Eine Kinderhand, die durch ein saftig grünes Ährenfeld streicht. Dazu der Slogan „Um unseren Planeten kümmern“. Und ein Gemenge an Zahlen, die von reduzierten -Emissionen berichten. Die Rede ist nicht von einer Umweltorganisation, sondern vom britischen Mineralölunternehmen bp. Kerngeschäft: fossile Brennstoffe. Bekannt durch seine weltweit rund 20.000 Tankstellen und als Verursacher diverser Umweltkatastrophen. Die eingangs erwähnten Impressionen stammen von dessen Webseite. Man findet sie unter dem Punkt „Nachhaltigkeit“. Wie passt das zusammen?
Der Konsum von grünen Produkten ist längst zum Trend geworden und hat sich durch die Corona-Krise weiter verstärkt. Laut einer Gallup-Umfrage achten acht von zehn Befragten beim Einkauf stärker auf die regionale Herkunft. Für zwei Drittel spielen Nachhaltigkeit und Qualität seit Ausbruch der Pandemie eine größere Rolle. Das wissen auch die Unternehmen. Und wittern ihre Chance. Denn viele sind bereit, für nachhaltige Konsumgüter mehr Geld auszugeben. Das veranlasst einerseits zu echten ressourcenschonenden Maßnahmen und einem Umdenken in der Wirtschaft. Bietet aber andererseits den Nährboden für falsche grüne Versprechen. Und diese erleben derzeit eine Hochblüte.
Die Methoden
„Dabei gibt es zwei problematische Aspekte. Erstens werden die Menschen mittels PR-Strategien hinters Licht geführt. Und zweitens ist es umweltschädlich, weil der Konsument denkt, er trägt mit dem Kauf des Produkts etwas Positives bei“, sagt Raphael Fink vom Verein für Konsumentenschutz (VKI). Die Unternehmen gehen dabei meist nach gleichen Mustern vor. Ein Klassiker ist die Verwendung von absichtlich vagen Begriffen, wie „nachhaltig“ oder „grün“. „Diese sind, im Gegensatz zu ‚biologisch erzeugt‘, nicht geschützt. Es gibt kein Regelwerk, ab wann man seine Produkte so nennen darf“, erklärt Christoph Mandl von der Universität für Bodenkultur. Unternehmen können sie also recht großzügig für ihre Produkte einsetzen, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen.
Die gesetzliche Grundlage ist derzeit dürftig. Die EU will das ändern und arbeitet an einer Richtlinie, mit der Unternehmen für Greenwashing zur Verantwortung gezogen werden sollen. Die Verwendung solcher Begriffe soll dann mit Öko-Bilanzierungen belegt werden. Eine gesetzliche Regelung sei zwar längst überfällig, werde aber nicht alle Greenwashing-Probleme lösen, meint Fink vom VKI. „Manche verwenden erfundene Gütesiegel. Oder werben damit, ohnehin verbotene Substanzen nicht zu verwenden.“ Bestes Beispiel ist das Etikett „FCKW-frei“ für Haarsprays. Das Treibgas darf längst nicht mehr verwendet werden.
Die ökologische Schönfärberei zieht sich durch viele Branchen. Und ist dabei mehr oder weniger dreist. Kreuzfahrtschiff-Unternehmen werben seit ein paar Jahren mit „Green Cruises“. Aida etwa preist „nachhaltige Kreuzfahrten“ an, die Schiffe werden mit Flüssiggas betrieben. Dieses stößt zwar weniger als Diesel aus. Einer Studie des „International Council on Clean Transportation“ zufolge dafür aber mehr Methan, was wesentlich klimaschädlicher als ist. Eine Anfrage des KURIER an Aida Cruises, wie das zu rechtfertigen sei, blieb unbeantwortet.
Das Eco-Label ist ebenso sehr umfassend - von der Herstellung bis zur Entsorgung eines Produkts.
Mär vom Meeresplastik
Adidas bietet Sportartikel aus recyceltem Meeresplastik an. Gestartet wurde mit einem Schuh, der damit beworben wurde, Plastik aus dem Ozean zu fischen und wiederzuverwerten. Tatsächlich stammt der Kunststoff nicht aus den Meeren, sondern aus Küstenregionen, wie das Unternehmen letztlich zugab und auch gegenüber dem KURIER bestätigt. Adidas rechtfertigt sich damit, dass das Plastik so abgefangen werde, bevor es überhaupt in den Ozean gelangen könne.
Generell versucht die Textilindustrie, ihr Image mit ökologischen Versprechen aufzuwerten. Laut dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) verursacht sie nämlich zehn Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Viele werben mit recycelten Materialien, oft besteht aber nur ein kleiner Anteil daraus.
Auch die ungarische Billigfluglinie Wizz Air heftet sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen, etwa mit dem Versprechen, Europas Airline mit dem kleinsten -Fußabdruck zu sein. Der Verein für Konsumentenschutz nahm die Fluglinie im Rahmen eines Greenwashing-Checks unter die Lupe. Das Ergebnis: Besondere Nachhaltigkeitsmaßnahmen würden sich nicht finden. Zwar gebe es Bemühungen wie Papiereinsparung in Büros. Und auch Wizz Air betont gegenüber dem KURIER, dass moderne Flugzeuge, maximale Auslastung und leichte Materialien Treibstoffeinsparungen ermöglichen würden. Dies steht laut VKI aber nicht in Relation zu den Emissionen.
Auch in der Welt der Finanzprodukte ist Greenwashing längst angekommen, hier wird mit grünen Fonds und nachhaltigen Investments geworben. „Der Finanzmarktaufsicht fallen verstärkt vermeintlich grüne Finanzprodukte auf“, warnt die FMA im Gespräch mit dem KURIER. So würden zum Beispiel Investitionen in grüne Immobilien, Wind- und Solarparks in hochriskante Produkte verpackt – wie qualifizierte Nachrangdarlehen und Schuldverschreibungen. Immerhin gilt in der EU seit Mitte März die Offenlegungsverordnung, die Banken vorschreibt, ihre Produkte nach einem Nachhaltigkeitsgrad zu klassifizieren.
Ablenkungsmanöver
Ebenfalls eine beliebte Greenwashing-Methode ist, Aktionen in einem Bereich zu präsentieren, der nichts mit dem Kerngeschäft zu tun hat. Coca-Cola und Nestlé etwa rühmen sich mit Baumpflanzungen in verschiedensten Ländern. Gleichzeitig gehören sie zu den Hauptverursachern von Meeresplastik.
Besonders dreiste grüne Behauptungen seien zwar ärgerlich, aber für Konsumenten leichter zu erkennen, sagt VKI-Experte Fink. „Wenn Erdgas als klimaneutral beworben wird, kann sich das nicht ausgehen.“ Problematischer sei der Graubereich. Wenn zwar durchaus ökologische Maßnahmen gesetzt werden, diese aber nicht so effizient seien wie behauptet. Oder dafür andere, umweltschädliche Aspekte verschwiegen werden. „Dann wird zu komplex, um es auf den ersten Blick zu durchschauen.“
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