Die Kohlendioxid-Speicher unter dem Meer
Ins Meer und weg damit. Oder noch besser: unters Meer. Das ist im Kampf gegen den Klimawandel eine mögliche Lösung für den Umgang mit dem Treibhausgas CO2.
"Ohne die Abscheidung und anschließende Speicherung des Treibhausgases wird man die Klimaschutzziele nicht erreichen können", meint dazu etwa der norwegische Ministerpräsident Jonas Gahr Støre von der sozialdemokratischen Arbeiderpartiet. Die Rede ist von einer Technologie namens "Carbon Capture and Storage" (CCS). CO2 ist an sich ein natürliches Produkt der Zellatmung, durch die intensive Nutzung von fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas entsteht aber mehr davon, als der Planet wieder verarbeiten kann. Anstatt es in die Atmosphäre gelangen zu lassen, kann es aber auch abgeschieden werden ("capture"). In einem nächsten Schritt muss das Gas dann aufbewahrt bzw. gelagert werden ("storage").
Vorreiter Norwegen
Norwegen fördert nicht nur Öl und Gas in der Nordsee, es ist auch einer der Vorreiter, CO2 unterirdisch zu lagern (siehe Grafik). Bereits seit 1996 pumpt der Energiekonzern Statoil am Sleipner-Gasfeld das Treibhausgas zurück in den Boden unter dem Meer. Das könnte zu einem lukrativen Geschäft werden, denn laut Støre könnte Norwegen das gesamte in Europa produzierte CO2 unter dem Meeresgrund verpressen.
Der nächste Schritt dazu ist das Projekt "Northern Lights". Dabei soll Kohlendioxid aus der europäischen Zement- und Stahlindustrie mit Schiffen an ein Terminal nördlich von Bergen geliefert werden. Von dort aus wird es über Pipelines 100 Kilometer vor die Küste transportiert, wo es in 2.400 Metern Tiefe gelagert werden soll.
Die erste Phase des Projekts soll Mitte 2024 abgeschlossen sein und 1,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr speichern können. In Zukunft soll die Speicherkapazität auf fünf Millionen Tonnen pro Jahr ausgeweitet werden.
Deutschland will das Angebot aus Norwegen in Anspruch nehmen, obwohl es im eigenen Land, wie auch in Österreich, massive Bedenken gegen die CCS-Technologie gibt. Befürchtet wird etwa, dass Lecks entstehen und es durch tektonische Brüche zu einer Verunreinigung des Grundwassers kommen könnte. Größere Austritte an der Oberfläche könnten Menschen und andere Lebewesen gefährden. In Norwegen sieht man das weniger skeptisch. „Wir haben Erfahrung und wissen, dass es dortbleibt. Das ist ein sicherer Lagerort“, sagte Støre.
Auch Dänemark und Großbritannien wollen die Nordsee zur Kohlenstoff-Speicherung nutzen. Bis 2030 könnten dadurch laut der britischen Regierung bis zu 50.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Einen anderen Weg geht man in Island. Dort wird Kohlendioxid mit Wasser vermischt und in eine Schicht von Basaltgestein gepumpt, wodurch es aushärtet, sozusagen versteinert.
In Österreich gäbe es potenzielle Lagerstätten etwa in ausgeförderten Erdgasfeldern, allerdings ist die dauerhafte unterirdische CO2-Speicherung verboten.
Wiederverwertung
Stattdessen wird an dem Bereich „Carbon Capture and Utilization“ gearbeitet, also der Abspaltung und Verwertung von Kohlendioxid. So kann es zusammen mit Wasserstoff sowohl zu Methan (CH4, der Hauptbestandteil von Erdgas) oder zu flüssigen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels, verarbeitet werden.
Die OMV und ihre Tochter Borealis planen zusammen mit dem Zementhersteller Lafarge und dem Stromkonzern Verbund eine Pilotanlage in Niederösterreich. Dort soll das CO2 aus der Zementproduktion abgefangen werden. Die OMV will aus der Verbindung Treibstoffe, Borealis Kunststoffe herstellen. Die Energie in Form von Ökostrom und daraus gewonnenem Wasserstoff ist die Expertise des Verbund.
Skeptiker befürchten, dass CCS für die Industrie eine bequemere Alternative zur Vermeidung von Emissionen sein könnte. Die Wiederverwertung kann sich nur durchsetzen, wenn sie sich wirtschaftlich auszahlt. Dabei gilt es zu bedenken, dass auch die Abspaltung und der Transport von CO2 wiederum Energie verbrauchen.
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