen vor allem die hohe Inflation, die hohen Energiekosten und der Personalmangel zum Tragen. Und die Rezession in Deutschland wirkt sich negativ auf die österreichischen Exporteure aus.“ Viele Unternehmen sind mit sinkenden Aufträgen konfrontiert. „Technisch gesehen sind auch wir schon in einer Rezession, nach zwei Quartalen Minus-Wachstum“, sagt Weinhofer. „Wir müssen heuer mit 5.300 bis 5.500 Unternehmensinsolvenzen rechnen und im nächsten Jahr mit 6.000.“
An der Spitze im Branchenranking steht laut KSV1870 – nach dem ersten neun Monaten 2023 – der Handel mit 737 Pleiten, gefolgt von der Bauwirtschaft mit 650 Fällen und der Gastronomie mit 507 Fällen.
19 Prozent Anstieg
In der Gastro beträgt der Pleiten-Anstieg 19 Prozent. Die Gastro-Branche ist u. a. damit konfrontiert, dass die Leute aufgrund der hohen Inflation weniger essen gehen bzw. weniger ausgeben. Außerdem herrscht auch ein eklatanter Personalmangel. Eher schwarz sieht daher Weinhofer: „Wir rechnen in der Gastro- und Tourismusbranche im nächsten Jahr mit einer Pleitewelle, weil mit 30. Juni 2024 die letzten Steuerstundungen in Sachen Corona-Pandemie auslaufen.“
„Auch der Handel spürt, dass die Leute sparsamer mit dem Geld umgehen“, sagt Götze. „Der stationäre Handel kämpft mit erhöhten Kosten, die der Online-Handel nicht hat. Letzterer kann zu anderen Preisen anbieten.“ Unter den Pleitiers sind aber auch viele Gewerbebetriebe.
„Die Gründe sind sehr mannigfaltig, man kann für die Gewerbebetriebe keine generelle Aussage treffen, man muss sich die Fälle individuell anschauen. Viele Unternehmer fragen sich aber, warum sie sich das Geschäft in einem so schwierigen Marktumfeld weiter antun sollen“, sagt Weinhofer. „Der eine Unternehmer bekommt von der Bank keine Finanzierung mehr, bei einem anderen sind Kunden abgesprungen, der Umsatz ist eingebrochen und andere Unternehmer finden kein Personal.“
Keine Bewilligungen
Besonders stark sind die Probleme in der Baubranche und im Baunebengewerbe (Maler, Bauschlosser, Fliesen- und Bodenleger, Dachdecker, Glaser, Zimmerer). Laut KSV1870 sind die Baubewilligungen in Österreich im Vergleich zum Jahr 2019 um rund ein Drittel zurückgegangen.
„Wenn nichts bewilligt wird, wird nichts gebaut“, sagt KSV1870-Experte Götze. Neben den steigenden Zinsen führt vor allem die sogenannte KIM-Verordnung der Finanzmarktaufsicht zu einem massiven Einbruch im Wohnungsbau. Die KIM-Verordnung besagt, dass die Wohnbau-Kreditrate 40 Prozent des Haushaltseinkommens nicht übersteigen darf.
„Die Kosten der Bauträger sind gestiegen und die Nachfrage ist zurückgegangen“, sagt Götze. „Da wird es einige Bauträger erwischen. Wir haben jetzt schon zehn Prozent mehr Pleiten in der Bauwirtschaft als 2019.“ Der KSV1870 erwartet daher „am Bau in den nächsten zwei, drei Jahren eine erhöhte Zahl an Insolvenzen“.
Die Statistik
Bis Ende September sind in Österreich rund 3.900 Unternehmen in die Insolvenz geschlittert. Das ist ein Plus von zehn Prozent.Sie haben Schulden in Höhe von 1,877 Milliarden Euro. Das ist ein
Plus in Höhe von 25 Prozent
31.400 Gläubiger
Durch die Großpleiten wie Kika/Leiner ist die Zahl der betroffenen Dienstnehmer sogar um 80 Prozent auf rund 18.400 Personen gestiegen, die Zahl der Gläubiger um 44 Prozent auf rund 31.400
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