Chinas neue Seidenstraße führt auf den Mond
In bereits zwölf Jahren werden erstmals Menschen permanent auf einer Station am Südpol des Mondes leben. Die Chancen wachsen, dass das erste Astronautenbier dort allerdings in chinesischen Yuan und nicht in US-Dollar bezahlt wird.
Denn die NASA ist bereits drei bis fünf Jahre hinter dem Zeitplan für ihr Mondprogramm. Trotz eines zivilen Jahresbudgets für Weltraumaktivitäten von rund 27 Milliarden Euro (und eines noch höheren militärischen) fehlt das Geld an allen Ecken und Enden. Für bemannte Mondflüge benötigen die USA zwei verschiedene Raketen. Die eigene SLS-Rakete verschlingt in den kommenden Jahren fast ein komplettes Jahresbudget der NASA, das für die Mondlandung benötigte Starship von Elon Musk schafft bis heute nicht einmal, alle Triebwerke gleichzeitig zu zünden.
Weltraum-Experte Eugen Reichl schätzt das chinesische Weltraumbudget auf rund 15 Milliarden Euro aktuell. Neben billigeren Lohnkosten bassiert das System auf den Ideen der US-Apollo-Missionen. So werden die meisten Raumfahrzeuge doppelt konstruiert und für die zweite Mission nur noch verbessert. Unter dem Strich senkt das Kosten und erhöht die Sicherheit. Während die USA in schweren Turbulenzen stecken, hält China seit Jahrzehnten jeden Termin ein wie ein Schweizer Uhrwerk. Wirtschaftliche Probleme wie aktuell beeinflussen die großen Pläne für den Weltraum nicht.
Dazu ist Chinas Präsident Xi Jinping ein Verfechter des seit 1991 laufenden Programms, das in Fünf-Jahres-Plänen genau festgelegt wird. Die NASA hingegen muss jährlich um ihr Budget streiten - republikanische Präsidenten investieren gerne, demokratische wie Biden oder Obama setzen hingegen auf den Sparstift. Ohne Donald Trump, der seine zweite Amtszeit krönen wollte, gebe es wohl überhaupt kein Artemis-Mondlandeprogramm.
Das diktatorische China plant hingegen bereits Missionen für 2049 - zur 100-Jahrfeier der Revolution soll ein Raumschiff 100 Astronomische Einheiten von der Erde entfernt sein (eine AE ist die Entfernung Erde-Sonne, Anm.). Für ein Sparprogramm wäre also wohl eine politische Revolution nötig.
Doch warum will China überhaupt eine neue Seidenstraße auf den Mond bauen? Zunächst geht es dem Land (ebenso wie den USA) um Macht und Territorium. In der Südpolregion des Mondes werden ausreichend Wasservorkommen vermutet, auch gibt es hier mehr Sonnenstunden als anderswo - wichtig für die Stromversorgung mit Solarpanelen. Und es wäre kein Wunder, wenn der erste Streit oder gar Mond-Krieg um den sonnenverwöhnten und wasserhältigen Shakleton-Krater toben wird, vermutlich die Poleposition für lunare Geschäfte von West und Ost.
Dazu warten auf dem Himmelskörper Rohstoffe (seltene Erden) zum Bau von Elektroautos sowie Helium-3 für Fusionsreaktoren. Dazu gibt es Gold, Platin oder Eisen teils in vermutlich großer Menge. Die Zukunft der Menschheit liegt also in mehrfacher Hinsicht auf dem Mond.
Geheim wie das Atomprogramm
China macht jedenfalls ernst und hat die ohnehin schon restriktive Informationspolitik in den vergangenen Monaten noch einmal verschärft, es gilt die gleiche Nachrichtensperre wie etwa beim Atomprogramm. So ist im Westen weitgehend unbekannt, dass die chinesische Raumfahrtorganisation CSNA im Vorjahr erstmals jene war mit den meisten Raketenstarts (66), dahinter folgt das Privatunternehmen SpaceX von Elon Musk (61). Die NASA liegt mit 26 Startversuchen nur mehr auf Platz 3, gerade noch knapp vor dem kriegführenden Russland. Und die europäische ESA hat aktuell nicht mal eine flugfähige Rakete, brachte aber noch zwei Raketen in die Höhe. Heuer dürfte es sogar mehr als 80 chinesische Starts geben.
Vermutlich werden die Mondstationen von jeweils vier bis sechs Astronauten betrieben, der Rohstoffabbau dürfte von Roboter-Maschinen übernommen werden. Während die USA die wichtige Entwicklungen mittlerweile auslagert und sich die Mondlandefähren - für Artemis 3 bis 6 - von den Milliardären Elon Musk und Jeff Bezos konstruieren lässt, arbeitet China effektiver und modernisiert einfach bewährte Konzepte. Aktuell wird die Rakete "Langer Marsch 9" konstruiert, die für jeweils zehn Starts eingesetzt werden soll und 50 Tonnen zum Mond transportieren kann. Geplant ist ein Shuttle-Service mit Hunderten Flügen zum Erdtrabanten.
Um dem regen Verkehr mit An- und Abflügen Herr zu werden, wird ein Mond-GPS-Satellitensystem errichtet werden. Die Seidenstraße 2.0 nimmt bereits Formen an. Aktuell wird in China an einem achten Weltraumbahnhof gebaut, um noch mehr Raketen starten zu können.
In der NASA gilt die Doktrin, das beim Mondprogramm jedenfalls nicht mehr gespart werden darf. Die einmal für 2024 geplante bemannte Landung wird - nach Expertenschätzung - wohl erst 2027, 2028 oder sogar noch später stattfinden. Bei den Chinesen war lange von 2030 die Rede, offiziell heißt es neuerdings "vor 2030". Gewinnt das Reich der Mitte dieses Rennen hätten die USA innerhalb eines guten Jahrzehnts fast sechs Jahre Entwicklungszeit verloren, was eine ziemliche Blamage wäre. Die Mondlandefähre von Elon Musk etwa sollte längst einsatzbereit sein und heuer einen Probeflug zum Erdtrabanten unternehmen.
China halbiert das Risiko
Während die NASA für die Mondlandung ihre eigene SLS-Rakete für den Hinflug der Astronauten in der Orionkapsel und Musks Starship als zweite Rakete für die Landung benötigt, halbiert China das Risiko. Der kommunistische Staat schickt sowohl seine Taikonauten als auch die Landefähre und sogar ein Fahrzeug mit zwei Raketen vom Typ "Langer Marsch 10", die derzeit noch entwickelt wird und 2027 flugfähig sein soll.
Verblüffend ist allerdings auch, was China parallel auf den Weg schickt. 2020 landete erstmals überhaupt in der Menschheitsgeschichte eine Sonde auf der Rückseite des Mondes, 2022 wurde eine permanente Raumstation über der Ein Betrieb genommen. Dennoch gibt es bereits eine fertige und getestete Mondkapsel. China will jedenfalls mit Chang'e 6 im kommenden Jahr noch einmal Mondgestein zur Erde zurückbringen und 2026 mit Chang'e 7 den Landeplatz auskundschaften - danach wird bereits die Mondlandung anvisiert.
2035 soll die chinesische Mondstation „Tiangong“ (Himmelspalast) stehen, 2050 eine auf dem Mars. Böse Zungen behaupten bereits, dass die nächste US-Mondlandung die erste sein wird, die von der Mondoberfläche gefilmt werden - und zwar von den Chinesen. Das wäre dann die Höchststrafe für die NASA.
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