EZB-Chefin zu Inflation: "Wir haben noch mehr Boden gut zu machen"
Der jüngste Zinsbeschluss der EZB basiert laut Präsidentin Christine Lagarde auf einer großen Übereinstimmung der Währungshüter. Es sei letztlich ein "Balanceakt" gelungen, der auf "fast einmütiger Zustimmung" basiere, sagte die Französin am Donnerstag nach dem Zinsentscheid. Alle hätten darüber übereingestimmt, dass eine Anhebung nötig sei und eine Pause nicht infrage komme.
Niemand sei daher für unveränderte Zinsen gewesen. Einige hätten jedoch einen stärkeren Schritt in Höhe von einem halben Prozentpunkt für angebracht gehalten, räumte Lagarde ein.
Letztlich habe es eine sehr starke Übereinstimmung auf der Sitzung für einen kleineren Zinsschritt von einem viertel Prozentpunkt gegeben: "Wir haben noch mehr Boden gut zu machen", fügte Lagarde mit Blick auf den Kampf gegen die ausufernde Inflation hinzu.
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Nach Monaten mit nachlassendem Preisauftrieb verstärkte sich die Inflation im Euroraum im April wieder leicht. Die Verbraucherpreise legten binnen Jahresfrist um 7,0 Prozent zu. Damit liegt die Teuerung immer noch mehr als dreimal so hoch wie die Zielmarke von zwei Prozent, die die Europäische Zentralbank (EZB) als Optimalwert anstrebt. Noch im März war die Inflation auf 6,9 Prozent gesunken, nach 8,5 Prozent im Februar.
Die Kernrate, in der die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise sowie Alkohol und Tabak ausgeklammert sind, ging im April nur leicht zurück auf 5,6 Prozent nach 5,7 Prozent im März. Die hartnäckig hohe Kernrate treibt viele Währungshüter um. Denn dies könnte signalisieren, dass der Preisschub im Euroraum womöglich langsamer abnimmt als bisher gedacht.
Die EZB signalisierte nun, dass sie noch mehr tun muss, um die Inflation zu dämpfen. "Die zukünftigen Beschlüsse des EZB-Rats werden dafür sorgen, dass die Leitzinsen auf ein ausreichend restriktives Niveau gebracht werden, um eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen 2-Prozent-Ziel zu erreichen", heißt es in der Erklärung der EZB. Dieses Niveau werde so lange aufrechterhalten wie erforderlich.
„Die jüngsten Tarifabschlüsse haben die Inflationsrisiken erhöht“, so Lagarde. Dies gelte besonders dann, wenn auch die Gewinnspannen der Unternehmen hoch blieben. Die kräftigeren Lohnabschlüsse dürften in diesem Jahr stärker zum Preisauftrieb beitragen.
Aus Sicht mancher Volkswirte ist damit die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale größer geworden. Falls sich Preise und Löhne immer weiter gegenseitighochschaukeln sollten, würde es für die EZB noch schwerer werden, die Inflation zu bekämpfen.
„Der Lohndruck hat zuletzt trotz der schwächeren Konjunktur weiter zugenommen“, sagte der Chefvolkswirt der DZ Bank, Michael Holstein. Im April lag die Teuerungsrate noch bei 7,0 Prozent. Sie ist damit immer noch mehr als drei Mal so hoch wie die Zielmarke von zwei Prozent Inflation, die die Währungshüter als optimal für die Wirtschaft erachten.
„Tarifparteien, Unternehmen und Konsumenten müssen sich auf eine Rückkehr zur
Preisstabilität verlassen können, sonst werden weitere Preissteigerungen in den Wirtschaftsplänen für die Zukunft zementiert werden und sich verfestigen“, sagte der Chefökonom des Finanzdienstleisters HQ Trust, Michael Heise.
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