Warum Inflation und Leitzinsen noch länger hoch bleiben

RBI-Chefanalyst Peter Brezinschek.
Die Kerninflation führt dazu, dass die Leitzinsen noch weiter steigen werden.

Seit zwei Jahren beschäftigt uns die Inflation. 2021 noch von vielen Ökonomen als „Inflationsgespenst“ bezeichnet und nicht ernst genommen, hat sich die Teuerung verfestigt. Auch die Notenbanken in den USA und der Eurozone sprachen anfangs nur von einem „temporären“ Phänomen. Doch sie ist gekommen, um zu bleiben.

Viel wertvolle Zeit zum Handeln ist daher verstrichen, die Inflation hat sich daher stärker und breiter entfaltet als bei rechtzeitigem Gegensteuern von Geld- und Fiskalpolitik. Denn auch der Milliarden-schwere Geldsegen der Regierungen erhöht die Kaufkraft der privaten Haushalte und Ausgabenspielräume der Unternehmen.

Nunmehr gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Zuerst die gute: Die Preisdynamik hat ihren Höhepunkt überschritten und nimmt schon in naher Zukunft deutlich ab. Während in der Eurozone der Anstieg der Verbraucherpreise im März schon auf +6,9 Prozent zurückgegangen ist, verzögert sich der Rückgang in Österreich. Hier waren es noch immer 9,2 Prozent. Hauptgrund für die Verzögerung sind längerfristige Haushaltsenergiekontrakte, verzögerte Mietanhebungen und höhere Gastropreise.

Doch jetzt bereits stagnierende Großhandelspreise und tiefere Energie- und Rohstoffpreise sorgen in den nächsten Monaten für spürbar niedrigere Inflationsraten. Die Veröffentlichung der April- Zahlen am 2. Mai wird dies bestätigen. Schon im Sommer dürfte der VPI in Österreich unter +5 Prozent liegen, gegen Jahresende bei rund 3 Prozent.

Transferzahlungen

Und nun die schlechte Nachricht: Die Kerninflation, also die Teuerung ohne Energie, Nahrungsmittel und Tabak, ist noch immer im Steigen (Eurozone +5,7 Prozent, Österreich über 8 Prozent) und wird hartnäckig hoch bleiben. Grund: Bei langfristigen Konsumgütern und vor allem Dienstleistungen haben Unternehmen durch kräftige fiskalische Transfers höhere Preisüberwälzungsspielräume genutzt. Die Kaufkraft der Haushalte ist über hohe Lohnsteigerungen zusätzlich unterstützt.

Da am Jobmarkt akuter Arbeitskräftemangel herrscht, werden im Herbst und den nächsten Jahren die Lohnabschlüsse relativ hoch ausfallen. So wird die Kerninflation länger klar über dem Inflationsziel von 2 Prozent verharren. Die Implikation für die Geldpolitik ist eindeutig: Die Leitzinsen haben den Höhepunkt noch nicht erreicht und sie werden länger höher bleiben, als dies Finanzmarktteilnehmer derzeit erwarten.

Schon am 4. Mai wird die EZB weiter an der Zinsschraube drehen und wahrscheinlich erst zur Jahresmitte in eine Warteposition einschwenken. An eine erste Anpassung nach unten ist nicht vor Jahresmitte 2024 zu rechnen. Schön langsam beginnen daher auch die Sparzinsen zu klettern. Eine längere Zinsbindung ist erst ab dem Sommer ratsam, wenn die EZB ihre Leitzinsanhebungen beendet. Seit Langem sind auch (Unternehmens-)Anleihen wieder vorteilhaft und bieten Renditen leicht über der künftigen Teuerung.

Aber gerade im 2. Quartal sind auch hohe Dividendenausschüttungen von Qualitätsaktien nicht zu verachten. Auch wenn die Zeit der Nullzinsen endgültig für lange vorbei ist, reale Erträge mit Spareinlagen sind auch künftig sehr unwahrscheinlich. Für einen langfristigen Vermögensaufbau kommt man an Aktien und ausgewählten Anleihen nicht vorbei.

Peter Brezinschek ist selbstständiger Finanzmarktexperte, früher Chefanalyst von Raiffeisen Research

Kommentare